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24. September 2024

Unternehmen setzen sich immer mehr mit Marktplätzen auseinander. Was sie hier beachten müssen und wie eine erfolgreiche Marktplatz-Strategie aussieht, erläutert Thomas Natkowski, Managing Partner bei unserem ECC CLUB Mitglied eStrategy, im Interview.

Warum sollten Unternehmen sich deiner Ansicht nach mit Marktplätzen auseinander setzen und was macht eine erfolgreiche Marktplatz-Strategie aus?

Eine Marktplatz-Strategie ist heute ein zentrales Element für Unternehmen, die ihre Reichweite und Wettbewerbsfähigkeit im E-Commerce nachhaltig steigern möchten. Sie geht über die reine Entscheidung für die Präsenz auf Plattformen hinaus und stellt eine strukturierte Herangehensweise dar, bei der Händler oder Hersteller gezielt entscheiden müssen, welche Marktplätze zu ihren Produkten und Geschäftsmodellen passen. Dabei sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Einer der wichtigsten Schritte ist die Identifizierung der Motivation: Geht es primär darum, den Umsatz zu steigern, neue Zielgruppen zu erreichen oder bestehende Marktanteile abzusichern?

Unternehmen müssen sich außerdem klar darüber werden, welche Marktplätze für ihr spezifisches Geschäftsmodell und Sortiment relevant sind. Faktoren wie die Plattformreichweite, das Geschäftsmodell des Marktplatzes (reiner Marktplatz oder Plattform mit eigenem Handel) und die Zielgruppe spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ein weiteres bedeutendes Kriterium ist die Struktur des Marktplatzes – besteht beispielsweise ein offenes oder geschlossenes Marktplatzmodell, ist die Ausrichtung auf B2C, B2B oder C2C etc.? Hierbei müssen Unternehmen Potenziale der einzelnen Plattformen prüfen und dabei eine Kannibalisierung der Angebote zwischen den Kanälen durch eine genaue Steuerung vermeiden.

Zusätzlich kommen operative Anforderungen hinzu: Set-up-Prozesse, die teilweise sehr individuell gestaltet sind, sowie technische Voraussetzungen für die Anbindung an die Marktplätze stellen oft unterschätzte Herausforderungen dar. Schließlich sind auch Preismodelle, Conversion-Optimierung und Sichtbarkeitsstrategien auf der jeweiligen Plattform von entscheidender Bedeutung und erfordern eine komplexe Logik. Mit einer durchdachten Marktplatz-Strategie können Händler und Hersteller jedoch erhebliche Potenziale erschließen, sei es durch erhöhte Reichweite, das Erreichen neuer Märkte oder den Aufbau einer direkten Verbindung zu Endkund:innen

Wie sieht denn der Markt der Marktplätze in Deutschland aus und welche Chancen bieten sich im grenzüberschreitenden Handel?

Die deutschen Marktplätze zeigen im Vergleich zu den internationalen Wettbewerbern derzeit eine eher schwache Entwicklung. Prognosen für das gesamtwirtschaftliche Wachstum und den E-Commerce-Sektor deuten darauf hin, dass Deutschland im europäischen und globalen Kontext ins Hintertreffen gerät. Während der deutsche E-Commerce nur geringfügig wächst, zeigen Länder wie Großbritannien, Spanien, Frankreich ein größeres Wachstum. Die globalen Märkte in den USA, China oder Indien liegen teilweise noch deutlich darüber. Diese Diskrepanz macht internationale Marktplätze zu einer vielversprechenden Option für Unternehmen, die grenzüberschreitend agieren möchten.

Internationalisierung eröffnet nicht nur Zugang zu neuen Kundengruppen, sondern bietet auch eine Möglichkeit, vom stärkeren Wachstum in anderen Ländern zu profitieren.

Unternehmen, die ihre Marktplatzstrategie auf den grenzüberschreitenden Handel ausweiten möchten, müssen jedoch weitere Faktoren berücksichtigen. Neben den klassischen Fragen zur Reichweite und zur Relevanz der Marktplätze kommen sprachliche Herausforderungen, Anforderungen an die Produktdaten und Regularien wie Zölle und Steuerbestimmungen ins Spiel. Besonders im Handel mit Nicht-EU-Ländern sind spezifische Zollvorschriften, steuerliche Abgaben sowie lokale Vorschriften zu beachten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Logistik: Hier gilt es, operative Prozesse so zu gestalten, dass eine schnelle und effiziente Lieferung in das jeweilige Zielland gewährleistet wird.
Wichtig ist generell eine detaillierte Planung sowie eine effiziente operative Steuerung, um sicherzustellen, dass alle Chancen des grenzüberschreitenden Handels optimal genutzt werden.

Für viele Händler ist Teil ihrer Marktplatz-Strategie, selbst Marktplatz zu werden. Wie bewertest du die Erfolgschancen bzw. was ist dabei zu beachten?

Immer mehr Händler entscheiden sich, eigene Marktplätze zu betreiben, um ihre Marktposition zu stärken und das eigene Sortiment zu erweitern, ohne dabei zu stark ins Risiko gehen zu müssen. Besonders große Player wie Amazon haben gezeigt, wie erfolgreich das Modell sein kann. Doch nicht jeder Händler hat das Potenzial, ein solches Modell erfolgreich zu implementieren. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die richtige Positionierung des Marktplatzes. Während große Generalisten wie Amazon oder Otto dominieren, gibt es auch Raum für spezialisierte, sogenannte vertikale Marktplätze. Diese fokussieren sich auf bestimmte Nischenmärkte und bieten maßgeschneiderte Lösungen für ihre Kund:innen. Ein Beispiel dafür ist Vinted, das gerade den Second-Hand-Markt für Mode erobert.

Allerdings müssen Händler, die selbst einen Marktplatz aufbauen möchten, mehrere Punkte beachten. Zunächst gilt es, die strategische Ausrichtung genau zu planen: Welche Produkte sollen angeboten werden, und welche Positionierung soll der Marktplatz einnehmen? Weiterhin stellt sich die Frage nach der technischen Umsetzung. Hier sind Lösungen beliebt, die es ermöglichen, einen eigenen Marktplatz auf bestehenden Technologien aufzusetzen. Auch operative Herausforderungen dürfen nicht unterschätzt werden: Ein Marktplatz benötigt nicht nur ein reibungslos funktionierendes System zur Abwicklung von Bestellungen, sondern auch klare Regeln für Verkäufer:innen, Preismodelle und Mechanismen zur Sicherstellung der Qualität.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, als Marktplatzanbieter für Händler attraktiv zu bleiben, ohne selbst zur Konkurrenz für diese zu werden. Viele Händler befürchten, dass die Betreiber der Plattformen in Konkurrenz zu ihren eigenen Angeboten treten. Dies erfordert eine besonders klare Positionierung und transparente Prozesse. Auch müssen Marktplatzbetreiber dafür sorgen, dass sie sich von bestehenden Angeboten differenzieren und ein einzigartiges Nutzererlebnis bieten. Eine klare Nischenstrategie oder besondere Services können dabei helfen, sich erfolgreich am Markt zu etablieren.

Was sind Beispiele für erfolgreiche Marktplatz-Strategien bzw. die Weiterentwicklung einer solchen?

Die Rolle von Marktplätzen ist es letztlich, in einem gewissen Segment Angebote und Nachfrage effizient zusammenzubringen und dabei einen Mehrwert für beide Seiten zu erzeugen und daraus letztlich das eigene Geschäftsmodell profitabel zu gestalten. In der Weiterentwicklung solcher Geschäftsmodelle können sich in unserer Erfahrung unterschiedliche Dimensionen öffnen.

Um solche Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln, kann beispielsweise das Spielfeld vergrößert werden, indem zusätzliche Sortimente erschlossen werden – das können neue Händler- oder Warengruppen sein oder horizontale Erweiterungen wie der Verkauf von Gebrauchtware. Gerade in Zeiten schwacher Konjunktur bieten sich hier viele Chancen, da die Kund:innen preissensitiv sind.

Skalierung durch programmatische Ansätze oder auch zusätzliche Services für Verkäufer:innen, bspw. Fullfilment oder Marketing, sowie für Käufer:innen, bspw. Versicherungen oder Montage, können das Kerngeschäft erweitern. Hinzu kommen zusätzliche Monetarisierung durch Hersteller und Marken, welche ihre Budgets zunehmend zu relevanten Online-Kanäle verlagern – Stichwort Retail Media.

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