Es gibt Produktkategorien, bei denen eine kompetente Beratung unabdingbar ist. Doch grade online wird das Thema Kaufberatung oftmals noch vernachlässigt. Umfangreiche Produktportfolios und Filtermöglichkeiten überfordern Kund*innen zunehmend. Wir haben mit Lucas Kronibus, General Manager DACH bei Zoovu, über die Notwendigkeit und Möglichkeiten digitaler Kaufberatung gesprochen.
Die Vorteile des stationären Handels werden oftmals vor allem in der persönlichen Kaufberatung gesehen. Dabei bedarf doch gerade die unglaublich große Produktvielfalt beim Onlineshopping an Beratungshilfen für die Konsument*innen, oder?
Das ist richtig. Nicht nur in Zeiten von Covid-19 ist es relevanter denn je, Kund*innen auch digital gezielt zu beraten. Und doch besteht online noch ein großes Beratungsdefizit. Jeder kennt es: Anstatt der geführten Produktsuche und nötigen Beratung, die uns hilft, Kaufentscheidungen zu treffen, erwarten uns online meist nur ewige Produktlisten und überladene Filter mit technischen Produktspezifikationen.
Das Problem ist, dass Käufer*innen im Internet nicht nur eine größere Produktauswahl haben, auch die Komplexität der angebotenen Produkte und die Fülle an Informationen sind bzw. scheinen im Internet gleich um ein Vielfaches größer. Dabei wirken unterschiedliche psychologische Effekte, die sich negativ auf unseren Entscheidungsprozess auswirken und dazu führen, dass wir uns entweder nicht entscheiden, den Kauf auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschieben oder unter Umständen sogar das falsche Produkt wählen. Letzteres lässt dann natürlich die Retourenquoten in die Höhe schießen.
Kurz gesagt: Durch die fehlende Beratung geht online einiges an Umsatzpotenzial verloren. Daher ist es gerade im E-Commerce wichtig, Kund*innen selbst in den frühen Phasen des Entscheidungsprozesses proaktiv zu unterstützen. Händler und Marken haben mit der digitalen Produkt- bzw. Kaufberatung die Möglichkeit, sich durch ein einfaches Einkaufserlebnis von anderen Unternehmen abzugrenzen und Kund*innen in unterschiedlichen Phasen der Customer Journey von sich und den eigenen Produkten zu überzeugen. Darüber steigen nicht nur die Umsätze, auch die Wahrnehmung der Marke verbessert sich. Einfachheit und Schnelligkeit siegen heute einfach. Das gilt im B2C- genauso, wie im B2B-Bereich.
Wie kann man sich so einen digitalen Kaufberater vorstellen? Wer setzt diese Lösungen ein?
Ein Zoovu Kaufberater funktioniert nicht viel anders als die kompetente Beratung im stationären Handel. Wirklich gute Verkäufer*innen erkennen, wen sie vor sich haben, stellen die richtigen Fragen, reagieren auf ihr Gegenüber und die individuellen Bedürfnisse, geben die richtigen Hintergrundinformationen und führen ihn so zum passenden Produkt. Genau das macht ein digitaler Kaufberater auch, nur eben online - eingebunden in die Website bei der Marke oder beim Händler.
Es dauert Monate, manchmal Jahre, bis Verkäufer*innen im stationären Handel richtig gut darin sind, was sie tun. Es benötigt Schulungen, Trainings, tausende Verkaufsgespräche und ständiges Mitdenken und Lernen. Was nicht funktioniert machen Verkäufer*innen beim nächsten Mal anders. Online läuft das ganz ähnlich. Nur, dass hier ein digitaler Kaufberater zeitgleich tausende Konversationen durchführen kann, in verschiedenen Sprachen, mit den unterschiedlichsten Kunden, rund um die Uhr. Das eröffnet für Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, dieses Wissen auszuwerten und einzusetzen. Algorithmen und maschinelles Lernen helfen heute, Unmengen an “digitalen Verkaufsgesprächen” in Echtzeit auszuwerten und zu optimieren. Automatisiert verständlich aufbereitet entschlüsseln diese Daten zudem elementares Wissen über Kundengruppen, deren Bedürfnisse, Vorlieben und Trends.
Das Spektrum der Unternehmen, die heute bereits auf digitale Produktberatung oder ‘Conversational Search’ setzen ist sehr breit aufgestellt. Der Einsatz kann dabei ganz unterschiedlich sein. Sei es der kompetente Berater, der B2C-Kund*innenen bei der Wahl des richtigen Kühlschranks oder Akku-Schraubers unterstützt, oder ein Produktberater bzw. Produktkonfigurator im B2B-Bereich.
Ein Online-Beratungssystem basiert auf sauberen Produktdaten und -eigenschaften. Welche Rolle spielen diese und wie schätzt ihr die Wichtigkeit für Brands und Hersteller ein?
Produktdaten sind ganz klar die Achillesferse im E-Commerce. Oftmals scheitert die Umsetzung innovativer E-Commerce Projekte an fehlenden oder mangelhaften Produktdaten. Letztlich haben doch die wenigsten Kund*innen technische Spezifikationen im Kopf, wenn sie nach einem Produkt suchen. Das bedeutet, selbst mit einem perfekt gepflegten PIM - wenn es so etwas überhaupt gibt - kommt man dann nicht weit, wenn es darum geht kompetente Beratung online umzusetzen.
Auch hierbei setzen wir auf Maschinelles Lernen, das Produktdaten für Unternehmen automatisch anreichert und in konkrete Kundenbedürfnisse übersetzt. Das ist ein Prozess, der bei kompetenten Verkäufer*innen im stationären Handel automatisch im Gehirn passiert - also zu überlegen, wie die individuellen Bedürfnisse der Kund*innen mit den technischen Spezifikationen eines Produkts korrelieren.
Das hilft Unternehmen ihre digitalen Kaufberater ohne hohen manuellen Aufwand schneller aufzusetzen und in wenigen Tagen live zu bringen, selbst wenn die Produktdaten unvollständig sind.
Gerade in der aktuellen Coronakrise, die dazu führt, dass Konsument*innen verstärkt online einkaufen (müssen), spielt die digitale Beratung eine immer größere Rolle. Welche Erfahrungen habt ihr in den letzten 6 Wochen gemacht? Wo werden Beratungsleistungen online nun vermehrt genutzt?
Der Anstieg in der Nutzung digitaler Kaufberater hat selbst uns überrascht. So boomt natürlich gerade das Onlinegeschäft besonders in Kategorien rund um Homeoffice, Unterhaltung, Sport & Fitness, Drogerie, Haus & Garten, natürlich auch in Kaufberatern unserer Kunden. Auch die Nachfrage nach digitalen Beratungslösungen hat extrem zugenommen, sowohl von Marken als auch Händlern. Das Thema ist relevanter denn je.
Viel interessanter ist jedoch, dass simultan dazu auch die eigentliche Performance der digitalen Kaufberater bei unseren Kunden nochmal enorm zugenommen hat. So haben sich bei einigen unserer Kunden die Konvertierungsraten in den digitalen Kaufberatern sogar versechsfacht!
Gezwungenermaßen sind durch Corona auch viele Neukund*innen auf digitalen Kanälen unterwegs, die zuvor traditionell offline eingekauft haben und eine geringere Onlineaffinität haben. Auch diese muss man jetzt entsprechend abholen und beim Kauf unterstützen. Genau hier bieten digitale Kaufberater ein riesiges Potenzial. Wir erwarten, dass sich dieser Trend noch verstärken wird, da die aktuelle Situation langfristige Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten haben wird.
Wagen wir in der aktuellen Situation und dem Aufschwung des E-Commerce einen Blick in die Zukunft: Wie seht ihr die Zukunft des Guided Selling im Onlinebereich?
Auch wenn wir alle hoffen, dass sich der stationäre Handel erholt, kann nicht ignoriert werden, dass E-Commerce immer wichtiger wird. Viele Menschen kaufen, wie gesagt, jetzt zum ersten Mal online und sind auf gute Produktberatung angewiesen. Diese im Produktdschungel alleine zu lassen wäre ein fataler strategischer Fehler. Ich wage auch zu behaupten, dass es kaum Käufer*innen gibt, die ihre Zeit gerne damit verbringen, stundenlang durch Produktseiten zu blättern oder Produktdetailseiten zu studieren. Speziell Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollten sich auch oder gerade wegen der aktuellen Situation dem digitalen Fortschritt nicht verschließen. Der Onlinehandel muss sich auf die neuen Bedürfnisse der Konsument*innen einstellen und umdenken. Wir investieren daher viel in spannende Forschungs- und Innovationsprojekte, um unsere Lösung laufend an uns Menschen, unser Verhalten und unsere Bedürfnissen, die sich ja ständig weiterentwickeln, anzupassen. Aber unabhängig von der aktuellen Lage, sehen wir schon seit Jahren einen stetigen Anstieg der Unternehmen, die Guided Selling Lösungen einsetzen.
Wir freuen uns, dass ihr Teil des ECC-Clubs seid! Was hat euch zu eurer Clubmitgliedschaft bewegt?
Vielen Dank! Wir haben ehrlich gesagt nicht lange überlegen müssen. Das IFH und der ECC-Club bieten eine erstklassige Plattform, um schnell wertvolle Insights und Tipps zu erhalten. Als relativ neues Mitglied im ECC-Club erhoffen wir uns auch einen spannenden Austausch mit anderen Mitgliedern und freuen uns schon auf die Zeit nach Corona und ein persönliches Kennenlernen auf einer der zahlreichen ECC-Veranstaltungen.