Die Anzahl der Baugenehmigungen, die Bauinvestitionen und damit der Umsatz der Bauwirtschaft entwickelt sich in den letzten Jahren bestens. Kurz: Das Baugewerbe boomt. Entsprechend gestaltet sich die Auftragslage bei den Handwerkern – sie können sich vor Aufträgen kaum retten. Gleichzeitig wird von Konsumentenseite der Wunsch nach „Do it for me“ lauter und damit mehr Handwerkerunterstützung eingefordert. Wie soll dies beim herrschenden Baumboom umgesetzt werden? IKEA als Primus der Möbelbranche hat im großen Stil auf diese Veränderung reagiert und seit November TaskRabbit im Angebot: Per Klick können nun einfach Monteure gebucht werden, welche dann IKEA-Produkte zu Hause aufbauen. Dies trifft genau den Zeitgeist. Doch was bedeutet das für die klassische DIY-Branche? Welches Potenzial im Handwerkerkontext besteht für Fachhandel, Hersteller sowie Baumarkt und Co. und wie ist dieses Potenzial zu greifen?
Handwerker – traditionelle Beschaffungswege dominieren
Das deutsche Handwerk ist an vielen Stellen traditionell geprägt. So erfolgt die Materialbeschaffung mehrheitlich über den Fach- oder Großhandel. Nur jeder fünfte Handwerksbetrieb und ein Drittel der Mobilen beschafft auch im Baumarkt. Handwerker, die im Baumarkt beschaffen, schätzen zu 71 Prozent Convenience-Aspekte durch schnelle Verfügbarkeit und gute Erreichbarkeit (33 %). Aus Handwerkersicht ist „unzureichende Qualität“ ein Manko bei der Baumarktbeschaffung (40 %). Auch hohe Preise und fehlende Fachberatung werden negativ bewertet.
Kundengewinnung auch auf angestammten Wegen
Aber auch Kundenbeziehungen entstehen auf klassischem Wege – vor allem über Empfehlungen: 71 Prozent der Aufträge sind auf persönliche Kontakte zurückzuführen. Von Einflüssen durch online und Co. ist somit noch nicht viel zu sehen. Über alle Gewerke hinweg können sich in Anbetracht der guten Marktsituation nur sechs Prozent der befragten Handwerker vorstellen, Vermittlungsangebote zu nutzen – auch wenn sich die Auftragslage verschlechtert – Vermittlungsservices bleiben durch die Handwerker noch oft ungenutzt. So geben nur zwei Prozent der Handwerker an, Vermittlungsplattformen zu nutzen, bei Partnerschaften mit Baumärkten liegt der Wert gar bei 0,2 Prozent.
Und nun? Was ist zu tun?
Auch wenn die Auslastung des Handwerks aktuell hoch ist und das Interesse an neuen Wegen der Kundengewinnung bzw. neuen Formen der Zusammenarbeit gering ist, gilt es perspektivisch neue Wege der Kundenansprache im Blick zu behalten. In ganzheitlichen Serviceleistungen liegen weiterhin neue Entwicklungsmöglichkeiten für Händler, aber auch Hersteller. So sind auch Vermittlungsangebote zukünftig ein entscheidender Weg, um Kundenbedürfnisse zu stillen. An dieser Stelle besteht jedoch noch viel Bedarf: Lediglich knapp der Hälfte der befragten Baumarktkund*innen ist das Vermittlungsangebot überhaupt bekannt, wobei die Kenntnis bei der größten Kundengruppe, welche im Schnitt nur einmal jährlich im Baumarkt kauft, mit 32 Prozent deutlich niedriger liegt.
Und während bestehende Player mit verschiedenen Herausforderungen kämpfen, wird dieser neue Weg bereits heute von Start-ups beschritten. So zeigt Myster.de beispielsweise wie ein Full-Service-Angebot aussehen kann. Für DIY-Akteure gilt es daher Wege zu finden, das Potenzial der Handwerker für sich zu erschließen. Bereits heute wirken sie, aber vor allem die sonstigen B2B-Kunden, als „Umsatzstabilisator“ der Baumärkte. Gleichzeitig ergeben sich aus diesen Zielgruppen aber auch neue Anforderungen im Bereich Service und Sortiment. Eine Potenzialsteigerung ist daher sowohl im Bereich Vermittlung als auch im Bereich Kundenzielgruppe nicht einfach, doch wir stehen am Anfang der Plattformökonomie, bei welcher alles hinterfragt werden muss. So gilt es für Baumärkte genauso wie für den Fachhandel und die Hersteller Antworten zu finden und neue Wege zu beschreiten.
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Die IFH-Studie „Potenziale von Handwerkern“ analysiert die Handwerkerbranche als wichtigsten Vertriebskanal im DIY-Markt. Besonderer Fokus liegt hierbei auf den Potenzialen für den Baumarkt und den Fragestellungen, wie Handwerker und speziell Mobile (1-2 Mitarbeiter, ohne Lager/Werkstatt) als zusätzliche Kundenzielgruppe und als Teil des eigenen Geschäftsmodells bewertet werden können. Außerdem wurden die Umsätze in den einzelnen ssBeschaffungskanälen analysiert sowie die Motivationen, Anforderungen und Barrieren der Handwerker in den unterschiedlichen Beschaffungskanälen und ihre Einstellung zur Kundenvermittlung rund um Dienstleistungsangebote. Für die Studie wurden von Juli bis September 2019 1.000 Handwerker befragt sowie im Oktober 2019 1.000 Konsument*innen. Mehr Informationen finden Sie im IFH-Shop.