Die Nachbestellung per Knopfdruck über den Amazon Dash Button ist seit wenigen Wochen passé. Dennoch will der Onlinegigant das schnelle Nachordern nicht gänzlich abschaffen, sondern sich künftig auf verwandte digitale Dienste fokussieren. Schließlich stoßen insbesondere automatisierte Bestellprozesse bei den Konsumenten auf Interesse. Wir haben mit Rechtsanwalt und ECC-Club-Mitglied Rolf Becker und Dr. Eva Stüber über das Thema gesprochen.
Automatisierte Bestellprozesse werden aller Voraussicht nach künftig weiter zunehmen und nach der bisherigen Erfahrung von softwaregestützten Einstellungsmöglichkeiten etwa über eine App begleitet sein. Doch entsprechen solche automatischen Bestellungen auch der Rechtslage?
Rolf Becker: Ich meine, dass dies auch unter Beachtung der geltenden Rechtslage funktionieren kann. Der Verbraucher muss aber bei der Einstellung durch einen Bestellprozess geleitet werden, der ihm Preise und Warenbeschaffenheitsinformationen sowie die kostenpflichtige Bestellung deutlich macht. Eine automatische Bestellung ist nichts anderes als eine „bedingte“ Bestellung. Liegen die Voraussetzungen der vom Kunden programmierten Bedingungen vor, wird die Bestellerklärung abgeschickt. Das kennt man etwa von den automatischen Bietprogrammen, die bei eBay populär waren. Auch Bestellerklärungen zur Bestellung mehrerer nacheinander folgender Sendungen von Produkten „auf Abruf“ sind nach meiner Auffassung denkbar. Der „Abruf“ erfolgt dann eben elektronisch. Die Fälligkeit der Zahlung wird auf den Abrufzeitpunkt bestimmt. Kann der Verbraucher z. B. einen Maximalpreis angeben, wäre selbst gegen eine künftige Preisänderung wenig einzuwenden, sofern ihm diese vor Auslösung der Bestellung deutlich gemacht wird. Das smarte Gerät könnte etwa bei einer Preisänderung diese signalisieren und eine Bestätigung (vielleicht via App) vor der Bestellung erforderlich machen, die wiederum die Kostenpflichtigkeit der Handlung erkennbar werden lässt.
Eva Stüber: Es ist essentiell, dass Unternehmen die Möglichkeit erhalten, solch zukunftsgerichtete Services wie automatisierte Bestellung auch ihren Kunden anzubieten – innerhalb der geltenden Rechtslage oder auch in zukünftigen Adaptionen. Es braucht einen Gestaltungsspielraum für den digitalen Raum, um den Konsumentenbedürfnissen gerecht zu werden. Convenience ist der starke Treiber im Konsumentenverhalten – gerade bei Gütern des täglichen Bedarfs, wenn mit geringem Involvement Produkte nachgekauft werden. Vor allem Personen mit höherem Einkommen sind technologisch gut ausgestattet und Zeit ist das knappe Gut. Händler können punkten, wenn der Einkauf einfach, schnell und bequem vonstattengeht. Durch die Integration einer App sind die Bestellprozesse auch gut transparent gestaltbar.
Wie sieht ein solcher Prozess dann rechtskonform umgesetzt bei Sprachassistenten aus?
Rolf Becker: Auch hierbei kann die Bestellung in der App oder im Internet entsprechend vorbereitet werden und der Abruf erfolgt im Dialog mit dem Sprachassistenten. Oder es kommt zu einem „echten Verkaufsgespräch“ in dessen Verlauf, der Verbraucher, wie bei einem Telefonverkauf, mit Alexa in einen Bestelldialog tritt, bei dem die notwendigen Informationen transportiert werden.
Warum soll Alexa nicht etwa auf die Aufforderung: „Alexa, ich möchte das Hundefutter ‚Pudelfreude‘“ bestellen“, fragen: „Soll ich eine Packung 500g Pudelfreude zum Preis von 3,99 Euro bei einem Grundpreis von 7,98 Euro in den Warenkorb legen? Die Lieferung erfolgt am Donnerstag, wenn du in den nächsten 5 Stunden bestellst." Kunde „Ja“. Alexa: „Möchtest du zuvor Informationen über die Inhaltsstoffe?“ Kunde „Nein“. Alexa: „Bei deiner Bestellung steht dir ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Details kannst du in der App unter ‚Widerrufsrecht‘ nachlesen oder dir von mir vorlesen lassen. Möchtest du von mir weitere Informationen dazu?“ Kunde: „Nein.“ Alexa: „Wenn Du jetzt kostenpflichtig bestellen möchtest, gib mir die von dir festgelegte vierstellige PIN an“.
Sie haben aber hierbei ein Produkt ausgewählt, das der Käufer bereits kannte.
Rolf Becker: Dieser von mir erfundene Dialog soll nur zeigen, worauf es ankommt. Natürlich kann das komplexer werden, wenn es um ein Produkt geht, bei dem der Käufer vertiefte Informationen benötigt. Hierbei wird es auf die Technik ankommen und darauf, ob diese in der Lage ist, spezifische Informationen mediengerecht zu übermitteln. Andere wichtige Dinge wurden ja auch bei der Einrichtung des Bestellvorgangs in der App vermittelt − wie etwa Datenschutzhinweise oder die Einrichtung und Bedeutung der PIN.
Eva Stüber: Der geschilderte Anwendungsfall trifft die Realität sehr gut: Konsumenten haben den Kauf alltäglicher Produkte bereits standardisiert, indem sie oft die gleichen Marken und Varianten kaufen. 87 Prozent der Konsumenten tun dies. Dennoch wird das Einkaufen von jedem Dritten als Zeitfresser gesehen, der durch Automatisierung beschleunigt werden kann. Unsere Studie mit SAP Customer Experience zeigt, dass beispielsweise Kaffee und Rasierklingeln ein großes Potenzial dafür bieten – da sowieso immer wieder das gleiche gekauft und auch der Technik zugetraut wird, dass diese Produkte zuverlässig geliefert werden.
Dieser Prozess kann natürlich je nach benötigter Information und Produkt kompliziert werden. Wie also können automatisierte Bestellungen funktionieren, wenn Konsumenten tiefergreifende Informationen zu einem Produkt benötigen?
Rolf Becker: Wenn dem Kunden das zu lange dauert oder zu umständlich wird, dann wechselt er für die erste Bestellung wahrscheinlich den Kanal. „Alexa, bitte Fortsetzung in der App“, heißt es dann vielleicht als Alternative. Rechtlich wird der Verkäufer nicht daran vorbeikommen, dem Kunden die notwendigen Informationen etwa nach Lebensmittelinformations-Verordnung anzubieten. Spannend ist dann die Frage, ob der Verbraucher darauf verzichten kann. Ich meine, das geht. Wenn ein Verbraucher AGB zum Lesen angeboten erhält oder Widerrufsbelehrungen und darüber hinwegklickt, dann verzichtet er ja auch. Wichtig erscheint mir in allen Fällen eine transparente Kommunikation und ein komplettes Informationsangebot. Vor allem auch bei einer Änderung von bekannten oder vorausgesetzten Details muss eine Information angeboten und gegebenenfalls eine Bestätigung des Kunden eingeholt werden. Der Sprachassistent fragt dann etwa: „Die Inhaltsstoffe haben sich seit der deiner letzten Bestellung geändert. Möchtest du weitere Informationen dazu?“. Bei einem Bestell-Button gibt es dann einen Warnhinweis, beispielsweise eine rote LED oder ähnliches, und die Bestellung kann erst ausgelöst werden, wenn zuvor in der App etwas bestätigt wurde (grüne LED). Das ist etwas umständlicher, aber eine solche kombinierte Vorgehensweise wird schon mit der Mehrfaktor-Authentifizierung gelernt. Wer als Verkäufer einen ungehinderten Bestellfluss will, der sollte dann eben wenig ändern.
Eva Stüber: Konsumenten sind es bereits heute gewohnt, je nach Informationsbedarf den für sie passenden Kanal auszuwählen. Dies wird auch bei automatisierten Bestellungen der Fall sein: Geht es um tiefgreifendere Informationen, wird sicherlich weiter auf Text und Bilder über Website und App zurückgegriffen statt per Sprache zu interagieren.
Allerdings gilt auch – Convenience hin oder her – Konsumenten möchten die Kontrolle über ihre Einkäufe behalten und flexibel auf unterschiedliche Gegebenheiten reagieren. Steht beispielsweise eine Familienfeier an, werden größere Mengen benötigt oder fährt die laktoseintolerante Tochter ins Ferienlager, werden die speziellen Lebensmittel für sie nicht benötigt. In solchen Fällen sollten Konsumenten einfach variieren können. Dies betrifft auch den Lieferzeitpunkt, der bei klassischen Onlinebestellungen oft der Knackpunkt ist. Die Lieferadresse und Bezahlmethode sollen hingegen aus der Voreinstellung, die einmalig gewählt wird, übernommen werden – hierbei bleiben die Präferenzen eher konstant. Übergeordnet gilt es also, die Systeme so zu gestalten, dass der Check-out zwar schnell, aber dennoch kontrollierbar abläuft.
Das Interesse der Konsumenten ist definitiv da, wenngleich es offenbar noch ein paar technische Knackpunkte gibt. Hat automatisiertes Bestellen aus Ihrer Sicht trotz dieser Herausforderungen Potenzial für die Zukunft?
Eva Stüber: Gerade für Personen mit höherem Einkommen, die auch technikbegeistert sind, ist Automatisierung die Zukunft: Automatisierte Bestellsysteme lösen für jeden zweiten Onliner ein Alltagsproblem. Insbesondere die hohe Convenience ist ein entscheidender Faktor, aber Sicherheitsbedenken und Angst vor Unkontrollierbarkeit zeigen die kritische Seite. Wie schnell sich die Relevanz entfaltet, hängt damit vom Angebot und dessen Ausgestaltung ab.
Sie möchten mehr erfahren?
Dann ist ein Blick in unseren Blogbeitrag „Conversational Everything – wie Alexa, Google und Siri den Handel verändern“ auf Grundlage unserer ECC-Studie „The future of voice – Sprachsteuerung als Chance im Handel“ in Zusammenarbeit mit SAP vielleicht spannend für Sie.
Im ECC-Rechtstipp kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.