Anfang des Jahrtausends war das Internet zwar schon lange bekannt, aber noch lange nicht Gang und Gäbe im Alltag aller. Insbesondere in Handel und Industrie konzentrierte man sich doch immer noch auf analoge und vor allem bekannte Mittel und Wege. Seyfullah Alli, Geschäftsführer unseres ECC CLUB Mitgliedes Schwefisco, erzählt uns im ECC CLUB Interview von seinen ersten (frühen) Erfahrungen und Schritten in der Digitalisierung. Ein ehrlicher und persönlicher Erfahrungsbericht.
Lieber Herr Alli, erzählen Sie uns doch einmal, wann und wie Sie die ersten Unternehmungen im Bereich Digitalisierung begonnen haben?
Anfang 2001 war ich bereits ein Verfechter des Internets. Schnell stellte ich mir die Frage: Wie kann ich das World Wide Web für mein Geschäft nutzen? Ich fing an zu recherchieren und bin schnell auf eBay und Alibaba aufmerksam geworden. Nach wenigen Tagen der Überlegung entschloss ich mich: Ich möchte das Internet frühzeitig als Vertriebskanal nutzen.
Damit stieß ich erst einmal auf Unverständnis auf Seite von Lieferanten und Kunden. Die Begründung: Insbesondere technische Produkte seien zu erklärungsbedürftig, um sie über das Internet zu vermarkten. Dennoch: Voller Euphorie entwickelte ich ein Konzept, basierend auf dem traditionellen Vertrieb. Es wurde programmiert und im ersten Anlauf entstand „GTEM“ (Global Technical Equipment Market).
Wie ging es dann weiter?
Das Problem, was darauffolgte: Ich hatte keine Ahnung, wie ich GTEM vermarkten sollte. Mir fehlte es an Marketing Know-How, an Kapital, Manpower und und und … Ich stellte mir immer wieder die Frage, ob ich nicht doch zu früh dran wäre. Zwar entdeckte ich dann die sozialen Medien für mich, saß regelmäßig nach Feierabend mehrere Stunden am Rechner, um internationale Kontakte zu knüpfen. Mit dem Ergebnis: Nach drei Monaten konnte ich keinen einzigen Kontakt für GTEM gewinnen.
Der nächste Versuch: Foren. Zu dieser Zeit noch unheimlich beliebt im Internet. Ich startete ein Forum unter dem Namen „you & me“ und hatte nach kurzer Zeit über 400 User weltweit. Mein eigentliches Ziel – über GTEM Geschäfte abzuwickeln – blieb jedoch noch immer aus.
Inzwischen hatte ich also eine Menge Erfahrungen gemacht und ich entwickelte GTEM weiter. Es entstand „Distribuere“, mit neuem Design und auf das Wesentliche konzentriert. In diesem zweiten Anlauf versuchte ich dann, Fachleute und Händler aus der Industrie zu einer Partnerschaft zu bewegen, die den Wandel in die Digitalisierung anstrebte. Selbst Amazon war zu dieser Zeit bereits in Deutschland angekommen. Und dennoch blieb der Erfolg aus. Wut, Enttäuschung, Orientierungslosigkeit, Hilflosigkeit. Diese Gefühle begleiteten mich monatelang. Immer wieder habe ich mich gefragt „Was mache ich falsch?“.
Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück, vor allem mit den Erfahrungen und dem Wissen, das man aus dem letzten Coronajahr mitnehmen kann?
Internet und Digitalisierung waren und sind für mich immer die Zukunft. Die Frage, ob ich mit meinen Vorhaben von vor ca. 14 Jahren zu früh war, kann ich heute mit einem deutlichen „Nein!“ beantworten. Mein Unwissen, fehlendes Kapitel für Marketing, fehlendes Fachpersonal, fehlende wegweisende Anlaufstellen, blindes Vertrauen in Partner – das alles führte mich nur zu Erfahrungen, aber nicht zum gewünschten Erfolg.
Im Jahr 2020 haben wir durch die Pandemie gemerkt, dass Digitalisierung nicht mehr die Zukunft, sondern schon die Gegenwart ist. Für 2021 habe ich mir vorgenommen, aus den Lehren der Vergangenheit einen dritten Anlauf starten!