Seit ziemlich genau zwei Jahren ist der Arbeitsalltag ein anderer. Durch den Ausbruch der Coronapandemie hat sich vieles geändert, oft sprechen wir vom „new normal“: Eine neue Normalität in vielerlei Hinsicht. Sei es das Tragen von medizinischen Masken, Abstandsregeln oder das Arbeiten von zuhause aus. Was vor der Coronakrise bei vielen Unternehmen eher die Ausnahme war, ist heute Standard: Home Office. Auch am IFH KÖLN stellen wir uns – wie so viele andere Unternehmen – gerade die Frage, wie wir zukünftig arbeiten wollen und sollten. Auch wenn Abstandsregeln passé sind. Um diese und weitere Fragen rund um Arbeiten in einer globalisierten und vernetzten Welt zu diskutieren, haben wir uns eine echte Expertin am die HandelBar eingeladen: Andrea Euenheim. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung Ende März 2022 war sie bei der METRO AG zuständig für das Thema Personal und kennt sich mit einer interessanten Berufslaufbahn (ab 02:35) im HR-Bereich bestens aus, was die Themen Arbeitsorganisation und Personalführung angeht – die sich in Euenheims Zeit bei der METRO massiv weiterentwickelt haben, wie sie sich erinnert. Im Fokus stand bei dem Großkonzern du systemrelevanten Unternehmen zum Beginn der Pandemie vor allem die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen (05:30) – schließlich mussten nicht nur die Kund:innen stets weiterbedient werden, sondern auch das kollegiale Miteinander musste weiterlaufen.
In der Rückschau ist sie aber zufrieden – so wie auch viele Kolleg:innen. Denn die neu gewonnene Flexibilität im Home Office wird heute von vielen sehr geschätzt (ab 08:10). Daraus ergeben sich aber auch neue Herausforderungen, vor allem für Führungskräfte, wie Euenheim betont. Denn ein Team remote nicht nur zusammenzuhalten, sondern auch den persönlichen Draht zu behalten, bedarf ganz neuer Führungsskills – und damit neuer Trainings. Trainings und Weiterbildungen haben sich dabei im Laufe der Pandemie auch immer mehr online abgespielt. Das bietet Vorteile durch eine einfachere Vereinbarkeit im Joballtag, wie auch unser Projekt „Flexibles digitales Lernen – Netzwerk Handel“ untersucht. Aber Euenheim plädiert hier für Präsenzevents, schließlich bliebe vielen oft das Get Together abends im Gedächtnis, das soziale Miteinander eben (26:00).
An Produktivität hat es in der Coronakrise aber nicht gemangelt – ganz im Gegenteil, der Output der Belegschaft war sogar zum Teil größer als im Büroalltag, so die Einschätzung der Expertin (09:00), die auch unser Podcast-Host Kai Hudetz aus unseren Erfahrungen am IFH KÖLN teilt.
Home Office? Büro? Hybrid?
Aber wo geht es nun hin? Kommen wir nun alle zurück ins Büro? Oder sind hybride Meetings – ein Teil der Teilnehmenden sitzt im Büro, ein anderer Teil ist digital zugeschaltet – die Lösung? Jein, die Ausgestaltung sei das Entscheidende. So empfiehlt Andrea Euenheim zum Beispiel den/ die Moderator:in eines Meetings digital zuzuschalten, damit schlicht das Verständnis auf der technischen Ebene für alle gesichert sei. Und: Die Knigge und Verhaltensregeln für virtuelle Meeting rund um das virtuelle Handheben und Co. beherrschen wir nun alle – Vorteile, die man auch weiterhin in Meetings nutzen sollte (11:45).
In der Praxis heißt das aber auch vor allem: Flexible Work Policy. Bei der es allerdings auch zukünftig vor allem auch darum gehen muss, sich im Team verlässlich und gut abzustimmen (13:00). Heißt: Ein planvolles Miteinander, bei dem nicht alle Kolleg:innen an den gleichen Tagen im Büro anwesend sind, sondern sich die Anwesenheiten auf alle Tage der Woche gut verteilen. Schließlich sagen auch erste Studien, dass ein 60/40 Schnitt von Büro und Home Office die größte Zufriedenheit bei Mitarbeitenden hervorruft.
Interviews: Nichts geht über das persönliche Gespräch
Und die Unternehmenskultur? Sind wir nun alle legererer geworden, wo wir nun die privaten Wohnungen der Kolleg:innen oder das ein oder andere Kind vor der Kamera gesehen haben? Nein, Buisiness Casual wird nach wie vor Alltag sein und bleiben (15:00), auch wenn nun doch einiges etwas lockerer und authentischer zugeht. Oftmals auch im Bewerbungsprozess virtuell vor der Kamera. Aber: „Virtuelle Interviews werden nie das persönliche Gespräch ersetzen“ (16:25). Denn schließlich werde der Arbeitsmarkt und die Ansprüche der Arbeitssuchenden auch immer anspruchsvoller, was auch ein Umdenken bei den Personalern erfordere: Die Auswahl erfolgt heute von beiden Seiten (ab 16:40): Der Bewerbungsprozess wird mehr und mehr zur Akquise, „Talent Akquisition“. Dabei muss es für Unternehmen an erster Stelle stehen, die eigenen Werte der Unternehmenskultur herauszustellen – und zwar vom ersten Tag des Onboardings an. Nur so könne Employer Branding erfolgreich gelingen (22:30). Deshalb unterstreicht Andrea Euenheim: Eine reine virtuelle Arbeitswelt – schwierig (26:00).
Diversity 2022
Als erste Frau im Vorstand der METRO kommen wir natürlich auch nicht umhin, ihr die Frage nach Diversity zu stellen. Das Thema ist präsenter geworden, da ist sich unsere Gästin sicher. Und zwar nicht nur wegen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, sondern genauso, weil sich auch in der Krise für viele herausstellte, dass eine diverse Führungsriege besser durch schwierige Situationen navigiert (ab 28:00). Dabei macht sich Diversity nicht nur an der Frauenquote fest, sondern muss in einem viel breiteren Spektrum gesehen werden (31:35). Luft nach oben ist also noch massig da. Denn für Andrea Euenheim ist Diversity dann erreicht, wenn es keine Schlagzeile mehr ist – und dort sind wir noch lange nicht.
Mit diesen Perspektiven beobachten wir äußerst gespannt, was Andrea Euenheim wohl in ihrer nächsten Position alles bewegen wird. Denn nun geht es von der METRO zu einem Cloud-Kommunikationsunternehmen. Es bleibt also spannend!