Momentan jagt eine Krise die nächste, sodass die Zeit der coronabedingten Lockdowns schon fast in Vergessenheit geraten ist. Allerdings hat das damals zwangsweise angepasste Konsumentenverhalten auch heute noch Einfluss. Christopher Henke, Agency Lead bei unserem ECC CLUB Mitglied Mollie, erklärt im Interview wie sich Händler auf das veränderte Kaufverhalten einstellen können.
Wie wirkt sich das veränderte Kaufverhalten während Lockdowns und Co. heute noch auf die Verbraucher:innen aus?
Während der Pandemie verlagerte sich der Konsum gezwungenermaßen in den digitalen Raum. Weil zum Beispiel Möbel- und Modegeschäfte und Elektronikfachhändler phasenweise geschlossen blieben, öffneten sich viele der eher traditionellen Konsumentinnen und Konsumenten dem Online-Kauferlebnis. Und einige stellten fest: Online-Shopping ist an vielen Stellen deutlich effizienter als der Gang ins Ladengeschäft, dem je nach Wohnort auch noch ein mehr oder weniger zeitintensiver Anfahrtsweg vorangeht. Der E-Commerce optimiert sich zeitgleich kontinuierlich; Online-Shops werden intuitiver und ansprechender und neue Features, wie individualisierter Kundensupport durch Chatbots oder One-Click Checkouts, runden das digitale Einkaufserlebnis ab.
Eine feste Präferenz, ausschließlich online respektive offline zu kaufen, gibt es heutzutage kaum noch. Stattdessen ist die Koexistenz beider Möglichkeiten für Käufer:innen entscheidend. Aber: Der E-Commerce hat durch die Pandemie definitiv an Aufschwung gewonnen. So bestätigte unsere Europäische E-Commerce Studie kürzlich, dass 35 Prozent der europaweit befragten Verbraucher jetzt mehr online kaufen als vor der Pandemie.
Was können Händler tun, um die potenziellen Käufer:innen auf ihren Onlineshop zu locken und was muss hier beachtet werden?
Gerade für kleinere Online-Händler gilt: Die Shops müssen sichtbar sein. Ein entsprechendes Investment in Search Engine Optimization (SEO) ist dringend empfohlen, um aus der Flut der Konkurrenz herauszustechen. Hinzu kommen gute Bewertungen und Rezensionen, die ein bedeutendes Maß an Vertrauenswürdigkeit signalisieren und in vielen Ländern das Zünglein an der Waage für den Online-Kauf darstellen. Im Marketing müssen Online-Händler entsprechend ihrer Gesamtstrategie und Zielgruppe die richtigen Maßnahmen ergreifen. Bereits mit kleinerem Budget können beispielsweise Social-Media-Kanäle betrieben und multiple Touchpoints geschaffen werden, um Interessierte dank spannendem Content bezüglich Unternehmen und Produkten zu wiederkehrenden Kund:innen zu machen. Stichwort Retention: Zwar ist Neukundengewinnung immer ein Thema, aber bereits gewonnene Kund:innen bei der Stange zu halten, ist im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld besonders wichtig. Spezielle, exklusive Deals können zum Beispiel via E-Mail-Marketing die Loyalität erhöhen.
Die Kaufabsicht alleine führt in vielen Fällen noch lange nicht zum Kaufabschluss. Was sind die Gründe für Kaufabbrüche und wie können diese verhindert werden?
Der Schlüssel zum Erfolg ist ein nahtloses Online-Kauferlebnis. Wenn alle Bedürfnisse der Zielgruppe beachtet werden, folgt dem initialen Kaufinteresse auch vermehrt der Kaufabschluss. Zu nennen sind hier neben dem Online-Marktplatz in der lokalen Sprache, einem konkurrenzfähigen Preis, kostengünstigem oder gar kostenlosem Versand und eventueller Retoure vor allem das Angebot an Bezahlmöglichkeiten. 88 Prozent der europäischen Konsumentinnen und Konsumenten geben nämlich an, sie würden von einem Kauf absehen, wenn die gewünschte Bezahlmethode nicht verfügbar ist.
Gibt es grundsätzlich unterschiedliche E-Commerce Trends in verschiedenen Ländern zu beobachten und was eint sie ggf.?
Um an meinen vorherigen Punkt anzuknüpfen: Über alle Märkte hinweg beobachten wir einen hohen Stellenwert für die Sicherheit beim Bezahlen und der eigenen Daten. Entsprechend wichtig sind positive und glaubhafte Rezensionen sowie unabhängige Siegel, beispielsweise von Trustpilot. Die anfänglich gesunde Skepsis gegenüber einem unbekannten Online-Shop kann dadurch genommen werden und das ungetrübte Shopping-Erlebnis kann beginnen. Zudem liegt, in diesen Zeiten wenig überraschend, ein besonderes Augenmerk auf den möglichen anfallenden Zusatzkosten. Neben einem Preis, der mindestens dem im Ladengeschäft entspricht, wünschen sich Konsument:innen europaweit günstige Versand- und Rückgabebedingungen.
Bei den favorisierten Bezahlmethoden zeigen die einzelnen Märkte dagegen große Diskrepanzen. Während in Deutschland Paypal, die Kreditkarte und der Rechnungskauf hoch im Kurs stehen, will die Mehrzahl der Niederländer über iDeal bezahlen. Britische Konsument:innen wollen, insbesondere bei ausländischen Online-Shops, auf Apple Pay zurückgreifen können. Auch die meistgekauften Artikelarten unterscheiden sich von Land zu Land: Die Deutschen, Niederländer und Briten kaufen online zum Beispiel viel Elektronik, bei den Österreichern sind Kleidungsstücke die am häufigsten bestellte Warenart. Wem diese marktspezifischen Eigenheiten bewusst sind, kann – auch als kleinerer Online-Händler – weit über die Landesgrenzen hinaus erfolgreich ein Geschäft aufbauen.