IFH KÖLN untersucht zum sechsten Mal mit Europas größter Passantenbefragung den Status quo in deutschen Innenstädten. Handel bleibt wichtigstes Besuchsmotiv, gefolgt von Gastronomie. Passant:innen bewerten Gesamtattraktivität deutscher Cities durchschnittlich mit der Schulnote Zwei minus. Wichtigste Maßnahmen für attraktivere Innenstadtbesuche: Leerstände vermeiden, Infrastruktur verbessern, Aufenthaltsqualität schaffen.
Rund 69.000 Interviews mit Passantinnen und Passanten in 107 deutschen Innenstädten: Das IFH KÖLN veröffentlicht zum sechsten Mal Europas größte Passantenbefragung zu Attraktivität, Angebot und Besuchsmotiven von Stadtzentren. Fazit: Die Passantenfrequenzen sind nahezu auf Vor-Coronaniveau. Die Innenstadt ist ein Ort für alle, ob jung oder alt – die Altersstruktur ist ein Abbild der deutschen Gesamtbevölkerung. Die Gesamtdurchschnittsnote zur Innenstadtattraktivität bleibt seit den Befragungen 2020 und 2022 mit der Schulnote Zwei Minus (2,5) unverändert. In den einzelnen Ortsgrößengruppierungen schneiden in Großstädten mit über 200.000 Einwohner:innen Leipzig, Erfurt und Chemnitz am besten ab; in mittelgroßen Städten mit 50.000 bis 200.000 Bewohner:innen sind Arnsberg-Neheim, Bocholt und Lüneburg Best-Performer und in Städten bis 50.000 Einwohner:innen erzielen Freiberg (Sachsen), Brühl und Landsberg (Lech) die besten Ergebnisse.
„Attraktive Innenstädte sind Innenstädte, die alle Altersgruppen mit passenden Angeboten ansprechen. In Zeiten des demografischen Wandels müssen generationenspezifische Bedarfe mitgedacht werden. Es reicht dabei nicht, nur attraktive Einkaufsmöglichkeiten zu bieten – vor allem jüngere Menschen wollen auch ansprechende Gastronomie und setzen auf Erlebnis und Vitalität“, so Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am IFH KÖLN.
Innenstädte: Ein Ort für alle
In deutschen Innenstädten trifft man den Querschnitt der Gesellschaft an: Die Mehrheit (30 %) sind Millennials (26-50 Jahre), gefolgt von den 51- bis 65-Jährigen der Gen X (26 %). Knapp ein Viertel der Innenstadtbesucher:innen gehören zur Generation der Babyboomer (23 % über 65 Jahre), 21 Prozent zur Gen Z (bis 25 Jahre). Das Durchschnittsalter der Menschen in den Cities liegt bei 46,1 Jahren – und damit wieder niedriger als in Vorjahresbefragungen (Altersdurchschnitt 2022: 46,5; 2020: 47,5). Wie nun für alle Zielgruppen – ob lokale Bevölkerung oder Besucher:innen von außerhalb – das richtige Angebot schaffen? Einkaufen bleibt zwar generationenübergreifend das Besuchsmotiv Nummer Eins (61 %), allerdings kommt mehr als jede:r Ditte mit dem Ziel des Gastronomiebesuchs (40 %) in die City. In der Gen Z (15 – 30 Jahre) rücken die beiden Besuchsmotive besonders nah aneinander – 56 Prozent kommen zum Shoppen, 44 Prozent wegen der Gastronomie. Bei den Besuchsanlässen lassen sich generationenübergreifend auch Wechselwirkungen, insbesondere mit Auswirkungen auf die beiden Top-Besuchsmotive Shoppen und Gastronomie, konstatieren: So gibt beispielsweise rund jede:r Zweite, der/die wegen des Freizeit- oder Kulturangebots die Stadt besucht, auch Geld beim Einkaufen (47 %) oder Essen/Trinken (53 %) aus.
Das zunehmend wichtigere Gastronomieangebot schneidet in den meisten Städten gut ab (Durchschnittsnote 2,2). Ausbaubedarf gibt es dagegen bei Freizeitmöglichkeiten (40 % der Städte schneiden schlechter als 3,0 ab) und dem Kulturangebot (20 % schlechter als 3,0). Das Einzelhandelsangebot landet im Mittelfeld (2,3) – den größten Einfluss auf dessen Attraktivität hat nach wie vor der Fashion-Bereich mit Bekleidung und Schuhen.
„Für eine Vitalisierung der Innenstädte ist bei den richtigen Erfolgsfaktoren anzusetzen – und dabei zwischen Basis- und Attraktivitätsfaktoren zu unterscheiden. Bei allen berechtigten Zielen rund um Natur, Soziales und konsumfreie Bereiche bleibt die Frage, wie das Ganze finanziert wird. Es braucht aktuell neue Allianzen, um lokale Vitalisierung kapitalgestützt zu meistern. Vor diesem Hintergrund muss das gesamte Ökosystem Innenstadt gegenüber neuen Investoren noch aufgeschlossener werden. Schnellen Erfolg hat, wer als erstes bei den größten Pain Points der Innenstadtbesucher:innen anpackt – bei Leerstand und Ladensterben“, so Boris Hedde, Geschäftsführer IFH KÖLN.
Maßnahmen: Leerstand vermeiden und Infrastruktur verbessern
Die einschlägigen Insolvenz-Schlagzeilen der letzten Jahre von relevanten Innenstadt-Händlern haben vielerorts ihre Spuren in Form leerstehender Ladenlokale hinterlassen. So wundert es nicht, dass die befragten Passant:innen sich einig sind, dass die wichtigste Maßnahme für attraktivere Innenstädte die Vermeidung von Leerständen ist. Außerdem wird das Thema Infrastruktur als verbesserungswürdig eingestuft, ebenso wie die Aufwertung der Fußgängerzonen und eine grünere Gestaltung der City. So ist die Aufenthaltsqualität nach wie vor entscheidend für die Attraktivität einer Innenstadt. Themen rund um Verkehr polarisieren: Mehr PKW-Parkmöglichkeiten vs. verkehrsärmere Städte? Die Antwort muss jede Stadt individuell geben – ohne dass die Aufenthaltsqualität beeinträchtigt wird.
Wörter der Meldung: 670
Zeichen (inkl. Leerzeichen): 5.188
Die Grafik kann zur journalistischen Weiterverwendung hier heruntergeladen werden.
Daten und Grafiken aus dieser Pressemitteilung dürfen nur im Rahmen journalistischer oder redaktioneller Zwecke genutzt werden. Die werbliche und kommerzielle Nutzung sowie Aufbereitung für eine vertragsbasierte Weitervermarktung sind untersagt. Dies gilt insbesondere für Statistikportale.
Zitate der Studienpartner:
Anne-Kathrin Tögel, Referatsleiterin Stadtentwicklung und Flächenpolitik, Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK):
„Der Einzelhandel spielt nach wie vor eine zentrale Rolle in unseren Innenstädten. Aber seine Bedeutung nimmt ab. Innenstadtstrategien sollten daher Elemente, welche den Handel ergänzen, gezielt stärken. Gute Erfahrungen gibt es beispielsweise mit der Ansiedlung von Bildungseinrichtungen, medizinischer Versorgung und öffentlichen Institutionen. Gleichzeitig muss die Erreichbarkeit der Zentren sichergestellt werden. Dafür bedarf es ganzheitlicher Verkehrskonzepte, welche jeweils vor Ort zu definieren sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die multifunktionale Innenstadt Kooperation, Management vor allem aber lösungsorientierte Akteure braucht.“
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE):
„Der Einzelhandel ist und bleibt die Kernbranche der Innenstädte. Die meisten Menschen kommen des Einkaufs wegen in die Stadtzentren. Klar ist aber auch, dass der Einzelhandel die aktuellen Herausforderungen der Innenstädte nicht alleine lösen kann. Es geht um ein enges Miteinander alle Akteure vor Ort: Handel, Gastronomie, Handwerk, Kommunen und Kultur müssen an einem Strang ziehen. Die Politik muss dabei die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Zum Beispiel mit einer Sonderabschreibungsmöglichkeit für Investitionen in Innenstädte, das mobilisiert privates Kapital. Innenstädte gehen uns alle an, sie sind ein wichtiges Stück Heimat und Identität.“
Jürgen Block, Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (bcsd)
„Vitale Innenstädte sind dynamische Orte der Begegnung und Vielfalt. Sie müssen sich stetig weiterentwickeln, um den Bedürfnissen aller Generationen und Lebenslagen gerecht zu werden. Dabei geht es zunehmend, wie die vorliegende Studie zeigt, nicht nur um Einkaufsmöglichkeiten, sondern um ein lebendiges Zusammenspiel aus Handel, Gastronomie, Kultur, Freizeit und Aufenthaltsqualität. Die vielfältigen, aktuellen Herausforderungen verlangen Konzepte und Maßnahmen, die langfristige Perspektiven statt kurzer Heilung schaffen. Stadtmarketing übernimmt hier eine zentrale Rolle als Impulsgeber und Moderator zwischen den Bürger:innen, Stakeholdern und den Akteuren der Zivilgesellschaft.“
Bernd Düsterdiek, Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB)
„Die Situation vieler Innenstädte und Ortskerne bleibt auch im Jahr 2025 sehr herausfordernd. Betriebsschließungen und Leerstände prägen vielerorts das Bild. Hinzu kommen die besonderen Herausforderungen klimagerechter Innenstädte. Umso wichtiger ist es, die Rahmenbedingungen für lebendige und resiliente Innenstädte weiter zu verbessern. Nutzungsgemischte Zentren, die eine hohe Aufenthaltsqualität mit attraktivem Einzelhandel, Gastronomieangeboten, innerstädtischem Wohnen, Kultur, Bildung und Freizeitangeboten verbinden, bleiben ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Hieran müssen alle Innenstadtakteure gemeinsam weiterarbeiten.“
Zur Untersuchung:
Was sind die Erfolgsfaktoren für zeitgemäße attraktive Innenstädte vor dem Hintergrund von Urbanisierung, Digitalisierung und Strukturwandel? Dieser Frage ist das IFH KÖLN 2024 bereits zum sechsten Mal mit der größten Passantenbefragung in Europa in deutschen Innenstädten nachgegangen. Die Studie „Vitale Innenstädte 2024“ fasst die Ergebnisse auf bundesweiter Ebene zusammen und leitet daraus „Sieben Regeln zur Innenstadtvitalisierung“ sowie einen Handlungsleitfaden ab. Darüber hinaus erhalten die teilnehmenden Städte Informationen zur Bewertung ihrer Stadt aus Sicht der Besuchenden und damit eine Planungsgrundlage für standortspezifische Maßnahmen. Die individuellen Ergebnisse der Städte sind bei den Städten selber anzufragen.
Für die Untersuchung wurden in 107 teilnehmenden deutschen Städten aller Größen und Regionen zeitgleich Innenstadtbesucher:innen zu ihren Einkaufsgewohnheiten und der Attraktivität der Innenstadt befragt. Die Datenerhebung erfolgte zwischen Mitte September und Mitte November 2024 anhand eines einheitlichen Fragebogens. Insgesamt sind so rund 69.000 persönliche Interviews geführt worden. Bei der Bewerbung der Umfrage auf Seiten der Städte und Gemeinden haben die Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e. V. (bcsd), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB), der Handelsverband Deutschland (HDE) sowie weitere lokale Partner unterstützt.
Die zusammenfassende Studie „Vitale Innenstädte 2024“ ist im Shop des IFH KÖLN verfügbar. Komplettiert wird die Studie als umfassendes Wissenskompendium mit einem Handlungsleitfaden zur Vitalisierung von Innenstädten, abgeleiteten sieben Regeln für die örtliche Vitalisierung und rund 50 Maßnahmensteckbriefen als Inspiration für die aktive Gestaltung örtlicher Vitalisierung. Die Studie ist damit das Werkzeug für datengestütztes und zielgerichtetes Zentrenmanagement.
Die Untersuchungsergebnisse zum Abschneiden der einzelnen Städte liegen exklusiv bei den Städten selbst.
Mehr zum Thema Vitale Innenstädte
Damit aus aktuellen Herausforderungen echte Zukunftschancen für attraktive Innenstädte werden und das lokale Potenzial gehoben werden kann, braucht es neue Prinzipien, neue Strukturen, neue Ansätze, neue Themen, neue Akteur:innen – und es braucht neue Austauschformate! Bei unserem neuen Event-Format „Stadtgespräche“ stehen Impulse, offener Austausch und das gemeinsame Erarbeiten neuer Ansätze im Fokus.
Best Practices liefern wertvolle Einblicke: Die Konzepterfahrung des IFH KÖLN liefert die Basis, um dialogorientiert und co-kreativ an Ideen für die Zukunft zu arbeiten – von Kommunen, für Kommunen! Mit dabei: Sebastian Kurth, Landeshauptstadt Saarbrücken; Victoria Appelbe, Stadt Bonn; Monika Dönnhöfer Stadt Nürnberg, Hendrik Eßers, Stadt Recklinghausen; Victoria Binz-Gruber, Wirtschaftsförderungsgesellschaft Wismar.
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Jetzt anmelden: www.ifhkoeln.de/stadtgespraeche