Nicht erst seit der Digitalisierung sind Kund:innen im Handel König. Um den wachsenden Ansprüchen der Konsument:innen gerecht zu werden, müssen Händler und Hersteller mit der Zeit gehen, weiß Thorsten Desch, VP Software Central Europe bei Planet – Partner des ECC FORUM meets BE.INSIDE 2022. Warum "Connected Commerce" die Zukunft ist und ob wir alle zukünftig nur noch mit dem Handy bezahlen, erzählt er in unserem Interview.
Wie können Omni-Channel-Angebote das Einkaufserlebnis der Kund:innen steigern?
Die optimale Integration der verschiedenen Kanäle und Touchpoints wirkt sich nachhaltig positiv auf das Einkaufserlebnis der Kund:innen aus und wird in der Zukunft zur Commodity im Retail. Kund:innnen möchten während der Customer Journey selbständig entscheiden, wie sie mit dem Händler auf welchem Kanal zu welchem Zeitpunkt interagieren möchten – sei es zu Informationszwecken, zum Kauf, der Rückgabe oder der Inanspruchnahme von weiteren After-Sales-Services. Wenn Kund:innen erfahren, dass sie im Mittelpunkt aus Sicht des Händlers stehen und in einem Touchpoint nicht limitiert werden, steigert dies das Einkaufserlebnis und die Kundenzufriedenheit.
Ein Beispiel dazu: Eine Kund:in informiert sich im Online-Shop über einen Artikel und erhält die Information, dass dieser in der nahen gelegenen Filiale verfügbar ist. Sie reserviert den Artikel, um sich vor Ort den Artikel „in natura“ anzuschauen. In der Filiale hat der Verkaufsmitarbeiter mit einem intelligenten mPOS Device alle Daten zur Kaufhistorie und den Präferenzen der Kund:in verfügbar (Clienteling). Anhand derer kann die Kund:in optimal beraten und zu personalisierten Cross-Sell Käufen animiert werden – auch zu Produkten, die nicht in der Filiale verfügbar sind. Die Kund:in kann danach direkt bei dem Verkaufsmitarbeiter mit der hinterlegten Zahlungsmethode bezahlen und fühlt sich bestens aufgehoben – sie wurde individuell passend beraten und spart Zeit beim Checkout, da sie nicht zur stationären Kasse gehen und sich ggfs. in eine Warteschlange einreihen muss. Wir nennen das „Connected Commerce“.
Welche Herausforderungen stellen sich für die Händler und Hersteller bei der Etablierung einer Omni-Channel-Strategie?
Aus meiner Sicht ist die Vernetzung der diversen Kanäle in den letzten Jahren – nicht zuletzt durch die Corona Pandemie – deutlich vorangeschritten. Unsere gemeinsame Studie mit dem ECC KÖLN, die am 22. September erscheinen wird, zeigt, dass mittlerweile mehr als die Hälfte der Händler „Click & Collect“ Services anbieten. Das ist deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren und für viele ein erster Schritt Richtung Omni-Channel-Infrastruktur. In der gleichen Studie priorisiert die Mehrheit der befragten Händler die nahtlose Anbindung aller Vertriebskanäle an die IT Infrastruktur, wobei viele den Aufwand dafür mit „eher hoch“ oder „sehr hoch“ bewerten.
Ein Grund für diese Bewertung waren sicherlich die teilweise sehr aufwändigen Implementierungen von Order Management Systemen (OMS) als Basisplattform für Omni-Channel-Integrationen in der Vergangenheit. Häufig wurde dieses System eigenentwickelt oder auf Grundlage des bestehenden ERP-Systems umgesetzt – dieses wiederum wurde nie mit dem Ziel konzipiert, als Drehscheibe für kanalübergreifende Kundeninteraktionen zu fungieren. Diese Vorgehensweise führte zu aufwändigen Projekten und unflexiblen Ergebnissen in einer dynamischen Welt. Technologisch hat sich aber in den vergangenen Jahren viel getan und mittlerweile ist der Einsatz von modular aufgebauten, flexiblen und schnell zu integrierenden Order Management Systemen die Regel.
Natürlich existieren nicht nur technologische Herausforderungen. Ich halte es beispielsweise für extrem relevant, dass die Etablierung einer nachhaltigen Omni-Channel-Strategie vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung unterstützt und getrieben wird. Einer der Gründe dafür ist, dass sie als Teil der digitalen Transformation ausnahmslos alle Bereiche eines Handelsunternehmens betrifft und dies muss klar kommuniziert und gesteuert werden. Der Aufwand jedoch lohnt sich und die Kund:innen werden es dem Unternehmen mit Loyalität danken.
Haben die angebotenen (oder im Gegenteil nicht angebotenen) Zahlungsarten auch einen Effekt auf das Einkaufserlebnis?
Zahlungsarten und der komplette Zahlungsprozess sind ein sehr wichtiger Bestandteil des Einkaufserlebnisses und haben mit der Corona Pandemie noch mehr an Wert gewonnen. Die deutliche Zunahme an bargeldlosen Zahlungen im stationären Handel und das exponentielle Wachstum im E-Commerce haben dafür gesorgt, dass Kund:innen in diesem Bereich klare Erwartungen haben. Das Smartphone spielt hierbei eine sehr wichtige Rolle und damit auch die Relevanz an Digital Wallets und kontaktlosen Zahlungen (Apple Pay, Google Pay, Paypal etc). Die Leichtigkeit der Zahlungsabwicklung und die Auswahl an Zahlungsmitteln sind ein wichtiger Faktor in der heutigen Omni-Channel-Welt. Sie sind für den Einzelhandel wichtig, um Konversionsraten zu erhöhen und folglich den Umsatz zu steigern.
Bar, mit Karte oder mit dem Handy: Welche Veränderungen im Bereich der Zahlungsoptionen erwartest du in den nächsten 5 Jahren?
Ich glaube, dass sich der Trend der Zunahme an kontaktlosen Zahlungen fortführen wird. Junge Generationen werden in der Zukunft kaum mehr Bargeld nutzen und auch physische Karten werden immer weniger im Einsatz sein. Das Smartphone ist allgegenwärtig und führt dazu, dass Omni-Channel-Strategien und Check-Outs noch besser und einfacher gestaltet werden müssen. Kund:innen möchten beispielsweise immer weniger an stationären Kassen zahlen und somit wird im Zahlungsbereich die Trennung zwischen stationärem Handel und der Onlinewelt nach und nach verschwinden. Wenn man z. B. online via Rechnungskauf zahlt, erwarten Kunden das gleiche Erlebnis im stationären Handel. Auch Konzepte wie kassenlose Check-outs (beispielsweise Amazon Go, aber auch in Deutschland gibt es Piloten von namhaften Händlern) werden sich durchsetzen.
Die Vorfreude steigt: Nur noch eine Woche bis zum diesjährigen ECC FORUM, wo ihr als Partner vertreten seid. Worauf freust du dich am meisten?
Auf das Kölsch danach 😊 Spaß beiseite: Die Vorfreude ist tatsächlich riesig. Es ist mein erstes ECC FORUM seit 2019 und ich genoss schon immer die lockere Atmosphäre als Basis für einen ungezwungenen Austausch mit sehr kompetenten Personen aus dem Retail Sektor. Ich bin gespannt zu erfahren, was es an Neuigkeiten aus meinem Netzwerk und darüber hinaus gibt.