Die Digitalisierung geht auch am stationären Einzelhandel nicht spurlos vorbei. Durch die zunehmende Konkurrenz durch Onlineanbieter wird es immer wichtiger den stationären Einkauf zum besonderen Erlebnis zu machen. Daher sind Händler aufgefordert umzudenken und neue Konzepte für die Verkaufsfläche zu entwickeln. Über entsprechende Strategien und Trends haben wir mit Daniel Schnödt, Geschäftsführer der Unternehmensberatung TEAMSCIO, gesprochen. TEMASCIO ist seit Anfang 2017 Mitglied der IFH-Förderer.
Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Flächengestaltung im stationären Einzelhandel?
Daniel Schnödt: Im Prinzip muss der Handel es schaffen, sich als Treffpunkt zu etablieren. Jeder muss sich über Sortimente, Services und Kundenflächen Gedanken machen. Der Mensch sucht das öffentliche Wohnzimmer, das er versteht und wo er sich wohl fühlt. Die Interpretation dieser Wertevorstellungen ist daher einer der wichtigsten Punkte, um erfolgreich als Touchpoint identifiziert zu werden. Aktuell sind H&M mit ihrem neuen Shopkonzept oder die KADEWE Group Benchmarks neben vielen Inhaber geführten Unternehmen, die eine Kuratierung erfolgreich auf den Weg bringen. Treffpunkt bedeutet wohlfühlen, zwangloses Benehmen, Reden und Speisen. Das Ganze ohne Kaufzwang mit dem Ziel, das natürlich das Eine oder Andere gekauft wird. Eine Hosenabteilung spiegelt dies sicherlich nicht wieder.
Das Internet kann heute alle Bedarfe befriedigen, aber nur der stationäre Einzelhandel kann Bedürfnisse tatsächlich in Kaufkraft umwandeln – wenn er diese entsprechend emotionalisiert.
Wie können Händler ihre oft begrenzte Verkaufsfläche optimal nutzen, um Kunden ein einzigartiges Einkaufserlebnis zu bieten? Was sind die Erfolgsfaktoren auf der Fläche?
Daniel Schnödt: Ich greife da gerne auf meine acht E – wie Erfolgsfaktoren zurück:
Emotion – Erlebnisse mit einem Überraschungseffekt schaffen. Es kann ein Give Away sein oder Art Work im Design wie beispielsweise Engelhorn Sport mit seinem Kletterfelsen oder nur eine ungewöhnliche Umkleidekabine. Es müssen Dinge sein, über die Menschen nachdenken.
Environment – die Interpretation der Zielgruppe im Raum. Aesop und Wormland spiegeln diesen Gedanken sehr gut wieder – jeder Standort wird regional bespielt. Ob im Design oder im Einsatz der Requisiten. Nichts wird dem Zufall überlassen, um den Kunden ein heimisches Gefühl zu geben.
Engagement – Informationen dem Kunden geben. Ob über das Unternehmen oder die Produkte. Mr. Spex oder Amazon machen es vor. Rezensionen zu den Produkten werden als Handout mitgegeben. Aber auch REWE ist hier nicht zu unterschätzen, die es perfekt schaffen, ihr Selbstverständnis nonverbal zu transportieren.
Entertainment – der Kunde will unterhalten werden. Öffnen Sie Ihre Ressourcen und zeigen Sie es dem Kunden. Ob eine Schneiderei, Frontcooking oder die Fahrradwerkstatt.
Etailment – die digitale Verschmelzung der physischen und digitalen Welt wird immer wichtiger. Es beginnt bereits bei Free WIFI und endet beim interaktiven Workflow mit dem Kunden. Hier muss Rose Biketown als Benchmark genannt werden, die es perfekt schaffen, den Kunden auf seiner Customer Journey bis zum POS zu begleiten.
Experience – der Kunde will erfahren, erforschen und lernen. Also lassen Sie ihn Teil werden am Prozess. Das geht soweit, dass Kunden für ihren Anzug einen Schneiderkurs buchen, oder Kunden selber ihre Blumengestecke zusammenbauen.
Ecological – Nachhaltigkeit und Substanzerhaltung sind die Schlagworte, die einen enormen Wert wiederspiegeln. An dieser Stelle sei Lush genannt, die so weit gehen, dass selbst der Ladenbau aus ökologischen Produkten zusammengestellt wird.
Excellence – sei unverwechselbar. Pier 14 auf Usedom bespielt die voran gegangenen Punkte fast nahtlos. Sie schaffen tatsächlich ein einzigartiges Bild. Die Kombination aus Überraschung, Mikrostandort, Entertainment oder Engagement sind unübertroffen. Und das Ganze auf gerade mal 300 qm.
Welche Trends lassen sich aktuell im Ausland beobachten? Und was können deutsche Händler hiervon lernen?
Daniel Schnödt: International sind unsere deutschen Filialisten doch recht gut aufgestellt. Und Sie bringen es auf den Punkt – Premium ist sicherlich eines der Erfolgsfaktoren. Aber auch die Mischung bis hin zu den Niedrigpreisen zeigt Wirkung. Lidl dürfte hier als Benchmark sicherlich die richtige Adresse sein, die es erfolgreich schaffen alle Preiskanäle zu bespielen. Aber auch ein Edeka Zuheide schafft es, den preisorientierten Kunden durch die günstigen Eigenmarken zu binden. Oberpollinger zeigt auch, dass neben kuratierten Flächen, Marken immer noch Bestand haben. Die Mischung macht es. Aber sicherlich müssen neben klassischen Marken auch neue Produkte und Ideen gezeigt werden.
Wie sieht Ihrer Meinung nach der POS der Zukunft aus?
Daniel Schnödt: Meine Gesprächspartner attestieren durchgängig den Begriff Experience – das Sortiment erleben und erfahren in einem gleichsam stimmigen Umfeld. Butiq mag hier als Benchmark dienen. Denn hier werden Geschichten über regionale, authentische Produkte erzählt. Ein Ort höchster Aufenthaltsqualität, wo man auch mal gerne mit einem Glas Wein durch den Laden schlendert.
Eine letzte Frage: Sie unterstützen die Arbeiten des IFH KÖLN als Mitglied der IFH-Förderer – welche Vorteile sehen Sie darin?
Daniel Schnödt: Das IFH bietet mir die Möglichkeit auf viele Informationstools zuzugreifen. Darüber hinaus ist das IFH als Forschungsinstitut sicherlich näher am Handelsgeschehen als beispielweise andere Anbieter. Das IFH ist für mich als Informationsträger sicherlich eine der wichtigsten Adressen.