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24. April 2025

Die Einführung neuer US-Zölle verändert den außenwirtschaftlichen Rahmen für viele Unternehmen gravierend. Welche juristischen Stellschrauben Unternehmen jetzt kennen sollten, erläutert ECC CLUB Mitglied Rechtsanwalt Rolf Becker.

Mit Wirkung zum 5. April 2025 wird auf alle US-Einfuhren ein pauschaler Aufschlag von 10 % erhoben. Zudem bleiben die aktuell ausgesetzten zusätzlichen 20 % Einfuhrabgaben für EU-Produkte als Damoklesschwert bestehen. Diese Entwicklungen markieren eine neue Etappe in der protektionistischen Handelspolitik der Vereinigten Staaten – mit spürbaren Folgen für deutsche Exporteure und Importeure. Auch wenn ein Moratorium für die zusätzlichen Zölle läuft, bleibt die Lage rechtlich und wirtschaftlich volatil. Unternehmen sind gut beraten, bestehende Vertragswerke auf Risiken zu überprüfen und notwendige Anpassungen vorzunehmen.

Zollkosten im Vertrag: Wer zahlt die Rechnung?

Ein Kernpunkt ist die Frage der Zollverantwortung. Diese wird im Außenhandel üblicherweise über Incoterms geregelt. Besonders risikobehaftet: der Incoterm „Delivered Duty Paid (DDP)“. Wer hier liefert, übernimmt die kompletten Einfuhrabgaben im Zielland – inklusive der neuen Zölle. Eine nachträgliche Umlage dieser Kosten auf den Abnehmer ist meist ausgeschlossen. Auch wenn DDP im US-Handel eher die Ausnahme ist, sollten Verträge mit gängigen Klauseln wie FCA oder EXW dennoch genau geprüft werden. Nicht selten fehlt es an Klarheit zur Risikoverteilung bei nachträglichen staatlichen Eingriffen.

Vertragliche Anpassungen: § 313 BGB greift nur selten

Verträge einseitig anzupassen oder zu kündigen, ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Der Weg über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB setzt Unvorhersehbarkeit und Unzumutbarkeit voraus – beides lässt sich bei US-Zollmaßnahmen kaum begründen. Hinzu kommt: Viele Lieferverträge enthalten Klauseln zur Preisbindung, Force Majeure oder Risikoübernahme, die eine Anpassung zusätzlich erschweren. Eine Entlastung kommt allenfalls bei existenzbedrohenden Kostensteigerungen in Betracht.

Force Majeure & Hardship – keine Garantie gegen neue Zollrisiken

Klauseln zur höheren Gewalt („Force Majeure“) oder wirtschaftlichen Unzumutbarkeit („Hardship“) entfalten nur dann rechtlichen Schutz, wenn sie präzise gefasst und ausdrücklich auf staatliche Maßnahmen wie etwa neue Zölle zugeschnitten sind. Allgemeine Formulierungen, die lediglich Naturkatastrophen, Krieg oder behördliche Verbote erfassen, greifen regelmäßig zu kurz. Ob Zollerhöhungen als solcher Fall gelten, hängt vom genauen Wortlaut ab. Falls etwa „behördliche Maßnahmen“ ausdrücklich genannt sind, kann eine interessengerechte Auslegung im Einzelfall zugunsten des Unternehmens erfolgen – ist jedoch keine verlässliche Basis für Risikoverlagerung.

Auch das UN-Kaufrecht (CISG) bietet hier keine einfache Lösung: Die relevanten Regelungen, insbesondere Art. 79 CISG, gewähren nur dann eine Haftungsbefreiung, wenn ein Ereignis außerhalb der Kontrolle der Vertragspartei liegt, bei Vertragsschluss unvorhersehbar war und auch durch zumutbare Maßnahmen nicht hätte vermieden oder überwunden werden können. Dies ist bei handels- oder zollpolitischen Entwicklungen – insbesondere im US-Kontakt – kaum darstellbar. Gerichte und Schiedsstellen sehen Zolländerungen im grenzüberschreitenden Handel regelmäßig als vorhersehbares Risiko an, das im Rahmen unternehmerischer Verantwortung zu bewältigen ist. Hinzu kommt: Gerade in US-Handelsverträgen wird das CISG häufig durch eine entsprechende Klausel ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst wenn es Anwendung findet, bleibt eine Entlastung nur im Ausnahmefall denkbar. Wer sich absichern will, muss gezielt formulieren.

Preisanpassung: Besser konkret als pauschal

Eine der praktikabelsten Möglichkeiten, um auf neue Zollabgaben flexibel reagieren zu können, sind klar geregelte Preisanpassungsklauseln. Diese können entweder automatische Preiskorrekturen vorsehen – etwa durch Aufschlagsformeln oder die Anbindung an externe Preisindizes – oder sie gewähren zumindest ein vertraglich verankertes Nachverhandlungsrecht. Entscheidend ist jedoch, dass der Anpassungsmechanismus konkret und verbindlich ausgestaltet ist. Nur dann lässt sich vermeiden, dass es bei Eintritt des Ereignisses zu Streit über die Reichweite oder Zulässigkeit der Preisanpassung kommt. Empfehlenswert sind Regelungen, wonach bei der Einführung neuer staatlicher Abgaben – wie Zöllen oder Einfuhrsteuern – ein prozentualer Aufschlag auf den vereinbarten Preis erfolgen darf. Alternativ kann das Unternehmen ein einseitiges Anpassungsrecht erhalten, verbunden mit der Verpflichtung, die Mehrbelastung anhand von Dokumenten wie Zollbescheiden oder Lieferantenrechnungen zu belegen.

Bei bloßen Nachverhandlungsrechten sollten Fristen (z. B. 30 Tage nach Bekanntwerden der Maßnahme) und konkrete Dokumentationsanforderungen vereinbart werden, um Missbrauch zu vermeiden und Transparenz zu schaffen. In der Beratungspraxis zeigt sich, dass solche Regelungen nicht nur rechtlich tragfähig sind, sondern auch die Geschäftsbeziehung mit internationalen Partnern stärken können – sofern sie fair und offen verhandelt wurden.

Lieferketten und Re-Export: Das zweite Risiko

Die Auswirkungen der US-Zölle beschränken sich nicht auf Unternehmen, die unmittelbar in die Vereinigten Staaten liefern. Auch in vorgelagerten Produktionsstufen können sich erhebliche Preissteigerungen ergeben – etwa, wenn Vorprodukte, Materialien oder Rohstoffe mit US-Ursprung in der Lieferkette verarbeitet werden. In solchen Fällen schlagen die zusätzlichen Abgaben indirekt auf Unternehmen durch, die selbst gar keine direkte Geschäftsbeziehung in die USA unterhalten. Hinzu kommt: Die komplexen Exportkontrollvorschriften der Vereinigten Staaten können auch dann zur Anwendung kommen, wenn in einem Produkt nur ein gewisser Anteil US-amerikanischer Komponenten enthalten ist. Dies gilt insbesondere für Re-Exporte in Drittstaaten. Die Schwellenwerte im US-Sanktionsrecht – etwa 25 % bei regulären und 10 % bei Embargoländern – gelten zwar nicht für Zölle, zeigen aber, wie genau Unternehmen Herkunftsanteile analysieren müssen, um rechtlich sauber zu agieren.

Ein weiterer Punkt: Die EU hat Gegenzölle auf bestimmte US-Produkte angekündigt, die gezielt einzelne Warengruppen treffen und im Rahmen der WTO abgestimmt werden. Auch wenn diese Maßnahmen vorerst ausgesetzt wurden, sollten Unternehmen wachsam bleiben und ihre Abhängigkeit von US-Komponenten und -Lieferanten kritisch hinterfragen. ECC-Clubmitglied Rechtsanwalt Rolf Becker empfiehlt: Wer Lieferketten strategisch anpasst, regionale Alternativen prüft und Transparenz über Ursprung und Zolllast seiner Produkte schafft, kann nicht nur Risiken minimieren, sondern sich im Wettbewerb unabhängiger und widerstandsfähiger aufstellen.

Fazit

Die neuen US-Zölle werfen lange Schatten – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch juristisch. Wer jetzt seine Lieferbeziehungen strategisch anpasst, kann rechtliche Fallstricke vermeiden und bleibt gegenüber Vertragspartnern verhandlungsstark.

ÜBER DEN AUTOR

Rechtsanwalt Rolf Becker war bis Ende 2023 Partner und Mitbegründer der Rechtsanwaltssozietät Wienke & Becker – Köln, die mit Ablauf des Jahres 2023 beendet wurde. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC CLUB kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.

Rechtsanwalt Becker auf X (ehemals Twitter): https://x.com/rolfbecker

PRESSEHINWEISE

Gerne dürfen Sie den Text von Herrn Becker redaktionell weiterverwenden. Bitte geben Sie hierbei die URL zum Rechtstipp sowie folgende Quelle an: RA Rolf Becker / ECC Rechtstipp. Bitte senden Sie ein Belegexemplar bzw. den Link zur Veröffentlichung an presse(at)ifhkoeln.de. Vielen Dank!

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