Endlich wieder live und in Farbe anstoßen an der HandelBar! Wolfgang Kirsch, ehemaliger CEO von MediaMarktSaturn war zu Gast und hat im Gespräch mit Kai Hudetz bei einem Kaltgetränk nicht nur über seinen alten Arbeitgeber gesprochen, sondern die Consumer Electronics-Branche im Allgemeinen betrachtet und wie Händler in ständiger Konkurrenz mit Amazon sich abheben können.
Bei Amazon kauft unser Gast, der 25 Jahre lang bei MediaMarktSaturn war, allerdings auch hin und wieder ein „weil es einfach so schön einfach geht“, trotzdem ist er überzeugt, dass stationäre Geschäfte relevant bleiben werden (ab 7:00). Insbesondere Serviceleistungen müssen Händler vor Ort unbedingt optimieren, berichtet Kirsch von seinen eigenen Erfahrungen. Ansatzpunkt dafür könnten auch neue Trends wie zum Bespiel Smart Home-Konzepte sein – hier kann der stationäre Händler bei der Installation helfen (23:00).
Aber wie hebt man sich auf dem umkämpften Markt von anderen Anbietern ab (ab 9:00)? Es geht nicht immer darum, den günstigsten Preis anzubieten, mahnt Kirsch. Wenn eine kompetente Serviceleistung mit angeboten wird, sind viele Menschen auch bereit mehr zu zahlen. Und er warnt: Die Orientierung am günstigsten Preis – vermeintlich oft der Amazonpreis – sei gefährlich. Denn immer günstiger bedeutet gleichzeitig auch immer mehr Abstriche zu machen. Außerdem sind Preisstrukturen längst transparent, starke Abweichungen kann und sollte es kaum noch geben (27:00).
Learnings aus 25 Jahren MediaMarktSaturn
Lange Zeit war Wolfgang Kirsch bei dem CE-Riesen angestellt, wo er zum Ende für das gesamte operative Geschäft in Europa verantwortlich war – bis er 2018 ging. Was hätte besser laufen können?
Heute blickt er kritisch auf einige Entscheidungen, so zum Beispiel im Jahr 2007 den Onlineshop zu schließen (11:30) oder den Ansatz, mit immer größeren Ladenflächen gegen das Angebot im Netz bestehen zu wollen. Aber: Daraus konnte das Unternehmen sich wieder erholen, schließlich war MediaMarktSaturn 2018 der drittgrößte Onlinehändler aller Branchen, so Kirsch. Und selbst heute hängen viele andere Händler weitaus mehr hinterher als MediaMarktSaturn – eine Sichtweise, die Kirsch, der heute als freier Berater tätig ist, nun von außen hat. Er appelliert: „Es muss aufhören, sich permanent selber schlecht zu reden!“ (13:00)
Trotzdem gilt es zu erkennen, wann es Zeit für Neues ist. Man dürfe nicht zu lange an einem eingespielten Geschäftsmodell festhalten – und blickt damit auch auf die Lebensmittelbranche, wo Flink, Gorillas und Co immer mehr stärker wachsen, während die großen Lebensmittler hinterherhängen (17:00).
Ladenflächen anders anordnen
Dass der Standpunkt für den stationären Handel das A und O ist, ist nichts neues mehr. Dennoch gucken viele Filialisten zu wenig auf die Positionierung, so auch MediaMarktSaturn. Es gäbe nicht zu viel Flächen, so Kirsch, sie seien jedoch falsch angeordnet (30:00). In seinen Augen besser: Mehr kleinere Läden an verschiedenen Standorten, wo man auch nur schnell Ware abholen kann und Click und Collect somit bequem ausbauen kann.
Gewinner der Coronakrise?
Obwohl einige Studien der CE-Branche zu Beginn der Krise Verluste zuschrieben, kam es doch anders. Viele Konsument:innen deckten sich in der Krise neu ein. Und egal ob Fernseher oder Waschmaschine – diese Bedarfe sind nun gedeckt. Der Aufschwung in der Branche – und auch in anderen Branchen, die Coronagewinner waren – wird bald wieder zurückgehen, so die Prognose des Experten (ab 19:50).
Seine weitere Prognose lässt Wolfgang Kirsch in die Niederlande blicken, wo sich gerade Cool Blue am Markt einen Namen macht (39:20). Ein Wettbewerber mit einem „klugen Onlinesystem mit wenigen stationären Geschäften und einer sehr hohen Kundenorientierung“, den die deutsche CE-Branche im Auge behalten sollte – eine „anstrengende Zeit“ kann der Branche bevorstehen.
„Mache einen ganz großen Bogen um den stationären Handel“
Heute ist Wolfgang Krisch als Berater tätig und arbeitet viel mit Start-ups und Gründer:innen. Was rät er seinen Kundinnen und Kunden? Sollte man auch in den stationären Handel gehen? Ein klares Nein! (ab 42:50) Erst einmal gelte es – und zwar in jeder Branche – die Warenverfügbarkeit zu sichern und die Produkte über einen kleinen Onlineshop bekannt zu machen. Die großen stationären Händler kämen später von selbst. Und: Man muss wissen, was man kann und an welchen Punkten man um Hilfe fragen muss. Er selber hilft in jedem Fall wo er kann – und hat uns viele spannende Insights gewährt.