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20. August 2024

Der E-Commerce boomt weiterhin. Damit einhergehend hat auch das Retournieren von Waren an Beliebtheit gewonnen. Bei Online-Bestellungen ist es für viele Konsumentinnen und Konsumenten mittlerweile zur Gewohnheit geworden, Ware umzutauschen oder zurückzusenden. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Sei es, weil die Produkteigenschaften vor dem Online-Kauf schwer zu beurteilen sind oder die Darstellung gelegentlich vom Original abweicht oder in der Regel mehrere Exemplare/Größen gekauft werden. So ergab auch eine Analyse der Uni Bamberg aus dem Jahr 2021, dass fast ein Viertel aller Pakete zurückgeschickt werden.[1]

Grafik zur Statistik von Retouren im E-Commerce

Aufgrund der damit verbundenen Retourenkosten sowie den Umsatzeinbußen ist dieses Verhalten zu einer bleibenden Herausforderung für den Handel geworden. Aber auch die Kundinnen und Kunden leiden unter den steigenden Kosten für Retouren, wie beispielsweise durch erhöhte Versandgebühren oder kürzere Retourenzeitfenster.

Aktuelle Forschungsergebnisse von Lee und Morewedge (2023) konnten ein Phänomen dokumentieren, das als „Refund-Effect” (deutsch: „Rückerstattungseffekt“) bezeichnet wird. Dieses besagt, dass Konsumentinnen und Konsumenten Rückerstattungen psychologisch als Rückerhalt von ‚bereits verlorenem Geld‘ wahrnehmen. Damit verbunden ist es für sie folglich ‚weniger schmerzhaft‘, dieses Geld für mögliche andere Käufe auszugeben. Händler können sich dieses Phänomen zunutze machen und während des Rückgabeprozesses Cross-Selling-Strategien einsetzen. Denn durch ein strategisches Angebot ergänzender oder alternativer Produkte während des Rückerstattungsprozesses haben Händler die Möglichkeit, ihre Kundschaft zu weiteren Käufen zu motivieren. Der Refund-Effect ist für Händler nicht nur ein wirksames Instrument, um den wachsenden Herausforderungen im Zusammenhang mit Retouren erfolgreich zu begegnen, sondern auch um die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung zu erhöhen.

Wann können Händler vom Refund-Effekt profitieren und was ist dabei zu beachten?

  • Das Timing ist entscheidend. Wenn der ursprüngliche Kaufpreis bereits auf das Konto zurückerstattet wurde, ist es weniger wahrscheinlich, dass der Refund-Effect eintritt. Der Refund-Effect entsteht dadurch, dass Konsumenten das Geld als „verloren“ wahrnehmen und auch daran erinnert werden. Wenn erstattete Geldbeträge mit Geldbeträgen aus anderen Quellen vermischt werden, unterscheiden Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr zwischen den einzelnen Quellen. Um dem entgegenzuwirken, fragen Händler wie Amazon ihre Kundinnen und Kunden zunächst, ob diese ihre Rückerstattung in eine Gutschrift umwandeln möchten.
  • Bei „Try before you buy“-Käufen, bei denen die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht erwarten, dass sie für zurückgegebene Waren bezahlen müssen, ist es unwahrscheinlich, dass der Refund-Effect eintritt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Konsumentinnen und Konsumenten mehrere Größen eines Kleidungsstücks kaufen und schon vor dem Kauf wissen, dass sie nur ein Exemplar behalten werden. Denn damit der Refund-Effect eintritt, müssen die Konsumentinnen und Konsumenten im Vorfeld die Erwartung haben, die Produkte zu behalten.
  • Interessanterweise gilt der Refund-Effect kategorieübergreifend und wirkt daher beim Cross-Selling von Produkten derselben Kategorie wie auch beim Cross-Selling anderer Kategorien. Dies ist insbesondere für Händler relevant, die ein großes Sortiment anbieten. Auch das Up-Selling und das Austauschen von Waren sind beim Refund-Effekt möglich, wodurch ein zusätzliches Potential entsteht, Umsätze zu sichern, die andernfalls verloren wären.

Der Refund-Effect stellt somit für den Handel ein weiches Instrument bei Rückerstattungen dar, um Umsatzeinbußen zu kompensieren bzw. zu mildern. Denn durch härtere Instrumente wie die Erhöhung der Umtauschgebühren können Händler im schlimmsten Fall dauerhaft Kundschaft verlieren. Die Einführung von Retourenstrategien, die sich am Refund-Effect orientieren, können dagegen zu einer Verbesserung des Retourenerlebnisses führen und somit die Kundenbeziehung stärken und die langfristige Kundenbindung fördern. Dies bietet dem Handel letztlich auch die Möglichkeit, in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Marktumfeld erfolgreich zu sein.

Quelle: Lee, Chang-Yuan und Carey K. Morewedge (2023), “How Retailers Can Capitalize on the “Refund Effect”,” Harvard Business Review.

 

[1] Uni Bamberg, Forschungsgruppe Retourenmanagement: http://www.retourenforschung.de/info-ergebnisse-des-europaeischen-retourentachos-veroeffentlicht.html, befragt wurden 115 Händler in Deutschland und 411 in Europa insgesamt, Bezugsjahr: 2021. „Es konnte eine hochwertige Stichprobe gewonnen werden, in der zahlreiche umsatzstarke Händler vertreten sind, in: HDE Online-Monitor 2023, S. 28, online abrufbar unter: https://einzelhandel.de/images/attachments/article/2876/HDE_Online_Monitor_2023.pdf.

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