In den letzten Monaten der Pandemie haben Cross Channel Konzepte im Einzelhandel eine neue Dringlichkeit bekommen und man sieht vermehrt digitale Elemente in stationären Geschäften – von digitalen Einlasskontrollen beim Supermarkt um die Ecke bis hin zur digitalen Preisanzeige. Trends und Entwicklungen, die bleiben und zunehmen werden – und müssen. So berichtet Bernd Albl, Managing Director Division Digital Retail bei umdasch The Store Makers, im Gespräch mit Kai Hudetz an der HandelBar. Sein Lieblingsgetränk, auf dass er sich der Österreicher mit dem IFH KÖLN-Chef digital trifft: Schwarzer Kaffee. Seine Lieblingsthemen: Alles rund um die Frage, wie der Stationärhandel durch digitale Elemente komfortabler gestaltet werden kann. Aber – so stellt unser Gast zu Beginn des Gesprächs gleich klar – auch die analoge Welt hat ihre Berechtigung und „muss analog bleiben“ (03:50). Einige analoge Bereiche können jedoch gut digitalisiert werden, wie auch die Coronapandemie mit dem Umstieg auf Home Office gezeigt hat. „Training on the Job“ (07:17) nennt der Digitalexperte Albl diese Zeit, Krisenbewältigung im neuen Büroalltag mit Herausforderungen, die bei umdasch – sowieso schon digitaler Vorreiter – gut bewältigt werden konnten.
Wie sieht es mit der Digitalisierung im Retail aus?
Die Kernfrage der heutigen HandelBar, denn die Berater von umdasch The Store Makers – unter anderem Schöpfer des Globetrotter Stores in Köln – unterstützen den Handel bei der ganzheitlichen Ladenplanung, heißt: Digitale Elemente werden selbstverständlich mit integriert.
Kann man da noch unvoreingenommen einkaufen gehen? Jein, denn überall steckt Inspiration, so Albl. Es gebe mittlerweile schon sehr gute Shopinstallationen, aus denen man viel lernen kann. Schließlich sei heute schon einiges mehr möglich und zum Standard avanciert als noch vor ein paar Jahren, als digitale Beschilderungen (Digital Signage) noch ein Alleingänger waren (11:40) – so der Experte. Ein besonderes Best Practice: Der Sportartikelhersteller NIKE und sein House of Innovation, bei dem Albl die Verschmelzung von Ladenbau und Digitalem lobt (13:20).
Push & Pull
Keine Frage, dass sich gerade viel tut auf dem Markt und sich viele „Marktbegleiter“ – diesen Terminus zieht der heutige Podcastgast „Mitbewerbern“ vor – positionieren. Schließlich hat durch Corona die Dringlichkeit stationäres Shopppen möglichst attraktiv zu gestalten noch einmal zugenommen. Die pandemischen Entwicklungen und Hygienerichtlinien hatten auch Auswirkungen auf bestimmte Technologien, so wurden Touch Applikationen beispielsweise gemieden, das Smartphone dagegen vermehrt als Interaktions-Interface genutzt. Sind Touch Displays also wieder out? Nein, sie sind nach wie vor ein großer Trend, unterstreicht Albl. Längst werden sie wieder genutzt – mit Desinfektion natürlich (ab 18:40).
Welche Technologie ist die Richtige?
Und wo steht der DACH-Raum im internationalen Raum? In den letzten anderthalb Jahren wurde zwar einiges beschleunigt, im internationalen Vergleich gibt es im deutschsprachigen Raum aber noch einiges zu tun (22:30). Aber welche Technologien, sind nun die wichtigen? Wo sollten Händler ansetzen? Auch diese Kernfrage stellt Kai Hudetz seinem Gast, der zuerst einmal, rät bei der Basis anzusetzen und sich eingangs zu fragen, was durch Digitalisierung überhaupt erreicht werden soll. Die größten Trends sind dann nach wie vor Digital Signage, elektronische Preisauszeichnung – ein Markt der gerade „komplett eskaliert“ und das Thema Tracking und Zugangskontrollsysteme (ab 24:00). Dabei drängen sich auch immer Datenschutzfragen auf – Ängste der Kund:innen hat der umdasch-Experte aber in der Praxis „überhaupt nicht vernommen“ (25:45).
„Erlebnischarakter hat einen ganz anderen Stellenwert“
Auch das hat die Pandemie hervorgebracht: Konsument:innen erwarten verstärkt ein Erlebnis beim stationären Kauf. Der Mehrwert muss stimmen, denn viele haben sich in der Pandemie ans Onlineshopping gewöhnt – jetzt „noch extra von der Couch aufstehen“? Painpoints im Laden wie beispielsweise Warteschlangen müssen unbedingt vermieden werden (31:20), um dem bequemen Onlinekauf nicht hinterherzustehen – auch dazu gibt es digitale Tools.
Die nächsten Jahre bringen auch verstärkt Wandel in die Ladenlandschaft durch gesellschaftspolitische Veränderungen wie demografischen Wandel, verstärkte multikulturelle Gesellschaften, Individualisierung und Urbanisierung (31:50) – und das wird auch Auswirkungen auf die Innenstädte und deren typischen Fashionretailer haben. Die Prognose von Albl? Flanieren und Inspirieren, Gastrokonzepte und kleinere Brands werden in den Vordergrund rücken (33:50).
Und bis dahin? „Mutig sein, durchhalten und versuchen“ rät Bernd Albl dem aktuell so geschundenen stationären Fashionhandel und ist überzeugt: „Der Handel kommt zurück“ (38:30).
Mehr zum Thema Innenstädte der Zukunft gibt es auch bei der Faszination Handel 2021 am 7. September.