Wie Sie die Loyalität Ihrer Kund*innen durch Künstliche Intelligenz steigern
Kundenloyalität wird in Zukunft vornehmlich Künstliche Intelligenz generiert, da ist sich Achim Himmelreich, Global Head Consumer Engagement bei Capgemini, sicher. Warum es wichtig ist, Daten nicht nur zu verkaufen, sondern zum Wohle der Kundin oder des Kunden zu verwenden, erklärt er im Interview.
Kai Hudetz: Herr Himmelreich, in welchem Bereich der Künstlichen Intelligenz nehmen Sie aktuell die meisten Ansätze wahr?
Achim Himmelreich: Vor allem in zwei Bereichen tut sich derzeit viel: Zum einen sehen wir als Capgemini viele Effizienzprojekte entlang der Supply Chain, insbesondere im Bereich Demand Forecast. Doch sehr viel mehr passiert im Bereich der sogenannten Customer Facing Functions, also beispielsweise der Erkennung von Stimmen und Gesichtern zur Identifikation und Authentifikation. Der Großteil der KI-Anwendungen läuft mit riesigen Datenmengen im Hintergrund und zielt darauf ab, den Kundinnen und Kunden eine passgenauere und persönlichere Kommunikation miteinander zu ermöglichen.
Gibt es Unterschiede zwischen den Branchen?
Himmelreich: Ja. Wir sehen, dass Unternehmen, die einen hohen Lifestylebezug sowie eine relativ junge Zielgruppe haben, bei der Implementierung von KI fortgeschrittener sind. Das sind z. B. Unternehmen aus dem Mode- oder Konsumgüterbereich. Der Handel hinkt da etwas hinterher.
Womit sollte sich jedes Unternehmen beschäftigen, bevor es mit KI startet?
Himmelreich: Die Hausaufgaben, die jedes Unternehmen bereits vorab machen sollte, ist, die Customer Journey seiner Kund*innen bzw. Kundengruppen, die jeweiligen Bedürfnisse und Touchpoints zu kennen. Wenn man dies weiß, kann man sich überlegen, in welchem Bereich eine Implementierung von KI in Pilotprojekten Sinn macht. Wenn dies bekannt ist, kann ein interner oder externer KI-Spezialist hinzugezogen werden. Ist die Customer Journey hingegen noch unklar, sollte jedes Unternehmen hiermit erst einmal starten.
Angenommen, ein Händler kennt seine Customer Journey bereits und möchte nun die nächsten Schritte gehen. Wie stellt das Unternehmen dies am besten an und wie sieht ein solcher Prozess aus?
Himmelreich: Die meisten Unternehmen fangen schlicht und einfach irgendwo mittendrin an. Klassisch stehen am Anfang Interviews oder Workshops mit relevanten internen und externen Personen. Danach wird in einem Sprint die Umsetzung von einem MVP (Minimal Viable Product) angestoßen, ggf. erst einmal nur für einen Pilotstandort. Diese wird dann getestet, Anpassungen umgesetzt und dann weiter ausgebaut, bevor das Unternehmen sie in den Massenmarkt überführt. Erst nach dieser erfolgreichen Pilotphase wird darüber nachgedacht wie es mit den entsprechenden Schnittstellen aussieht. Die Investitionen für einen solchen Piloten liegen meist im sechsstelligen Bereich – eine Investition in die Zukunft, die sinnvoll ist. Wie häufig im Bereich der Neuentwicklung lässt sich der ROI am Anfang noch schwierig beziffern, doch nach erfolgreichem Abschluss der Pilotphase und entsprechenden Anpassungen lässt sich dieser auch hier ableiten. Grundsätzlich ist es mir wichtig zu betonen, dass diese Cases immer business- und nicht IT-getrieben sein sollten. So holen Unternehmen das meiste Potenzial aus dem Case.
In einem Atemzug mit Künstlicher Intelligenz wird meist auch die Veränderung von Arbeitsaufgaben oder ganzen Stellenprofilen skizziert. Wie sehen Sie das?
Himmelreich: Nicht selten haben Mitarbeiter tatsächlich Angst, dass ihre Fähigkeiten durch den Einsatz von KI entwertet werden. Hierbei helfen eine klare Kommunikation und viel Transparenz darüber, welches Ziel der Einsatz von KI hat. Im Marketing ist beispielsweise eine Verschiebung erkennbar: Einige Dinge können automatisiert von einer KI erlernt werden, jedoch wird auch weiterhin jemand benötigt, der die KI trainiert. Es werden durch KI mehrheitlich Systeme geschaffen, die Mitarbeiter in erster Linie unterstützen und von Routineaufgaben befreien sollen, so dass sie sich auf neue, intensivere Aufgaben wie z. B. einer individuelleren Kundenbetreuung konzentrieren können, um so ihre Kompetenzen weiterentwickeln zu können.
Sind Belegschaft und angewandte KI im Einklang, lassen sich Erfolge und Wettbewerbsvorteile klar erkennen: So ist im Marketing eine zielgerichtete und damit effektivere Kommunikation möglich, was zu einer Erhöhung der messbaren Conversion Rate führt. Anhand der Supply Chain wird es noch deutlicher: Fehler können reduziert und der aktuelle wie zukünftige Bedarf exakter ermittelt werden. Damit werden die Liefer- und Lagerzeiten reduziert, was wiederum die Kapitalbindungskosten reduziert. In diesem Sinne ist es recht einfach, genaue Business Cases zu rechnen. Ein weiteres großes Thema ist die Loyalität der Kund*innen.
…die man durch den Einsatz der KI verbessern kann?
Himmelreich: Genau. Wir leben in einer Welt des Überangebots. Wenn Kund*innen etwas nicht gefällt, haben sie die Möglichkeit sofort den Anbieter oder das Produkt zu wechseln. Das heißt für Unternehmen, sie müssen die echte Zuneigung ihrer Kund*innen und deren Vertrauen gewinnen, ihnen für Probleme eine Lösung aufzeigen. Denn echte Loyalität ist ein sehr tiefes, persönliches Empfinden, welches auch so manche Höhen und Tiefen der Unternehmensentwicklung übersteht.
Dadurch, dass Unternehmen mit KI die Möglichkeit haben, ihre Kund*innen viel intensiver und umfassender kennenzulernen, können sie ihnen ein maßgeschneidertes Angebot unterbreiten, welches Lösungen anbietet, die individuellen Bedürfnisse erfüllen und Vertrauen stärken. Der Fokus muss aber nachvollziehbar und klar auf dem bilateralen Verhältnis zwischen Kundin oder Kunde und Unternehmen liegen. Es sollte nicht um das reine Auswerten von Daten gehen, um bessere Werbung auszuspielen, wie bei Google und Amazon. Die Kundin oder der Kunde muss einen wahren Mehrwert spüren.
So wird der Anbieter zum Problemlöser. Es wird verstärkt ganzheitliche, persönliche Assistenzen geben. Neben den omnipräsenten Big Playern wie Google und Amazon, stellt sich die Frage, wen es darüber hinaus noch geben wird. Die vorhin beschriebene Loyalität wird es in Zukunft fast ausschließlich nur noch durch KI gehen. Und hier sehe ich bei deutschen Unternehmen durchaus einen Wettbewerbsvorteil im Vergleich zu den Big Playern: Die Glaubwürdigkeit, die Daten nicht zu verkaufen und zum Wohle der Kunden zu verwenden.
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