Social Media leidet unter Ermüdungserscheinungen. In der Pandemie noch gingen die Nutzungs- und Verweilzeiten deutlich nach oben. Jetzt, in der gefühlten "Post-Pandemie", hat sich die Social-Media-Fokussierung ein Stück weit abgenutzt. Allerdings nicht für jeden Player gleichermaßen. Es gibt Gewinner, Verlierer und deutliche Verlierer.
Status quo Social Media
Schauen wir genauer hin und beginnen wir mit übergreifenden Nutzungs-Trends.
Aktuelle Daten des Trend Check Handel geben hier Aufschluss:
- Die Social-Media-Nutzung ist rückläufig. Die Reichweite in der Bevölkerung sinkt, wenn auch nur leicht. Die tägliche Anzahl der einzelnen Aufrufe haben sich über alle Player hinweg halbiert. Wir schauen einfach weniger intensiv auf unsere Apps. Der ständige Blick auf Instagram, TikTok und Co. hat an Attraktivität und Unterhaltungswert eingebüßt, er nutzt sich ab.
- Wir folgen auch weniger häufig einem Hersteller oder Händler auf Social Media. In der Pandemie, insbesondere in Lockdowns, war Social Media das Ersatz-Schaufenster und ein hygiene-konformer Commerce-Kanal. Auch hier ist jetzt ein leichtes Abrücken zu erkennen. Etwa die Hälfte, übrigens auch der jungen Userinnen und User, findet, es sei jetzt genug mit Social Commerce. Bitte nicht noch mehr, so der Tenor.
- Zur Stimmungslage passt ein Post der Influencerin Tati Bruening. "Make Instagram Instagram Again", so ihr Wunsch, ihre Hoffnung und ihre Forderung. Sie wolle doch einfach nur „süße Fotos“ ihrer Freund:innen sehen. Kylie Jenner, prominentes Mitglied des Kardashian-Clans und Instagrams „most-followed women“, hat den Post geteilt und in den Meme-Status erhoben. Meta musste reagieren.
Facebook verliert, TikTok gewinnt
Damit sind wir bei Gewinnern und Verlierern. Was zeigt sich da?
- Klarer Verlierer der aktuellen Entwicklung ist Facebook. Die Abwanderung aus dem Netzwerk ist beträchtlich. Die Nutzung fiel von 60 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2021 auf 47 Prozent 2022. Da rutscht ordentlich was weg. Kein Wunder, dass man im Meta-Headquarter nervös wird und Brandreden hält.
- Der Blick auf Instagram vermittelt kaum mehr Hoffnung. Das Netzwerk stagniert, die Ausfahrt hin zu einer TikTok-Imitation führte in die Sackgasse. Keine frohe Botschaft im wachstums-fokussierten Digital-Business.
- Und YouTube, der Social Media-Spitzenreiter? Die Nummer 1 ist YouTube geblieben, aber mit Rückgängen. Freibad und Urlaub sind gerade attraktivere Optionen.
- Und wer gewinnt? Natürlich TikTok. Die Reichweite in der Bevölkerung steigt leicht, TikTok verleitet auch immer noch zum vergleichsweise häufigsten App-Aufruf. Allerdings: Die rasante Entwicklungsfahrt der „Dynamit-App“ zeigt erste Bremsspuren. Der Suchtfaktor wirkt, aber weniger durchdringend.
Was heißt das nun? Folgende Botschaften vermitteln uns die Zahlen:
- Die Träume und Investor-Erwartungen vom Hockeystick und von exponentiellen Entwicklungsverläufen sind erst einmal enttäuscht. Es geht nicht immer aufwärts. Die Social-Media-Entwicklung zeigt eine Delle. Ob deshalb die Grenzen des Wachstums am Horizont aufscheinen, bleibt abzuwarten. (Allerdings: Im Gaming-Bereich, auf neuen Plattformen, entstehen ernsthafte Alternativen der Kommunikation und Interaktion. Neue Riesen kommen!)
- Die Entwicklung von Social Media verläuft nicht isoliert in einer Techno-Sphäre, wirkt nicht dominant und einseitig transformierend auf die Restgesellschaft. Die Entwicklung ist komplexer, reagiert auf Umfeldveränderungen, auch in Rückkopplungsschleifen. Pandemien und sonstige Menschheitskrisen wirken und moderieren.
- Ein Wunsch nach heiler Welt artikuliert sich gerade. Die Welt wird als unsicher, schwierig und bedrohlich erlebt. Der Nutzer und die Nutzerin fragen sich: Was waren das doch für Zeiten, als Instagram noch Instagram war? (Wann war das gleich noch?) Als „süße Fotos“ meiner Freunde, meiner Katze, meines Abendessens etc. das Herz erfreut und das Gemüt aufgehellt haben? Als es nicht immer nur um Kommerz und Verkaufen ging? Dahin will ich zurück.
Zumindest im Moment. Denn warten wir gespannt auf den Herbst und den Winter! Dann können sich Stimmung, Ansprüche und Nutzerverhalten wieder drehen. Der Social Media-Nutzer ist ein launisches Wesen.