Frequenzrückgang, kürzere Aufenthaltsdauer und der Strukturwandel in Innenstadtlagen beschäftigten schon vor COVID-19 die lokale Wirtschaft, Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing.
Mit der Coronakrise – auch ohne Lockdown – verstärkte und beschleunigte sich dieser Trend. Mit den Lockdowns für Handel und Gastronomie verloren viele Geschäftsmodelle ihr wirtschaftliches Fundament und die Befürchtungen um den Verlust der gesellschaftlich relevanten Zentren wurde größer. Doch was tun? Für die Zeit nach Corona ist es wichtiger denn je, Wege zur Revitalisierung der Innenstädte zu identifizieren.
Mit der Untersuchung „Vitale Innenstädte 2020“, die das IFH Köln bereits zum vierten Mal durchgeführt hat, und der daraus entstandenen Studie, gehen wir möglichen Wegen auf den Grund und haben sechs übergeordnete Stellschrauben als strategische Hebel für eine lokale Erneuerung identifiziert. Die empirischen Ableitungen fußen auf insgesamt knapp 58.000 Interviews, die im September und Oktober 2020 in über 100 deutschen Innenstädten mit Passant*innen geführt wurden.
„Vitale Innenstädte 2020“ ist damit europaweit die größte Analyse ihrer Art, die in Zeiten der Pandemie rund um das Thema Zustand und Zukunft der Innenstadt durchgeführt wurde.
6 Ansatzpunkte, um Innenstädte nach Corona attraktiver zu machen
Zu den sechs Stellschrauben für die Revitalisierung nach dem Lockdown zählen
- die treuen und weiterhin anzutreffenden Besucher*innen der Innenstadt,
- der Einzelhandel als lokale Größe,
- der anzustrebende Erlebniswert vor Ort,
- der digitale Reifegrad des Handelsstandorts,
- die Bespielung lokal anzutreffender Communities sowie
- der Einsatz ganzheitlicher Stadtkonzepte.
Innenstädte bei Älteren beliebter
In puncto „Besucher*innen“ wurde empirisch messbar, dass die Besucher*innen der Innenstadt tendenziell älter werden. Etwa ein Fünftel gibt an, die Innenstädte zugunsten des Onlineshoppings seltener aufzusuchen. Aber: Gleichzeitig gab gerade in kleineren Städten fast die Hälfte der Befragten an, bewusst lokale Anbieter vor Ort stärken zu wollen.
Einzelhandel bleibt A und O für Städte
Gastronomie, Freizeit und Kultur als Besuchsmotive sind zwar auf dem Vormarsch, aber der Einzelhandel ist weiterhin Besuchsmotiv Nummer eins. Wie relevant der Handel für die Stadtzentren ist, zeigt auch der Blick auf den hohen Wert des Handels für die Gesamtattraktivität einer Stadt. Um zukünftig auch jüngere Zielgruppen wieder vermehrt für die Innenstädte zu gewinnen, muss Qualität vor Quantität und Freizeit vor Versorgung stehen. Hier sind bei der Ansiedlungspolitik vor Ort neue Strategien gefordert, Vielfalt im innerstädtischen Portfolio zu sichern – gegebenenfalls auch durch Umnutzung von Handelsflächen für andere Angebote.
Erlebniswert ausschlaggebend für Gesamtattraktivität
Damit kommt auch dem Erlebniswert eine besondere Bedeutung zu. Der IFH-Analyse nach, zahlt er stark auf die Gesamtattraktivität der Innenstädte ein. Jedoch ist die Zufriedenheit mit dem Erlebniswert in Innenstädten im Vergleich und bundesweit eher gering – ein wichtiger Ansatzpunkt, um eine attraktivere Wahrnehmung der Städte zu steuern.
City goes Digital?
Nicht nur aus Expert*innen- sondern auch aus Besucher*innensicht ist das Thema Digitalisierung ausbaufähig. Gerade einmal die Hälfte der Befragten sieht die Städte diesbezüglich gut aufgestellt. Ein Hebel für die richtige Strategie, ist der Blick auf die individuelle Visitor Journey der Besuchergruppen vor Ort. Hier finden sich Ansätze für passende Services.
Zielgruppenorientierte Innenstädte
Unterschiedliche Besuchertypen, die in der IFH-Studie als „Communities“ mit unterschiedlichen Erwartungen und Wünschen zu definieren sind, bieten Ansatzpunkte, um Revitalisierung kurzfristig in Angriff zu nehmen. Dafür müssen beispielsweise Besuchsanlässe und -motive verzahnt werden. Letzteres zwingt für die Revitalisierung an Standorten zur lokalen Kooperation von kommerziellen und nicht-kommerziellen Akteuren.
Whats next? Gefragt sind lokale Masterpläne
Grundsätzlich leitet sich aus den Angaben der Befragten die Forderung nach neuen „Stadtkonzepten“ ab. Es geht nicht nur darum, die Anbieterstruktur nach Sortimenten zu optimieren. Vielmehr müssen auch sogenannte weiche Faktoren, wie zum Beispiel der Wunsch nach Orten zum Wohlfühlen und um Leute zu treffen, viel mehr berücksichtigt werden. Dies erfordert auch eine zielgruppenorientierte und passgenaue Kommunikation mit den unterschiedlichen Besuchergruppen.
Grundsätzlich deckt die IFH-Studie Potenziale für eine zukunftsorientierte Veränderung der Innenstädte auf. Die Komplexität – gesteigert nun auch durch den Einfluss der Coronapandemie – zwingt zu lokalen Masterplänen. Eine systematisierte Herangehensweise ist die Grundlage für Erfolg. Diese muss „Verstehen, Planen, Machen“ als Prozessphasen verstehen und sich an dem Leitprinzip: „alle Macht geht von den Besucher*innen aus“ ausrichten. Dann bieten sich Möglichkeiten, die aktuelle Krise als Chance zu begreifen. Unser Fazit: Die Zeit von anbieterzentrierten Strategien in Innenstadtlagen ist spätestens mit Corona abgelaufen und neue, nachfrageorientierte Konzepte sind gefordert!
Die komplette Studie "Vitale Innenstädte 2020" ist über den Shop des IFH KÖLN erhältlich.