In den letzten 12 Monaten wurden weltweit drastische Veränderungen in unseren Wetterdaten beobachtet. Inwiefern diese Daten auch für Unternehmen einen Wert haben können, erzählt uns Thomas Michahelles, Business Development Lead Data Products bei unserem ECC CLUB Mitglied wetter.com, im Interview.
Welche Veränderungen habt ihr in euren Wetterdaten in den letzten 12 Monaten wahrgenommen?
Die Welt erlebt derzeit einen Sommer der Wetterextreme: Anhaltende Dürre, immer neue Hitzerekorde, Waldbrände, Starkregen und Flut sowie Stürme halten derzeit viele Länder in Atem. Auch in Deutschland war 2023 bisher ein Jahr der Extreme. Wir hatten einen sehr milden Winter, ein sehr nasses Frühjahr und einen Sommer, der zwischen Hitze- und Kälteperioden hin- und herschaukelte. Was zudem jeder einzelne von uns feststellt, ist die Zunahme der Starkwetter-Ereignisse mit zum Teil verheerenden Auswirkungen. Starkregen- und Hagelgewitter mit massiven Auswirkungen passieren häufiger – und auch viel lokaler.
Welchen Einfluss hat das Wetter auf den Menschen und das (Konsumenten)verhalten?
Es gibt fast keinen Bereich unseres Alltags, der nicht vom Wetter beeinflusst wird. Zum einen ist unsere Freizeitplanung sehr stark wetterabhängig. Bei schönem Wetter unternehmen wir mehr draußen und konsumieren dort auch mehr: Wir machen Tagesausflüge, gehen ins Schwimmbad und kaufen uns ein Eis. Unser Konsumverhalten basiert aber nicht nur darauf, wie das Wetter heute ist, sondern auch darauf, wie es in den letzten Tagen war und wie es in den kommenden Tagen sein wird. Eine neue Regenjacke kaufen wir beispielsweise erst, nachdem wir richtig nass geworden sind – oder wir füllen Wasser-Bestände im Keller auf, nachdem es ein heißes Wochenende gegeben hat. Unser Grill-Event planen wir dafür gerne 3 Tage im Voraus – wenn wir wissen, dass das Wetter gut wird.
Extreme Wetterlagen und Starkwetter-Ereignisse stellen unseren Alltag besonders auf den Kopf. Wir sagen Verabredungen ab, wenn ein Gewitter aufzieht. Züge fallen aus, Straßen überschwemmen. Bei solch lokalen Ereignissen geht es dann darum, sich und sein Hab & Gut zu schützen. Konsum entsteht hier zumeist im Nachgang, wenn beschädigte Gegenstände ersetzt werden müssen. Genau dieses Zusammenspiel aus Wetter, Zeit, Konsumverhalten und anderen Faktoren kann in innovative Datenlösungen übersetzt und so für Unternehmen nutzbar gemacht werden.
Den starken Einfluss von Wetter auf das Konsumverhalten sollten demnach auch Unternehmen im Blick haben. Kannst du Beispiele nennen, wie hier gewinnbringend reagiert werden kann?
Bei welchem Wetter welche Produkte nachgefragt werden ist ganz unterschiedlich. Aus Sicht von Unternehmen kann man sich auf stark verändernde Wetterlagen gut vorbereiten und so das Erfolgspotential optimieren.
Ein spannender Bereich fürist unter anderem das Advertising. Google-Kampagnen oder programmatische Kampagnen können vorbereitet und automatisch gestartet werden, wenn in einer Region eine bestimmte Wetterlage eintritt. So ist es beispielsweise für Unternehmen aus der Pharmaindustrie möglich, eine kombinierte programmatische Kampagne für ein Antiallergikum basierend auf einem Pollen-Targeting in nur den Städten auszuspielen, in denen der Pollen-Index einen gewissen Schwellwert überschreitet. Die Pollensaison 2023 ist wegen des nass-kalten Wetters stark verzögert gestartet – in dieser Zeit konnte das pollenbasierte Targeting dem Unternehmen eine reichweitenstarke Kommunikation bei gleichzeitig optimiertem Kostenaufwand ermöglichen, ganz unabhängig von Cookies.
Auch der Logistikbereich bietet hier großes Optimierungspotential in Bezug auf die aktuelle Wetterlage. Wenn Unternehmen um ihre Wettereffekte wissen, können sie die Produktion und auch die Personal-Disposition frühzeitig und automatisch an die aktuelle Wetterlage anpassen. Auch bei der Preisgestaltung spielt nicht nur das Wetter, sondern auch Faktoren wie der Pollenflug, die UV-Belastung oder der Schutz vor Unwettern eine immer größere Rolle in der Tagesplanung.
Inwiefern kann hier auch das Pricing für Unternehmen eine Rolle spielen?
Für viele Produkte sind Konsument:innen bei bestimmten Wetterlagen bereit, mehr zu bezahlen. Auch hier gilt: Das Wissen, dass eine solche Wetterlage kommt und dann die Preisbereitschaft unter den Kund:innen vorhanden ist, kann genutzt werden, um unter Umständen die Marge zu erhöhen.
Auf der anderen Seite können für eher Nachfrage-schwache Tage verkaufsfördernde Maßnahmen geplant werden, wie beispielsweise Gutscheine oder Rabatt-Aktionen. Einige Skigebiete bieten zum Beispiel schon günstigere Tagestickets an für Tage, für die das Wetter schlecht vorhergesagt ist. Und einigen Freizeitparks bieten für vorgebuchte Tickets eine Garantie gegen Regen an – sollte es am gebuchten Tag mehr als einen Schauer geben, kann man sein Ticket umtauschen.