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Prof. Dr. Werner Reinartz, Direktor des Instituts für Handelsforschung, und Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH KÖLN vor der Universität zu Köln.

Prof. Dr. Werner Reinartz und Dr. Kai Hudetz vor der Universität zu Köln.

90 Jahre IFH KÖLN – das heißt nicht nur 90 Jahre Forschung zu Konsumentenverhalten und Absatzzahlen. Seit langer Zeit ist das IFH KÖLN auch starker Partner für Akteure im B2B-Bereich. Anlässlich des Jubiläums haben Prof. Dr. Werner Reinartz, Direktor des Instituts für Handelsforschung, und Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH KÖLN, über die aktuellen Herausforderungen für B2B-Geschäftsmodelle und die Schlüsselkompetenzen des Großhandels gesprochen. Die Inhalte haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

Werte jenseits des Preises schaffen

Kai Hudetz: Das Thema Preistransparenz im Internet hat auch im B2B-Bereich große Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle. Wenn nur ein Anbieter die häufig vorherrschende Preisintransparenz aufbricht, geraten alle weiteren Marktakteure unter Rechtfertigungsdruck. Deswegen glaube ich, dass der B2B-Bereich große Probleme bekommt, wenn er es nicht schafft, das Wertangebot zu verändern und ein Angebot über das reine Produkt hinaus zu schaffen.

Werner Reinartz: Richtig. Durch die Digitalisierung werden Produkt- und Preisinformationen für jeden jederzeit zugänglich. Im B2B-Bereich wurde diese Transparenz ja in der Vergangenheit geradezu vermieden. Hinzu kommt die Unterscheidung von Produkten für das B2B- und das B2C-Segment. Diese Einteilung weicht ebenfalls vermehrt auf.

Hudetz: Ja, die Vermischung von B2B- und B2C-Segment sehen wir zunehmend. So decken sich zum Beispiel Allround-Handwerksdienstleister im Baumarkt ein und greifen auf das gleiche Sortiment zurück wie die Endkonsumenten. Was das Thema Pricing angeht, ist die Branche allerdings aktuell noch recht ambivalent. Einkäufer wünschen sich einerseits einen offenen Katalogpreis als Referenzwert, möchten dann aber auf der anderen Seite ihren individuellen, rabattierten Preis erhalten. Und das am besten über alle Kanäle hinweg. Das heißt der Außendienstler muss den gleichen individuellen Preis anbieten wie der Onlineshop – das führt in der Praxis zu großen Schwierigkeiten.

Über das Thema Preis sollte sich langfristig auch niemand wirklich positionieren wollen. Aus meiner Sicht, muss die Customer Journey auch im B2B noch viel genauer unter die Lupe genommen werden. Der B2B-Bereich lebt ja von langfristigen, regelmäßigen Kundenbeziehungen. Da kommt die Branche nicht umhin – wie im B2C-Bereich – noch viel stärker aus der Kundenperspektive zu denken. Aktuell fragen sich noch zu viele Anbieter, wie sie ihren Vertrieb digitalisieren können, statt zu überlegen, wie sie mit Hilfe der Digitalisierung den Einkauf ihrer Kunden erleichtern und damit die Kundenbindung erhöhen können. Mehrwerte jenseits des Preises sind gefragt.

Reinartz: Das betrifft dann auch die Effizienz in der Abwicklung. Anbieter müssen ihren Kunden neue, ganzheitliche Lösungen bieten. Dienstleistungen rund um das Produkt an sich. Auch Vernetzung spielt dabei eine immer größere Rolle. Das Internet of Things (IoT) ist ja noch in den Kinderschuhen, bietet aber gerade im B2B-Bereich enormes Potenzial zur Prozessoptimierung und für die Schaffung neuer Angebote. Idealerweise werden die Austrittsbarrieren immer höher, weil Anbieter völlig neue Mehrwerte schaffen.

Hudetz: Dieses Umdenken im Geschäftsmodell „weg vom Produkt – hin zum Service“ ist ja auch an einigen Stellen bereits erkennbar. Bei Kopierern ist es schon gang und gäbe, nur für die genutzten Drucke oder Kopien zu zahlen. Auch im Automobilbereich ist Leasing absolut etabliert. Warum dann auch nicht pro Bohrloch bezahlen? Hilti macht es gerade vor.

Reinartz: Hilti geht ja auch in Sachen Flottenmanagement neue Wege und bietet Werkzeug und Maschinen nach Verbrauch an. Solche Systeminvestitionen müssen natürlich auch auf den Kunden übertragen werden können. Aber da sind wir wieder bei dem Thema Mehrwert.

Klassischer dreistufiger Vertrieb unter Druck – Services gefragt

Hudetz: Der klassische dreistufige Vertrieb steht ganz klar unter Druck. Auf der einen Seite sind vertikale Systeme schneller und besser darin, sich kanalübergreifend auf den Kunden auszurichten, auf der anderen Seite mischen neue Anbieter den Markt auf. Player und Plattformen wie zum Beispiel Contorion, SVH24, Zoro oder auch Amazon Business und Mercateo treten an, dem Großhandel Konkurrenz zu machen. Die Beschaffungsalternativen nehmen zu und der mehrstufige Vertrieb muss seine Daseinsberechtigung in beide Richtungen dokumentieren.

Auch in diesem Kontext ist das Wertangebot zentral. Nur Produkte von rechts nach links zu schieben reicht einfach nicht. Aber der Großhandel übernimmt ja häufig bereits jetzt weitaus mehr Funktionen: Ich denke da an Baustellen- oder mehrmals tägliche Werkstattbelieferungen. Auch die Kreditfunktion ist ein Thema. Der Großhandel muss seine Services herausstellen und ausbauen. Generell wird das reine Produkt ziemlich langweilig werden.

Reinartz: Hinzu kommt der Druck durch die Hersteller, die – natürlich abhängig vom Produkt – vermehrt den direkten Kundenzugang suchen. Der Konflikt ‚Wann bediene ich meinen Kunden direkt und wann beliefere ich weiterhin nur den treuen Großhandelspartner‘ muss intelligent gelöst werden. Am Ende werden alle großen Marken auch den direkten Kontakt zum Endkunden suchen müssen. Und dafür müssen sich die Anbieter rüsten. Die Kundenkommunikation bringt ja zum Beispiel völlig andere Anforderungen an ein CRM-System mit sich, als die Kommunikation mit wenigen Großhändlern. Und: Dafür müssen neue Fähigkeiten und das Wissen über die Kundenbedarfe aufgebaut werden.

Hudetz: Das ist ein ganz zentraler Punkt, der mit der Frage beginnt, wer eigentlich der Kunde ist. Wir stellen häufig in Gesprächen mit Herstellern fest, dass der Kunde aus aktueller Sicht derjenige ist, der beliefert wird. Der Verwendermodus ist noch abgeschaltet. Wenn man aber eins vom Amazon lernen kann, dann vom Endkunden her rückwärts zu denken. Es ergibt zum Beispiel aus keiner Perspektive wirklich Sinn, dringend benötigte Ersatzteile für eine Maschine erst an den Händler zu liefern, wo es sich der Kunde dann abholen muss.

Reinartz: Vom Kunden gedacht, sieht man bei BOSCH ganz gut. Die vertreiben ihre blauen Profiprodukte mittlerweile auch über Baumärkte – einfach, weil es immer mehr Kunden nachgefragt haben. Diese künstliche Separierung von einzelnen Produkten für einzelne Kanäle löst sich immer mehr auf.

Außendienst: Vom Verkäufer zum Problemlöser

Hudetz: Ohne den Außendienst werden die wenigsten B2B-Bereiche eine Onlineplattform nach vorne bringen können. Dafür ist aber ein strukturelles Umdenken notwendig. Das fängt schon damit an, dass neue Anreizsysteme benötigt werden, die kanalübergreifend funktionieren. Der Mehrwert, den Unternehmen ihren Kunden bieten, resultiert aus einem klaren Rollenverständnis der Kanäle. Für gewisse Produkte bietet der Außendienstler überhaupt keinen Mehrwert, für andere brauche ich Beratung und ein gewisses Servicelevel.

Reinartz: Gerade bei den zum Teil immer komplexer werdenden Produkten zum Beispiel im Baubereich oder wenn wir an Smart Home denken, braucht es vielleicht auch für den Handwerker Beratung oder Schulungen, die sich online nicht so leicht abbilden lassen. Die Rolle des Außendienstes wird sich in jedem Fall wandeln.  

Hudetz: Und die Rolle oder das Selbstverständnis des Handels – viele Hersteller, das sehen wir in unseren Befragungen, sind aktuell nicht zufrieden mit ihren Handelspartnern, weil die Beratung aus ihrer Sicht zu schlecht ist und innovative Produkte nicht ausreichend positioniert werden.
Grundsätzlich erfordert der digitale Wandel auch im B2B-Bereich häufig einen Wandel in der Unternehmenskultur. Unternehmen müssen sich von einer Produkt-Company zu einer kundenorientierten Company wandeln. Und das geht nur, wenn das Thema top-down gesteuert wird. Digitalisierung muss nicht nur von den Mitarbeitern, sondern vor allem von der Unternehmensspitze getrieben werden. Ein ‚immer so weiter‘ wird nicht funktionieren. Geschwindigkeit ist auch so ein Thema: Unternehmen müssen einfach mehr ausprobieren und große Themen in kleine Teile zerlegen. Einzelne Services zum Beispiel schneller einführen. Wenn diese funktionieren, mehr davon, wenn nicht, wieder abschaffen.

Forschung: Die Kunden besser verstehen

Hudetz: Für die Unternehmen ist es wichtig die Customer Journey besser zu verstehen. Auch Fragen wie ‚Wem gehört der Kunde?‘ oder ‚Wer ist überhaupt mein Kunde?‘ sind für viele Unternehmen noch zu klären. Forschungsthemen gibt es im B2B-Bereich noch genug. Allerdings müssen wir uns immer die einzelnen Unternehmen oder zumindest einzelne Branchen anschauen, um bestimmen zu können, welche Angebote für welche Zielgruppe zu welchem Preispunkt passend sind. Pauschale Studien machen im B2B-Sektor wenig Sinn.

Reinartz: Das spiegelt sich auch in den wissenschaftlichen Forschungsprojekten wider. Aktuell werden im B2B-Bereich spannende Fragen rund um Vertriebstätigkeit und Vertriebsmanagement unter dem Einfluss der Digitalisierung bearbeitet. Und welchen Einfluss hat der besser informierte Kunde auf die Kundenbeziehung? Es gibt eine Reihe an Forschungsfeldern, die noch detaillierter in den Blick genommen werden können. Aktuelle Forschungsschwerpunkte im B2B-Bereich sind die Rolle des Marketings bei Innovationen, der Einfluss der Digitalisierung auf das Beschaffungsverhalten und der Nutzen von Kundendaten zur Geschäftsoptimierung.

 

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