Der Bundestag hat noch vor der Sommerpause 84 neue Gesetzespakete verabschiedet. Es gibt vor allem neue Regelungen für AGB zur Kündigung und Abtretung. ECC CLUB Mitglied Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN erläutert die neuen Bestimmungen und ab wann sie gelten.
Neuer Schutz vor aufgedrängten Verträgen
Am 24.06.2021 billigte der Bundesrat kurz nach dem Bundestag das neue Gesetz für faire Verbraucherverträge. Es werden Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgenommen, um Verbraucher besser vor telefonisch aufgedrängten Verträgen, langen Vertragsbindungen oder allzu langen Kündigungsfristen zu schützen und Kündigungen und damit Anbieterwechsel einfacher zu machen.
Viel zu tun
Unternehmer bekommen einiges zu tun. Das gilt jedenfalls für Unternehmen, die Vertragsangebote machen, die regelmäßige Warenlieferungen vorsehen (Zeitschriften-Abos, Kaffee-Abo) oder Dienst- oder Werklieferungen (Fitnessstudios, Streamingangebote, Partnerbörsen, Energielieferverträge).
Dort müssen AGB bzw. Vertragskonditionen und Webseiten geändert werden, wenn auf diesen Webseiten Vertragsabschlüsse getätigt werden können.
Neue AGB-Regeln
In § 309 BGB werden Regeln für das „Kleingedruckte“, also für AGB aufgestellt. Dem Gesetzgeber ist klar, dass AGB häufig nicht gelesen werden und er untersagt dort eine Reihe von Regelungen zur Laufzeit von Verträgen und Kündigungsfristen. Damit soll verhindert werden, dass Verbraucher unangemessen benachteiligt werden. Wird gegen eines der Verbote verstoßen, ist die Regelung einfach unwirksam. Natürlich kann der Gesetzesverstoß auch abgemahnt werden.
Maximal 2 Jahre Laufzeit; kein Jahresangebot!
Bislang war in den Vorschriften im BGB zum Schutz der Verbraucher geregelt, dass Vertragslaufzeiten nicht länger als 2 Jahre ausgestaltet werden dürfen (§ 309 Nr. 9a BGB) und eine sogenannte stillschweigende Verlängerung nicht länger als 1 Jahr betragen darf.
Auch nach neuem Recht bleiben damit Verträge mit einer Laufzeit von maximal zwei Jahren möglich. Einige Falschmeldungen enthalten noch Pflichten zu einem 1-Jahres-Angebot, die allerdings in letzter Sekunde aufgegeben wurden.
Neue Vertragsverlängerung, Kündigungsfrist max. 1 Monat
Nach neuem Recht sind Regelungen unwirksam, die vorsehen:
b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, oder
c) eine zu Lasten des anderen Vertragsteils längere Kündigungsfrist als einen Monat vor Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragsdauer;
Das wird ungewollte Verlängerungen hindern. Bemerkt ein Verbraucher, dass ein Vertrag sich stillschweigend, also ohne sein Zutun verlängert hat, so kann er mit einer Frist von einem Monat kündigen (oder sofort, wenn die Klausel nicht gesetzeskonform ausgestaltet wurde).
Klauseln, die diese Kündigungsfrist von einem Monat verlängern, indem etwa nur zum Ende eines Monats gekündigt werden kann, sind unzulässig und unwirksam.
Keine feste Anschlusslaufzeit
Viele Verträge haben eine feste Mindestlaufzeit und verlängern sich automatisch, wenn der Verbraucher nicht kündigt. Bislang konnten sie sich sozusagen automatisch maximal ein Jahr verlängern. Jetzt dürfen die Verträge sich nur noch um unbestimmte Zeit verlängern. Das bedeutet nichts anderes, als dass der verlängerte Vertrag dann nach der Erstlaufzeit ohne Vertragsbindung gekündigt werden kann. Das alles gilt aber nur für Verträge mit Verbrauchern. Das sind Personen, die für private Zwecke bestellen. Es kommt also auf den Zweck an, wobei das selbst bezahlte Abo für die Fortbildung unter „privat“ fällt.
Kündigungsfrist nicht länger als 1 Monat
Die Regelung zur Kündigungsfrist trifft Verträge mit Verbrauchern generell. Damit werden bei Verträgen mit Verbrauchern längere Kündigungsfristen als ein Monat in AGB unwirksam. Das gilt dann auch für die Erstlaufzeit. Bei Verstoß kann also ein Verbraucher sofort bzw. jederzeit kündigen.
Ausnahmen sieht das Gesetz für „die Lieferung zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge“ vor.
Hinweis: Kommen Sie nicht auf die Idee, Ihre Laufzeitregelung stünde ja nicht in AGB und deshalb nicht betroffen. Das Gesetz sieht so ziemlich alles als AGB an, was nicht nur ganz individuell im Einzelfall ausgehandelt wird.
§ 305 BGB (1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. …..
Altverträge bleiben unberührt
Bereits im Zeitpunkt der Geltung der neuen Regelungen laufende Verträge bleiben unangetastet. Bestehende Abos müssen also nicht umgestellt werden.
Wenn das Gesetz verkündet worden ist, treten die vorstehenden Regelungen am ersten Tag des siebten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft. Beispiel: Verkündung noch im Juli: Inkrafttreten 01.02.2022. Nachstehende Regelungen zu den Kündigungs-Buttons werden erst ab 01.07.2022 wirksam.
Neue Kündigung-Buttons auf Webseiten
Um die Kündigung durch einen Verbraucher zu erleichtern, gibt es in einem neuen § 312k BGB gleich zwei neue Schaltflächen (Kündigungsschaltfläche) und Bestätigungen vorschreibt, wenn er auf Webseiten Verträge mit Laufzeiten oder unbestimmter Dauer vorsieht. Über diese Schaltflächen, bei denen nur bestimmte Beschriftungen zugelassen sind, sollen dem Verbraucher im nächsten Jahr ab dem 01. Juli 2022 auch zu bereits laufenden Verträgen einfache Kündigungen ermöglicht werden. Weitere Vorgaben sollen dafür sorgen, dass der Verbraucher sicher erkennen kann, dass er seine Kündigung abgeschickt hat und ihm muss für diese Angaben eine Speichermöglichkeit angeboten werden.
„§ 312k Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr
(1) Wird Verbrauchern über eine Webseite ermöglicht, einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zu schließen, der auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet ist, das einen Unternehmer zu einer entgeltlichen Leistung verpflichtet, so treffen den Unternehmer die Pflichten nach dieser Vorschrift. Dies gilt nicht
- für Verträge, für deren Kündigung gesetzlich ausschließlich eine strengere Form als die Textform vorgesehen ist, und
- in Bezug auf Webseiten, die Finanzdienstleistungen betreffen, oder für Verträge über Finanzdienstleistungen.
(2) Der Unternehmer hat sicherzustellen, dass der Verbraucher auf der Webseite eine Erklärung zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung eines auf der Webseite abschließbaren Vertrags nach Absatz 1 Satz 1 über eine Kündigungsschaltfläche abgeben kann. Die Kündigungsschaltfläche muss gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „Verträge hier kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet sein. Sie muss den Verbraucher unmittelbar zu einer Bestätigungsseite führen, die
1. den Verbraucher auffordert und ihm ermöglicht Angaben zu machen
a) zur Art der Kündigung sowie im Falle der außerordentlichen Kündigung zum Kündigungsgrund,
b) zu seiner eindeutigen Identifizierbarkeit,
c) zur eindeutigen Bezeichnung des Vertrags,
d) zum Zeitpunkt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll,
e) zur schnellen elektronischen Übermittlung der Kündigungsbestätigung an ihn und
2. eine Bestätigungsschaltfläche enthält, über deren Betätigung der Verbraucher die Kündigungserklärung abgeben kann und die gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „jetzt kündigen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Die Schaltflächen und die Bestätigungsseite müssen ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich sein.
(3) Der Verbraucher muss seine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung mit dem Datum und der Uhrzeit der Abgabe auf einem dauerhaften Datenträger so speichern können, dass erkennbar ist, dass die Kündigungserklärung durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegeben wurde.
(4) Der Unternehmer hat dem Verbraucher den Inhalt sowie Datum und Uhrzeit des Zugangs der Kündigungserklärung sowie den Zeitpunkt, zu dem das Vertragsverhältnis durch die Kündigung beendet werden soll, sofort auf elektronischem Wege in Textform zu bestätigen.
Es wird vermutet, dass eine durch das Betätigen der Bestätigungsschaltfläche abgegebene Kündigungserklärung dem Unternehmer unmittelbar nach ihrer Abgabe zugegangen ist.
(5) Wenn der Verbraucher bei der Abgabe der Kündigungserklärung keinen Zeitpunkt angibt, zu dem die Kündigung das Vertragsverhältnis beenden soll, wirkt die Kündigung im Zweifel zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
(6) Werden die Schaltflächen und die Bestätigungsseite nicht entsprechend den Absätzen 1 und 2 zur Verfügung gestellt, kann ein Verbraucher einen Vertrag, für dessen Kündigung die Schaltflächen und die Bestätigungsseite zur Verfügung zu stellen sind, jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Möglichkeit des Verbrauchers zur außerordentlichen Kündigung bleibt hiervon unberührt.“
Textformerfordernis für Gas und Strom Lieferungen
Lieferverträge für Strom und Gas soll man nicht mehr allein am Telefon abschließen können. Damit ein Vertrag wirksam ist, muss er künftig "in Textform", also zum Beispiel per E-Mail, SMS oder auch als Brief oder Fax vorliegen. Zugleich wird darüber hinaus das Textformerfordernis auch auf die Kündigung solcher Verträge erweitert. Diese neue Regelung kommt allerdings mit den Änderungen zum Energiewirtschaftsgesetz.
Neue Dokumentationspflicht für Telefoneinwilligungen
Unternehmen müssen künftig die Einwilligung der Verbraucher in Telefonwerbung nach einem neuen § 7a UWG dokumentieren und aufbewahren. Dadurch soll die Bundesnetzagentur unerlaubte Telefonwerbung effizienter ahnden können. Die Archivierungspflicht beträgt 5 Jahre und läuft nach jeder Nutzung neu an. Es drohen bei Verletzung Bußgelder bis zu 50.000 Euro. Die neuen Regelungen dürften je nach Verkündung frühestens ab dem 01.10.2021 oder sonst ab dem 01.01.2022 greifen
Abtretungsverbote für Zahlungsansprüche in AGB unwirksam
Künftig sind alle Abtretungsausschlüsse, die Unternehmen in ihren AGB für Geldansprüche von Verbrauchern vorsehen, unwirksam. Dies soll auch für andere Ansprüche und Rechte des Verbrauchers gelten, wenn der Unternehmer kein schützenswertes Interesse hat oder das berechtigte Interesse des Verbrauchers überwiegt. Diese neuen Regelungen können sich z.B. auf Abtretungsverbote von Gewährleistungsansprüchen auswirken. Unternehmer sollten ihre AGB dazu prüfen lassen.
Fazit:
Bereits in diesem ersten Teil wird deutlich, dass der Gesetzgeber neue Regelungen mit viel Änderungsbedarf auf den Weg gebracht hat.
Zudem wird es ein neues Gewährleistungsrecht zu Waren mit digitalen Elementen wie Handys oder Laptops mit dem neuen Recht auf Aktualisierung und Ansprüche bei der Bezahlung mit Daten geben und zudem sind neue Informationspflichten für Plattformen vorgesehen und das Widerrufsrecht erfährt ab 22.05.2022 Änderungen. Darüber lesen Sie in den kommenden Ausgaben mehr.
Rolf Becker
ÜBER DEN AUTOR
Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER in Köln und Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC CLUB kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Online-Handel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.
RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker
Er ist auch Autor auf den Informationsdiensten www.versandhandelsrecht.de.
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