Fast alle Retailer haben schon einmal die Schwierigkeit eines vollen Lagers, das mit hohen Kosten verbunden ist. Gerhard Erning, Gründer und CEO von unserem ECC CLUB Mitglied BARTER1, erläutert im Interview die Herausforderungen und möglichen Lösungen für teure Lagerware.
Welche Herausforderungen haben deiner Ansicht nach Retailer heute im Hinblick auf Lagerbestände?
Die Planung des Konsums wird zunehmend komplexer. Angesichts der aktuellen Zurückhaltung der Konsumenten sind die Lagerbestände von Herstellern und Einzelhändlern hoch. Jeder Teil der Lieferkette versucht, diese Situation auf seine Weise zu optimieren. Besonders im B2C-Bereich sind es die Onlinehändler, die Preise festlegen und durchsetzen können, im Rahmen des Kartellrechts. Wenn ihre Bestände sich langsamer drehen, senken sie die Preise immer schneller. Hier gegenzusteuern stellt die größte Herausforderung dar.
Wie können Lagerbestände abgebaut und gleichzeitig Verbindlichkeiten reduziert werden?
Lagerbestände sind stets als bilanzielle Verbindlichkeiten zu betrachten und müssen zu bestimmten Stichtagen bewertet werden. Insbesondere langsam drehende Bestände unterliegen einer kontinuierlichen Abwertung. Dieses Prinzip ist universell gültig und führt zu einer doppelten Herausforderung: Zum einen gilt es, den Wertverlust der Bestände zu minimieren, zum anderen sollte das Risiko bilanzwirksamer Verluste reduziert werden. Eine effektive Lösung besteht darin, durch ein Gegengeschäft "schlechte" Bestände gegen wirtschaftlich rentableres zu tauschen. Dadurch werden Verbindlichkeiten in Forderungen umgewandelt – das ist vereinfacht die Funktionsweise eines Gegengeschäfts.
Möglich ist zum Beispiel ein Tausch der Ware gegen eine Medialeistung (z. B. Werbung). Der dargestellte Tauschprozess beinhaltet selbstverständlich die Ausstellung von Rechnungen, sowohl für die Ware, die das Lager verlässt, als auch für die erbrachte Medialeistung, sobald diese ausgespielt wurde. Damit wird sichergestellt, dass der gesamte Transaktionswert korrekt bilanziert wird, indem sowohl der Warenfluss als auch die erbrachten Dienstleistungen erfasst und abgerechnet werden. So entsteht eine Win-Win-Situation, bei der Verbindlichkeiten durch den Austausch nicht nur reduziert, sondern in tatsächliche Forderungen umgewandelt werden.
Welche Hürden treten bei der Umsetzung von solchen Gegengeschäften auf?
Gegenüber Gegengeschäften gibt es massive Vorurteile und auch einige schlechte Beispiele. Die gezielte Ansprache und das Identifizieren der richtigen Ansprechpartner im Unternehmen sind entscheidend. Der CFO und CSO sind meistens die richtige Adresse, da dort bereits ein Verständnis für das Thema vorhanden ist und es leicht vermittelt werden kann. Die Einbindung des Marketings im nächsten Schritt stellt jedoch oft eine Herausforderung dar, da meist bereits bestehende Partnerschaften mit Agenturen und Medien bestehen.
Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit für den Umgang mit Lagerbeständen?
Das Thema Nachhaltigkeit spielt generell eine immer wichtigere Rolle im Produktlebenszyklus. Und das nicht nur am Anfang der Kette, wo es zum Beispiel um den Einsatz nachhaltiger Ressourcen geht, sondern auch gerade dort, wo man über Lagerhaltung, Langerumschlagsgeschwindigkeit und Verwertung von Produkten spricht, bis hin zur Entsorgung.
Durch innovative Gegengeschäfte lässt sich nachhaltiger mit den bereits verwendeten Ressourcen umgehen. Durch die Gegengeschäfte kann dafür gesorgt werden, dass hochwertige Ware nicht vernichtet wird, sondern weiterhin Abnehmer findet. Gleichzeitig wird der Bedarf an Lagerfläche reduziert.
