D2C, Aufbau und Betrieb von Marktplätzen, Kund:innen zu Stammkund:innen machen – über diese und mehr Themen haben wir mit Grischa Zimmermann, Digital Pace Maker und Director Account Unit bei ECC CLUB Mitglied NETFORMIC, gesprochen. Er erläutert dabei unter anderem anhand von vier Sichten, warum Marktplätze in keiner Vertriebsstrategie fehlen dürfen und gibt Tipps, was man bei der Konzeption von Marktplätzen beachten sollte.
Die Relevanz von Marktplätzen hat insbesondere durch die Coronapandemie einen wahren Schub erhalten. Warum sollten Marktplätze in euren Augen heute in keiner Vertriebsstrategie fehlen?
Auf das Thema gibt es vier verschiedene Sichten:
1. Kundensicht:
Onlinekund:innen sind es heute gewohnt, Auswahl zu haben. Sie möchten vergleichen, stöbern, sich inspirieren lassen. Das macht Marktplätze zu einem attraktiven Anziehungspunkt, versprechen sie doch größtmögliche Auswahl bei gleichzeitiger Vergleichbarkeit und einem einheitlichen Serviceversprechen durch die Marktplatzbetreiber:innen. Dies gilt übrigens für B2C genauso, wie für B2B.
2. Händlersicht:
Einst hieß es: Ich füttere doch nicht die Konkurrenz, ich will die Kund:innen direkt bedienen und nicht Mittels Umweg über einen Marktplatz.
Heute sollte sich jede:r Händler:innen auf die alte Händlerweisheit besinnen: Sei dort, wo deine Kund:innen sind. Und die Kund:innen heute sind bereits auf den Marktplätzen und werden von sich aus auch nicht aufhören, dort einzukaufen. Die Devise heute lautet: Hole deine Kundschaft auf den Marktplätzen ab, überzeuge sie von dir, deinen Produkten und Service und verwandle sie in Stammkund:innen, egal über welchen Kanal.
3. Großhändler:innen:
Die Großhändler:innen sind sicherlich diejenigen, die das gesamte Marktplatzgeschäft am intensivsten betrachten sollen. Der Auftrag von Großhändler:innen ist es, eine möglichst breite Palette an Produkten einer spezifischen Branche zu attraktiven Konditionen bei hohem Servicelevel für seine Kund:innen aus einer Hand zur Verfügung zu halten.
Dies ist mit kleineren branchenspezifischen Abstrichen auch die Mission eines jeden (B2B)-Marktplatzes. Der oder die passive Großhändler:in läuft also Gefahr, in wenigen Jahren ohne Geschäftsmodell dazustehen. Der oder die aktive Großhändler:in migriert sein Offline-Geschäftsmodell in ein Online-Geschäftsmodell - fast immer heißt das: Selber Marktplatzbetreiber:in werden.
4. Herstellersicht:
Früher waren Marktzugänge teilweise schwierig, Vertriebswege kompliziert und die lukrativsten Pfründe fix verteilt - ohne große Durchlässigkeit für Neueinsteiger:innen oder Hersteller:innen, die sich mehr auf Fabrikation, denn auf Vermarktung und Vertrieb konzentrierten.
Heute gibt es nur noch sehr wenige Schranken, sein Geschäft direkt mit den Kund:innen abzuwickeln. D2C lautet das neue große Mantra. Wer bislang nur herstellender Teil der Wertschöpfungskette war, darf heute berechtigt die Businessrechnung anstellen, ob über eine Direktvermarktung nicht ggf. neue Standbeine zur Diversifikation oder auch anderer Marktzugänge für eine größere Nähe zur Kundschaft die Zukunft sind. Marktplätze sind hierbei der einfachste Weg, historische Kundenbeziehungen - der ehemals wertvollste Asset jeder Vertriebsorganisation - nicht mühsam zu erarbeiten, sondern über bestehende Marktplätze einfach direkt mit zu nutzen.
Einen Marktplatz selber zu bauen ist die Königsklasse im E-Commerce. Was sollte man als Betreiber:in bei der Konzeption unbedingt beachten?
Das Wichtigste ist: Marktplatzbetreiber:innen sind Serviceanbieter:innen in zwei Richtungen. Es muss der bestmögliche Service für die kaufenden Kund:innen angestrebt und über alle Marktplatzhändler:innen hinweg möglichst einheitlich und verlässlich sichergestellt werden. Es muss aber auch für einfache Zugänglichkeit und ein hohes Informationslevel für die Marktplatzhändler:innen gesorgt und das faire Miteinander sichergestellt werden.
Was einfach klingt, hat seine Tücken im Detail. Marktplatz heißt, es kommen mehrere Kaufverträge zustande - davon möchten die Kund:innen aber so wenig wie möglich merken.
Die Logistik ist selten aus einer Hand, sodass Teillieferungen, Retourenprozesse etc. im Spannungsfeld zwischen Kundenfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit nur zu leicht im Dschungel der Undurchsichtigkeit versinken. Und um in der Vermarktung handlungsfähig zu sein, müssen auch Konditionen, Kampagnenfähigkeit etc. durch Marktplatzregeln sichergestellt sein. Egal, ob Affiliate, Promo-Aktionen oder ähnliches. Auch Marktplätze benötigen Spielmasse für eine aktive Vermarktungskommunikation mit der Kundschaft. Das Feld der einheitlichen Produktdaten erwähne ich jetzt mal nur verschämt zum Schluss, das ist ja bereits beim eigenen Onlineshop ein stetiger Quell der Freude.
Customer first – wie schafft man es letztendlich, eine:n Kund:in zur bzw. zum Stammkund:in zu entwickeln? Auf was kommt es in euren Augen an?
Kund:innen sind auch nur Menschen. Menschen möchten wahrgenommen werden, sich persönlich angesprochen fühlen und in einer sicheren/problemarmen Umwelt agieren. Wenn all das noch mit Leidenschaft passiert, dann hat man alles beisammen, um eine erfolgreiche Kundenbeziehung auf Dauer zu entwickeln.
Es geht nicht darum, dass ich ein Produkt verkaufe, sondern dass ich mein Produkt verkaufe. Es geht nicht darum, dass ich mit Kund:innen kommuniziere, sondern wie. Es geht nicht darum, Umsatz zu generieren, sondern es geht darum, einer bzw. einem Kund:in dabei helfe, ein Problem zu lösen (=Bedarfsdeckung) oder ihm beim Träumen zu helfen und einen Wunsch zu erfüllen (=Bedürfnisweckung)
Liebe dein Produkt, liebe deine Kund:innen und liebe es, beide zusammenzubringen.