Das Metaverse bietet neue Spielfelder für das Marketing, neue Potenziale für Vertrieb und Verkauf sollen sich hier eröffnen. Klingt gut. Sehr gut sogar.
Aber auf dem Weg dahin sind einige Fragen zu klären, müssen einige Hürden genommen werden. Schon der Begriff des „Metaverse“ ist unscharf, ein gemeinsames geteiltes Verständnis fehlt. Auch sind Zugänge und Betreibermodelle unklar. Tragfähige Lösungen haben sich noch nicht herausgebildet und etabliert. Wir wollen versuchen, ein wenig aufzuklären. Oder zumindest offene Punkte einzukreisen und schärfer zu stellen. Wenden wir uns daher im Folgenden zwei Fragen zu, die sich auf Elementarkonstanten des Meta-Universums richten:
Wie kommt man überhaupt ins Metaverse?
„Ich bin drin!“, war ein Werbeslogan der 90er Jahre und sollte für den problemlosen Zugang zum Internet stehen. Die Älteren unter uns erinnern sich (Richtig, der junge Boris Becker war es). Jetzt, beim Thema Metaverse, stellt sich das Thema erneut. Wie gelangt man rein? Meist wird der Bewohner des Metaverse als VR-Brillenträger abgebildet und beschrieben. Das sieht futuristisch aus. Aber was sagen die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer dazu?
- Die VR-Brille, auf die der Meta-Konzern setzt, will aktuell eigentlich (noch) niemand. Auch AR-Anwendungen, die Apple und Snapchat präferieren, fallen durch. Im Bereich des Gaming ist das Brillen-Tragen bereits gelebte (allerdings bei weitem nicht die dominierende) Praxis. Für die Erkundung des Metaverse fehlen noch Anknüpfungspunkte - verfügbare Brillen (die Meta-Brille ist im deutschen Markt gar nicht erhältlich), erschwingliches Equipment, Nutzungserfahrungen und darüber gebildete Präferenzen. Es fehlt aktuell also an eigentlich Allem.
- Stattdessen knüpfen die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer an Bekanntem und Bewährtem an. Man präferiert den Laptop, aber auch den stationären PC, um ins Metaverse zu gelangen. Die Jüngeren, unter 30-Jährigen, setzen auf ihr Smartphone.
Was heißt das nun? Zunächst einmal zeigt sich: Das Metaverse und seine “neuen“ Technologien können nicht einfach durchgedrückt werden. Der Aufbau der Nutzerbasis muss bei haushaltsüblichen Geräten und Verwendungsmustern ansetzen. Auch im Meta-Konzern wird das gesehen. „Das Metaverse ist nicht nur VR“, lässt sich Vishal Shah, VP Metaverse bei Meta, vernehmen. Weiterhin soll der Zugang über bestehende Social-Media-Accounts, also hier über Facebook und Instagram-Konten, möglich sein. Social Media agiert dann als Wachstumsmotor für die Ausfaltung des Metaverse, für mehr Aufmerksamkeit, Engagement und Metaverse-Beteiligung.
Wer soll das Metaverse bzw. seine Galaxien und M-Welten betreiben?
Wir haben potenzielle Nutzende gefragt. Ihre Antworten sorgen für Überraschung und auch für lange Gesichter. Schauen wir mal:
- Fangen wir mit der Überraschung an, nämlich mit der Erstplatzierung von Google. Der Suchmaschinen-Konzern wird gewissermaßen als der große Organisator und Systematisierer des Internets eingeordnet. Das mag abstrahlen und für die Einschätzung sorgen, Google würde gewissermaßen den besten Zugang zum Metaverse bieten können.
- Auch Microsoft wird in der Pole Position gesehen. Wer mit Office das moderne Arbeiten und mit Teams die zeitgemäße berufliche Kommunikation ermöglicht (manche würden sagen: verhindert), der ist natürlicher Anwärter auf die Position „Metaverse-Betreiber“. So oder ähnlich mag mancher potenzielle Nutzende denken. Microsoft selbst jedenfalls sieht das so. Selbstbewusst wird in Redmond verkündet, das Metaverse sei schon da, Teams und Cloud-Lösungen seien ja gebrauchsfertig.
- Interessant ist, dass der Meta-Konzern eher abgeschlagen auf Rang drei rangiert. Meta wettet am meisten auf das Metaverse, bietet gewaltige Mannschaftsstärken auf, pumpt immense finanzielle Ressourcen hinein, bringt dadurch seinen Börsenkurs zum Einsturz und seine Betriebsergebnisse ins Schlingern – und der oder die potenzielle Nutzer:in sagt „Nein danke“ oder maximal „Vielleicht“. Das ist enttäuschend. So enttäuschend wie die Nutzerzahlen in Horizon Worlds.
- Auffallend ist, dass Gaming-Plattformen kaum als Metaverse-Betreiber gesehen werden. Denn hier findet vieles von dem bereits statt, was das Metaverse einmal bieten soll. Hier wird die VR-Brille aufgesetzt, hier kommen gewaltige Nutzerzahlen zusammen, hier ist eine überwältigende Entwicklungsdynamik anzutreffen. Und Roblox, einer der heißen Anwärter auf den Universums-Thron, denkt und entwickelt sich in Richtung Metaverse weiter. An vielen Nutzerinnen und Nutzern scheint das vorbeizurauschen.
Und was heißt das nun? Auch hier gilt: Das Metaverse wird im Kontext des bereits Bekannten vorgestellt. Ein ganz neuer Anbieter, ein Start-Up oder ein neuer Metaverse-Unternehmer, erscheint nicht am Wahrnehmungshorizont. Auch ein völlig unabhängiger Betrieb, ohne dominierenden Plattformbetreiber, eigentlich ja das Zielbild vieler Metaverse-Visionäre, findet keine Nutzer-Mehrheit. Manche glauben dran oder wünschen sich dies. Für den Rest ist die GAFA-Welt als Wahrnehmungsanker und Handlungskontext unhintergehbar, gesetzt.
Also …
Die Aufregung um das Metaverse ist groß. Es sind aber noch viel Aufklärungsarbeiten zu leisten und noch viel dicke Bretter zu bohren. Das Neue, Umwälzende, qualitativ Andere am Metaverse ist für den gemeinen Nutzer noch zu „hypothetisch“, wie Evan Spiegel, der Gründer von Snapchat, kürzlich kritisierte. Recht hat er.
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