Inkasso ist eher ein unliebsames Thema für Unternehmen, aber ein ebenso wichtiges. Im Interview erzählt uns Gina Lucia Göhring, Head of Key Account Management bei unserem ECC CLUB Mitglied coeo Inkasso, dass ein Inkassoprozess nicht automatisch zum Ende der Kundenbeziehung führt und was hier beachtet werden sollte.
Customer Happiness im Inkasso - das klingt zunächst paradox. Wie kann man mit einem geschickten Inkasso-Prozess Kundenzufriedenheit sicherstellen oder sogar fördern?
Das Thema Inkasso ist so alltäglich wie substanziell in der Wertschöpfungskette eines Händlers verankert. Durch die Beauftragung bei Zahlungsausfall wird ein Inkassounternehmen Teil des Kaufprozesses und der Kundenbeziehung zwischen Händler und Konsument:innen. Mithilfe von Technologien wie KI & Machine Learning sowie Erkenntnissen aus Behavioural Sciences und professioneller Datenanalyse ist es möglich, sich in die Position des Schuldners zu versetzen und so eine dynamische und kundenindividuelle Customer Journey für einen Payment- und Inkasso-Prozess zu entwickeln, der sich nahtlos in die Customer Journey des Händlers einfügt. Ziel ist die schnelle und einfache Begleichung der Forderung durch die Konsument:innen, bei allen Prozessen sollte er daher im Fokus des Handelns stehen. Erfolgreich sind wir dann, wenn der Konsument am Ende seines Inkassoverfahrens wieder ‘happy‘ ist. Daher müssen alle Prozesse auf maximale Convenience und Satisfaction ausgerichtet sein. Das wirkt sich positiv auf das eigene Unternehmen, das allgemeine Image der Branche und die Kundenbeziehung zwischen Konsument:innen und Händler aus. Im besten Fall ist modernes, kundenzentriertes Inkasso also eine Win-Win-Win Situation mit positiven Eindrücken auf allen Seiten.
Stichwort Datenanalyse & Machine Learning: Welche Möglichkeiten gibt es konkret, um Forderungsangelegenheiten noch effektiver zu lösen?
Durch den Einsatz von intelligenter Technologie können die Konsument:innen hinter der Forderung heute insgesamt noch besser ‘gesehen‘ werden. Sind ausreichend Daten vorhanden, kann der Inkassoprozess maximal kundenzentriert und digital gestaltet werden. Unter anderem kann der Kommunikationskanal und die Art der Ansprache ideal angepasst werden, sodass sich die die Zahlungschance signifikant erhöht. In nahezu allen Prozessen kann ein passgenauer Kontakt zu den Konsument:innen aufgebaut, Funktionen wie Zahlungsintervalle, Erinnerungen & Co. individuell eingestellt und die Experience insgesamt möglichst überzeugend gestaltet werden. Darüber hinaus kann moderne Technologie aufkommende Konsumentenanliegen kategorisieren und priorisieren. So kann auch ein Mitarbeitender noch effizienter arbeiten und ohne Umwege zielführend auf ein Anliegen eingehen, welches eine selbstlernende KI im besten Falle schon erkannt und eine Next Best Action vorgeschlagen hat. Insgesamt kann Konsument:innen durch den Einsatz verschiedenster Technologien in Kombination mit einem guten Datenpool sowie menschlicher Empathie und Expertise heute schneller, passgenauer und damit auch effektiver bei Forderungsangelegenheiten geholfen werden.
Und die Kundenbeziehung zwischen Konsument:innen und Händler wird dadurch nicht gefährdet?
Die Kundenbeziehung zwischen Konsument:innen und Händler bestand ja schon vor dem Inkassofall. Durch den Zahlungsausfall gibt es in der Regel bereits eine Störung dieser Kundenbeziehung. Im weiteren Verlauf ist das Inkassounternehmen nun eher in der Position, diesen ‘Bruch‘ geschickt aufzulösen und die gefährdete Kundenbeziehung auszugleichen. Das Inkassounternehmen sollte sich dementsprechend verpflichtend als integraler Teil dieser individuellen Customer Journey fühlen und im Mahnprozess so kundenorientiert handeln, dass die Konsument:innen ihre Forderungen schnell und vollumfänglich begleichen, sich aber weiterhin oder wieder als Kund:innen geschätzt fühlen. Diesen Balanceakt zur Zufriedenheit aller Parteien zu bewältigen, macht die Kunst eines guten Inkassounternehmens aus.