Ja, sie sind teurer als E-Mails, aber das Werbevolumen spricht für sich: Postmailings sind noch immer ein wichtiger Bestandteil im Werbemix. Können Kund:innen gleich bestellen, wird es rechtlich kompliziert, weil für viele Informationen nur wenig Platz besteht. ECC Clubmitglied Rechtsanwalt Rolf Becker berichtet über eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf zur Frage, ob auf andere Informationszugänge verwiesen werden darf.
Bedeutung von Postmailings
Die Bedeutung von Postmailings sollte nicht unterschätzt werden. Im Bereich der Bestandskundenwerbung stellen Werbesendungen das Leitmedium dar, vor E-Mail-Marketing und Print-Anzeigen. 34 Prozent aller im Rahmen einer renommierten Studie der Deutschen Post AG befragten Unternehmen nutzen volladressierte Werbesendungen für die Neukundengewinnung (Quelle: Deutsche Post AG, Dialogmarketing-Monitor 2021 | Studie 33, Seite 40f.). Insgesamt flossen 2021 6,3 Mrd. Euro in Werbesendungen. Der Handel investierte 30 Prozent der Ausgaben in Online-Marketing und gibt jeden vierten Euro (25 %) für volladressierte Werbesendungen aus.
Auch im aktuellen Verfahren ging es um diese Werbemittel. Ein Telekommunikationsunternehmen hatte 2023 etlichen Verbrauchern ein Angebot für einen Telefonvertrag per Brief unterbreitet – und dabei auf die AGB im Internet verwiesen. Im Werbeschreiben hieß es:
"Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (abrufbar über www...)." und
"Ich bestätige, die Vertragszusammenfassung und Widerrufsbelehrung für meine Unterlagen erhalten zu haben."
Das aus mehreren Seiten bestehende Mailing enthielt ansonsten die Vertragszusammenfassung und auf der anderen Seite die Widerrufsbelehrung.
Abmahnung und Klageverfahren zur AGB-Einbeziehung
Hiervon erhielt ein eingetragener Verbraucherschutzverband Kenntnis und mahnte das Telekommunikationsunternehmen mit der Forderung auf Unterlassung ab.
Es kam zum Klageverfahren. Zwischen den Parteien war unstreitig, dass es sich bei den Klauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelte.
Das in zweiter Instanz zuständige OLG Düsseldorf sah die gesetzlichen Vorgaben zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verletzt (OLG Düsseldorf, Urt. 25.04.2024, Az. 20 UKI 1/24):
„Nach § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil des Vertrages, wenn der Verwender u.a. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dieses Erfordernis gilt auch dann, wenn - wie hier - der Verwender die andere Vertragspartei veranlasst hat, ein Angebot mit seinen AGB abzugeben (vgl. Fornaisier, a.a.O., § 305 Rdn. 74). Das ist hier nicht der Fall.“
Grundsätzlich können AGB auch über einen Link in einen Vertrag einbezogen werden. Das gilt aber bei Verbraucher:innen als Adressaten nur dann, wenn kein Medienbruch besteht. Wird also ein Vertrag im Internet geschlossen, dann kann ein Verweis auf verlinkte AGB genügen (so schon BGH, Urt. v. 14.06.2006, Az. I ZR 75/03). Zwar kann ausnahmsweise einmal auch auf andere Medien verwiesen werden, wenn sichergestellt ist, dass die Adressierten Zugang haben und ansonsten die Informationen im Ausgangsmedium nicht unterzubringen sind. Dies war jedoch hier nicht der Fall. Die Düsseldorfer Richter:innen dazu:
„Es spricht einiges dafür, dass bereits der Medienbruch eine Kenntnisnahme unzumutbar erschwert, zumal dieser unnötig ist; die AGB könnten dem Werbeschreiben ohne Probleme beigefügt werden. Hinzu kommt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die angeschriebenen Personen über ein internetfähiges und an das Internet angeschlossenes Gerät besitzen. Die angeschriebenen Personen haben zwar bereits einen Festnetzanschluss, wie sich u.a. aus der Angabe der Telefonnummer ergibt. Es mag auch sein, dass heutzutage Telefontarife ohne Internetzugang nicht mehr angeboten werden. Dies besagt jedoch nichts dazu, dass der potentielle Kunde tatsächlich Zugriff auf ein internetfähiges Gerät hat. Der beworbene Tarif umfasst zwar ausweislich der Vertragszusammenfassung auch Internetdienstleistungen, diese werden in der Bewerbung jedoch nicht in den Vordergrund gestellt. Wie aus den Beschwerdeschreiben über die Schreiben der Beklagten hervorgeht, handelt es sich bei den Angeschriebenen auch um ältere Personen. Der Zugang zum Internet ist zwar gegenüber früher erheblich selbstverständlicher geworden, der Senat hält es aber für zu weitgehend, daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, die Verkehrskreise ohne Internetzugang verweigerten sich bewusst einer naheliegenden Informationsquelle und müssten die sich daraus ergebenden Folgen tragen.“
Zudem waren die Richter:innen davon überzeugt, dass die AGB noch in das Werbeschreiben gepasst hätten.
Fazit
Werbung per Post funktioniert. Sie ist als Print to web Werbung unkompliziert, da hier die eigentlichen Angebote nur über das Internet bestellt werden können und dabei genügende Möglichkeiten bestehen, alle Informationen einschließlich AGB unterzubringen. Enthält aber ein Werbebrief auch ein Bestellelement, wird es bei Platzproblemen problematisch. Sind Verbraucher:innen die Zielgruppe, so reicht ein Verweis auf das Internet in aller Regel nicht aus. Abgesehen von Inhalten in AGB verlangt das Gesetz im Übrigen in vielen Konstellationen auch die Überlassung von Informationen „auf dauerhaftem Datenträger“. Dazu zählen Webseiten nicht. Die Verletzung von Informationspflichten war aber nicht Gegenstand der Klage.
Hier hätte man vielleicht noch Anhaltspunkte aus dem vom Autor dieser Zeilen durch die Instanzen geführten Urteil des BGH (Urt. v. 11.4.2019, I ZR 54/16) zur Erfüllung von Informationspflichten in Postmailings ziehen können, wenn die Informationen mehr als 20% Raum einnehmen. Wer Geld in Briefwerbung investiert, sollte sich in jedem Fall rechtlich zur Gestaltung und Aufnahme von Rechtsinformationen beraten lassen. Hier drohen nicht nur Abmahnungen, sondern auch Verluste, wenn wichtige Regelungen nicht Vertragsbestandteil werden.
ÜBER DEN AUTOR
Rechtsanwalt Rolf Becker war bis Ende 2023 Partner und Mitbegründer der Rechtsanwaltssozietät Wienke & Becker – Köln, die mit Ablauf des Jahres 2023 beendet wurde. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC-Club kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC Köln regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.
RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker
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