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Kaum eine These des ECC KÖLN wird so intensiv diskutiert wie die, dass „90 % der derzeitigen reinen Online-Händler nicht überleben werden“, die zweite These aus unserem 2014 in Zusammenarbeit mit Mücke Sturm & Company entstandenen Thesenpapier „Erosion im Handel: Dramatische Veränderungen durch Digitalisierung bis 2020“. Zahlreiche Experten wie Peter Höschl von Shopanbieter.de und Stephan Meixner von neuhandeln haben die These inhaltlich sehr differenziert und kritisch beleuchtet.

Im Folgenden möchten wir nochmals auf die These und ihre Hintergründe eingehen.

Unsere Argumentation, dass sich mittel- und langfristig nur sehr wenige reine Online-Händler werden durchsetzen können, basiert auf einigen einfachen Prämissen:

  • Das prozentuale Wachstum des Online-Handels verlangsamt sich, das absolute Wachstum wird mittelfristig zumindest leicht abnehmen. Es gibt klar erkennbar keinen Hockeystick-Effekt.
  • Die großen Online-Händler wachsen weit überproportional, insbesondere Amazon und Zalando. Auch Otto wächst wieder zweistellig.
  • Stark wachsen einige Category-Killer wie Zooplus, Home24 oder GartenXXL. Davon gibt es aber nur einige wenige, die Nischen werden schnell kleiner.
  • Vom Online-Wachstum profitieren auch einige große Cross-Channel-Händler, allen voran MediaSaturn, aber auch Douglas oder Ikea sowie Hersteller wie Apple oder Adidas.
  • Wenn wir von diesen Gruppen absehen, wächst der Online-Markt für „den Rest“ nicht, vielmehr schrumpft er bereits jetzt, obwohl der gesamte Onlinemarkt noch zweistellig wächst.
  • Amazon ist ganz klar der Player, gegen den es sich zu behaupten gilt. Im Jahr 2014 entfielen auf Amazon inklusive Marketplace knapp 40 Prozent des deutschen Online-Handels. In immer mehr Kategorien wird Amazon zumindest online der dominante Player, der Kunden durch sein Sortiment und exzellenten Service (sowie nicht zuletzt sein cleveres Prime-Konzept) bindet. Es spricht sehr vieles dafür, dass sich die Dominanz von Amazon in den nächsten Jahren weiter erhöhen wird, ich rechne weiter mit einem jährlichen Wachstum von rund 20 Prozent, womit sich der Marktanteil stetig und schnell erhöhen wird.

Diese Einzelfaktoren dürften für sich genommen weitgehend unbestritten sein. Fügt man sie zusammen und blickt in die Zukunft, dann wird deutlich, dass es für Online-Pure-Player immer schwerer wird, sich gegen Amazon, andere große Online-Händler, einige wenige Category-Killer und letztlich Hersteller zu behaupten. Der verbleibende Markt wird künftig erheblich schrumpfen, die Marktkonsolidierung ist die logische Konsequenz – auch wenn sie vielen (vermeintlichen) Experten nicht gefällt! Sicher kann man über Geschwindigkeit und Umfang diskutieren – es ist ja eine Prognose.

In seinem Interview in der aktuellen Brandeins wandelt Alexander Graf von Kassenzone.de unsere umstrittene These nur leicht ab: „Viele, auch sehr große Webshops, stagnieren oder haben sinkende Umsätze. Echte Aufsteiger gibt es fast nur in kleinen Nischen wie etwa dem Apothekenbedarf. Mittelfristig werden fast alle Händler, die unter 400 bis 500 Millionen Euro Umsatz liegen, Probleme bekommen.“ Das wären dann aber deutlich mehr als 99 Prozent der Online-Pure-Player…

An Cross-Channel führt kein Weg vorbei

Der zweite wesentliche Kritikpunkt an der These bezieht sich auf das Cross-Channel-Konzept. Es wird die berechtigte Frage gestellt, wann Cross-Channel denn wirklich Cross-Channel ist. Reicht eine Pick-up- oder Rückgabestation, gar eine Abholbox? Per Definition liegt Cross-Channel-Vertrieb verkürzt dann vor, wenn Waren (oder Dienstleistungen) von einem Unternehmen online und stationär vertrieben werden und die Angebote miteinander verzahnt sind. Die meisten (Marken-)Hersteller betreiben inzwischen Cross-Channeling, auch die allermeisten großen stationären Händler (wenn auch häufig, wie immer wieder zurecht kritisiert wird, auf ausbaufähigem Niveau). Aus unserer Sicht führt auch für die meisten aktuellen Online-Pure-Player kein Weg am Cross-Channeling vorbei, es sei denn, sie sind als Category-Killer etabliert oder können sich über eigene Produkte, quasi als Hersteller, positionieren. Rein online werden die wenigsten sich gegen Zalando, Apple & Co., aber vor allem nicht gegen Amazon behaupten können. Dafür hat Amazon eine zu große Reichweite, macht einfach einen zu guten Job und bindet Kunden extrem gut.

Nicht nur Amazon in den USA, auch in Deutschland investieren frühere Online-Pure-Player wie Zalando, Notebooksbilliger.de, Cyberport, Sheego, Mymuesli, Shoepassion oder Edited in stationäre Konzepte. Man kann diese als „Service“ bezeichnen, wie dies Alexander Graf nennt, so wie man stationäre Geschäfte von Herstellern, die sich auch erheblich ausbreiten, häufig als „Flagship Stores“ tituliert, muss es aber nicht. Für uns sind es schlicht Cross-Channel-Konzepte, weil sie den Kunden dort abholen, wo er sich bewegt online und/oder stationär. Auch diese Entwicklung wird anhalten. Die Diskussion, die von manchen – zumindest in Deutschland – immer noch geführt wird, „dynamischer Online-Handel“ versus „sterbender stationärer Handel“, ist eine Diskussion von gestern, ehrlich gesagt von vorgestern, wie unsere zahlreichen Studien seit 1999 zeigen. Das bedeutet nicht, dass sich der stationäre Handel ausruhen kann – im Gegenteil: Die Herausforderungen im digitalen Zeitalter sind enorm, davon handelt im Übrigen unsere erste These des Thesenpapiers zur Erosion im Handel („70 % der traditionellen Händler werden sich völlig neu erfinden oder verschwinden“).

In Wirklichkeit geht es um eine brutale Kundenorientierung, um Konzepte, die online und offline funktionieren. Für Online-Händler gilt die gleiche Herausforderung wie für stationäre Händler: Sie müssen sich anpassen, wenn sie überleben wollen. Amazon, Zalando & Co. werden den Online-Markt der Zukunft bestimmen und ein ganzes Stück auch den gesamten Einzelhandel. Auch wenn die Bedeutung des Online-Handels bis 2020 weiter zunehmen wird: Online-Pure-Player werden dann nur eine Randerscheinung sein – es sei denn, Amazon ist bis dahin in Deutschland kein Cross-Channel-Händler.

Wir hoffen, dass wir damit die Diskussion wieder versachlichen und auf die Inhalte lenken konnten. Herzlichen Dank allen, die diese Diskussion mit Argumenten bereichert haben. Allen Kritikern sei die Lektüre des (wirklich kurzen) Thesenpapiers empfohlen, um die These in ihrem Gesamtkontext zu sehen. Wohlgemerkt: aus dem Jahr 2014, aber immer noch aktuell! Gerne gehe ich auf Kritik zu diesem Blogbeitrag ein – es ist ein Thesenpapier, über das sich trefflich streiten lässt, fundiert und sachlich.

 

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