Zurück in den Hörsaal und sich einen Tag lang neuen Erkenntnissen der Handelsforschung und spannenden Praxis-Cases zum Thema Plattformen als Infrastruktur der Zukunft widmen – das ließen sich die über 200 Teilnehmer*innen unserer diesjährigen Faszination Handel nicht nehmen. Bereits zum 12. Mal fand am 03. September 2019 das Event der IFH-Förderer in den Räumlichkeiten der Universität zu Köln statt.
Das Thema in diesem Jahr: „Connecting Retail: Plattformen als Infrastruktur der Zukunft“. Dabei konnte die Veranstaltung, die vom Geschäftsführer der IFH KÖLN, Dr. Kai Hudetz moderiert wurde, nicht nur wieder mit hochkarätigen Speakern und Inhalten glänzen, sondern verzeichnete 2019 auch Rekord-Teilnehmerzahlen. Connecting Retail hieß es daher auch in den Netzwerkpausen, in denen Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Handel ausreichend Zeit für Austausch hatten. Sie konnten leider nicht dabei sein? Wir haben Ihnen den informativen Tag zusammengefasst.
Neues aus der Forschung: Plattformen als Gamechanger
Prof. Dr. Werner Reinartz, Direktor des IFH KÖLN, eröffnete das hochkarätige Fachprogramm der Faszination Handel 2019 mit einem Blick in die aktuelle IFH-Schwerpunktstudie „Gamechanger Plattformökonomie“. „Es gibt weniger echte Plattformen als wir denken, aber die, die es gibt, haben es in sich“ – so Reinartz zu Beginn. Warum das so ist und welche Konsequenzen sich einerseits aus den veränderten Marktverhältnissen und damit einhergehend aus dem veränderten Kundenverhalten ableiten lassen, wurde den Zuhörer*innen anschaulich vor Augen geführt. Für den Siegeszug der Plattformen komme der Digitalisierung eine Schlüsselrolle zu. Dabei werde das „Buzzword“ Plattform aber längst nicht immer richtig verstanden. Die differenzierte Betrachtung, die Reinartz in seinem Vortrag lieferte, ist also dringend nötig. Der Erfolg von Plattformen sei nicht zuletzt dem geschickten Nutzen von Marktmechanismen sowie der konsequenten Ausrichtung am Mehrwert für die Kund*innen geschuldet, so eine weitere Erkenntnis. Für die Praxis leitete Reinartz drei Handlungsoptionen ab: Innovation, Kooperation und Konfrontation. Welche Strategie dabei für welches Unternehmen am erfolgversprechendsten ist, müsse dabei individuell bewertet werden. Gute Nachrichten für den stationären Handel hatte Reinartz ebenfalls im Gepäck: In Sachen Emotionalität haben lineare Geschäftsmodelle (noch) die Nase vorn und können, wenn sie konsequent kundennah und problemlösungsorientiert ausgerichtet sind, bei den Kund*innen punkten.
Praxis-Insights: „Know your customers“
Mit Dr. Sebastian Gundel, Managing Director bei OBI next, und Dr. Markus Ackermann, Vorstand der Otto Group, standen zwei echte Handelsprofis auf der Bühne, die dem Publikum anhand vieler Unternehmens-Insights zeigten, wie echte Kundenzentrierung im Plattformzeitalter in der Praxis aussehen kann. Daten richtig zu nutzen und Kundenverhalten anhand von Daten besser verstehen und bestenfalls voraussagen zu können, spiele eine entscheidende Rolle für erfolgreiche Ansätze für mehr Customer Value, so Gundel in seinem Vortrag. Für OBI heißt das, idealerweise schon bei der Problemstellung eines Heimwerkerprojektes präsent zu sein. „Know your customers“, lautete daher eine seiner Kernbotschaften. Wie relevant es ist, die Kundenanforderungen genauestens zu kennen und künftige Anforderungen antizipieren zu können, betonte auch Markus Ackermann und stütze sich dabei auch auf Ergebnisse der gemeinsamen Studie von ECC KÖLN und OTTO „Handel mit der Zukunft“. Ein Ergebnis: Convenience schlägt Inspiration. Es gelte also genau zu bewerten, welches Geschäftsmodell entlang welcher Kundenbedürfnisse ausgebaut oder transformiert werden soll. Während OTTO mit AboutYou bereits erfolgreich mit einer Plattform am Markt aktiv ist, steckt der Handelsriese Otto.de aktuell mitten in der Transformation hin zu einem offenen Marktplatzmodell. Das Plattformen aber für OTTO keineswegs die einzige Antwort auf die veränderten Marktverhältnisse sind, zeigte Ackermann am Beispiel des bonprix Fashion Connect Stores. Auch lineare Geschäftsmodelle können laut Ackermann mit der Kenntnis von Kundenbedürfnissen und unter Einsatz digitaler Technologien strategisch gestärkt und erfolgreich positioniert werden. Damit waren beiden Vorträgen – so unterschiedlich die vorgestellten Ansätze und Branchen auch sind – vor allem zwei Sachen gemein: Ohne die richtigen Daten geht es nicht und Kundenbedürfnisse gehören ins Zentrum unternehmerischen Denkens.
„Daten sind das wettbewerbsrechtliche Thema schlechthin“
Weitere Impulse zu dem immensen Wert von Daten und den damit verbundenen regulatorischen Herausforderungen in der Plattformökonomie lieferte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Während öffentlich in jüngster Zeit neue rechtliche Entscheidungen zu Wettbewerbsbeschränkung im Fokus standen – Mundt verwies hierbei auf den gescheiterten Versuch des Bundeskartellamtes die Datensammlung von Facebook in Deutschland zu begrenzen – gehe es aktuell insbesondere darum „nicht zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist“ und schon früher Wege zu finden, wettbewerbsbeschränkend einzugreifen. Denn selbst wenn das Internet nicht nur für den Handel ganz selbstverständlich zum Alltag dazugehöre, sei es von regulatorischer Seite noch immer „wilder Westen“, so Mundt.
Faszination Handel 2020 – Sind Sie nächstes Jahr dabei?
Vier namhafte Speaker mit unterschiedlichsten Themen rund um Plattformen in der digitalisierten Handelswelt – die Faszination Handel 2019 hat einmal mehr bewiesen, wie gefragt hochwertiger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis ist und dass der Blick über den eigenen Tellerrad lohnt. Freuen Sie sich schon jetzt mit uns auf den 3. September 2020, wenn es wieder heißt: Faszination Handel!