…. für die Konsumentinnen und Konsumenten, Ralf Deckers (Bereichsleiter Customer Insights)?
In Deutschland wird gerade mächtig gebremst. Jetzt wird sogar mit „Doppel-Wumms“ in die Eisen getreten. Die Bundesregierung hat die Einführung des Gaspreisdeckels verkündet. Damit soll ein „großer Abwehrschirm“, so der Kanzler, aufgespannt werden, der die Deutschen vor den Unbilden der politischen Großwetterlage schützt. „Die Preise müssen runter“. Die Gaspreisbremse soll genau das bewirken.
Aber tut sie das auch? Und was bedeutet das für unsere Wirtschaft, für die Konsumlandschaft? Seien wir ehrlich, wir wissen es nicht. Wie genau das Bremsmanöver aussehen soll, ist aktuell noch unklar. Eine Kommission unter Vorsitz der Wirtschaftsweisen Prof. Veronika Grimm soll jetzt zügig die Arbeit aufnehmen und einen Manöverplan ausarbeiten. Bis dahin ist viel Raum für Spekulation. Aber versuchen wir eine Einordnung. Werfen wir dazu einen Blick auf empirische Befunde zur Gemütslage und zum Konsum der Deutschen. Das IFH KÖLN hat seit Beginn der Krisenperiode, die mit dem Coronavirus einsetzte, regelmäßig in deutschen Haushalten nachgefragt, wie es um die Konsumstimmung steht. Die Antworten dort geben Hinweise auf das, was in diesem Herbst und Winter folgen mag:
- Zunächst einmal: Die Verunsicherung der Bevölkerung ist groß. Und sie ist auch tiefsitzend. Hier werden Grundängste um die eigene Existenz, den liebgewonnenen Lebensstil aktiviert.
- Die Wahrnehmung einer Gefährdungslage speist sich aus mehreren Quellen: Bislang hat vor allem der tägliche Einkauf durchgeschlagen. Der Preis für die Butter hat schockiert.
- Die Erhöhung der Gaspreise steht bisher eher als Schreckens-Szenario im Raum. Erhöhte Nebenkosten wurden angekündigt, sind aber kurzfristig nicht fällig. Die Wucht einer Erhöhung, wie immer sie auch ausfallen mag, kommt also noch. Und eines ist klar: Trotz Deckelung wird Energie teurer werden und sich dann zu den sonstigen Lebenshaltungskosten hinzuaddieren. Der Preishammer trifft dann noch härter.
- Der Blick nach vorne ist deutlich eingetrübt. Licht am Ende des Tunnels sehen viele Verbraucher:innen aktuell nicht. Es wird mit einer längeren Durststrecke gerechnet.
Das bedeutet: Die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen in der Roten Zone, schauen mit Angst und Unsicherheit in die Zukunft. Der Preisdeckel kann beruhigende Signale senden und auch monetär entlasten. Und das ist ja schon mal was. Aber der Abwehrschirm schützt nicht flächendeckend. Und die Bevölkerung weiß das. Und schläft nachts schlecht.
… für Händlerinnen und Händler, Boris Hedde (Geschäftsführer)?
Mit Kund:innen „in der roten Zone“, die ihr Konsumverhalten einschränken und/oder zurückfahren, ergeben sich automatisch auch dramatische Gegebenheiten für den Handel und seine Unternehmer:innen. Denn aktuell muss er deshalb mit drei Tsunamis umgehen, die sich potenzierend negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken.
- Zum einen führt die skizzierte Konsumzurückhaltung zu weniger real erwirtschafteten Ertrag. Auch wenn die Zahlen im Verlauf des Jahres den Eindruck vermittelten, trotz Ukrainekrieg würden ähnliche Umsätze wie im Vorjahr realisiert, täuscht das Bild. Denn die Inflation muss eingepreist werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kosten für Beschaffung und Herstellung auch auf Händlerseite extrem steigen.
- Dies entspricht dem zweiten Tsunami. Mit Energiekosten die viermal oder noch größer sind als in den Jahren zuvor, schmilzt die in vielen Handelsbranchen ohnehin schmale Marge ohne Einflussmöglichkeiten wie Schnee im Frühling und führt zu negativen Roherträgen. Maßnahmen zur Energiesenkung, durch beispielsweise weniger Heizkosten oder weniger Rolltreppenbetrieb verunsichern Händler:innen. Nicht wenige mögen sich hier die Frage stellen „was wohl die Kund:innen über den Betrieb denken und ob sie im schlechtesten Fall sogar abgeschreckt sind?“
Erschwerend kommt in puncto Kostensteigerung hinzu, dass viele Händler:innen Indexmieten zahlen, die sich an der Inflation orientieren. Heißt: Durch die historisch hohen Inflationszahlen steigen auch die Mieten überproportional an – Dynamiken, auf die auch hier kein Einfluss genommen werden kann.
In der Folge befeuern sich damit Kaufzurückhaltung und höhere Kosten negativ zueinander – zulasten des wirtschaftlichen Erfolgs. - Der dritte Tsunami sind die Rahmenbedingungen, die aus der Corona- und der Ukrainekrise resultieren. Aufgrund der Auswirkungen in Produktions- und Wirtschaftsmächten wie China und Co sind noch immer Lieferschwierigkeiten an der Tagesordnung. Das bedeutet, dass wenn trotz der Konsumzurückhaltung ein bestimmtes Produkt erworben werden möchte, es oft gar nicht vorrätig ist. Und: Im stationären Handel kommt es im schlechtesten Fall gar nicht erst zu einer Verkaufssituation, weil wegen der Coronakrise oft gar kein oder zumindest zu wenig Personal verfügbar ist. Auch hier wirken noch auf unabsehbare Zeit die Effekte der Pandemie.
Es wird also wieder einmal auf das Weihnachtsgeschäft ankommen. Dem vorgelagert sind mit dem Black Friday vielleicht online Chancen gegeben. Erfolg werden also wie immer die Händler und Händlerinnen haben, die es irgendwie schaffen, Kundennähe auszuspielen. Das war der Schlüssel in der Pandemie, das wird auch der Schlüssel für die aktuelle Krise sein. Denn ist Kundennähe gegeben, ist egal, ob online oder offline gekauft wird. Ist die Kundennähe gegeben, wird im Zweifel einfach beim Händler des Vertrauens gekauft.
Fakt ist deshalb: War es in der Pandemie eine Krise mit Gewinner und Verlierern, so ist die aktuelle Krise eine, die alle trifft: Onlineakteure, stationäre Händler und hybride Geschäftsmodelle.
Von daher ist Unternehmertum mehr denn je gefragt. Positiv wäre es, wenn diese Krise dazu führt, dass Geschäftsmodelle wieder mehr kundenorientiert weiterentwickelt werden. Nach den Zeiten mit Fokus auf Prozessoptimierung folgt nun bestimmt die Zeit der Kundennähe.
Hoffen wir deshalb, dass so viele Händler:innen wie möglich diese nächste Krise und die Wintermonate, in denen nun alles noch teurer wird, überstehen. Als Begleiter der Branche möchten wir als IFH KÖLN dafür unseren Beitrag mit Daten, Zukunftskonzepten und strategischer Beratung bestmöglich leisten.