Von der Schlachte, der historischen Uferpromenade, in Bremen direkt an die HandelBar: In dieser Woche begrüßt Kai Hudetz Dr. Dirk Kühling, Abteilungsleiter Wirtschaft der Bremener Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa, als Gast in unserem Podcast.
In dieser Position ist er zuständig für alle Fragen rund um Handel, Gewerbeentwicklung und Tourismus der Freien Hansestadt Bremen und weiß, welche Relevanz diese Themen vor allem seit Corona bekommen haben: So erreicht die Touristenstadt im Norden mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten aktuell erst wieder 60% – 70 % der Besucherfrequenzen, die sie vor Corona hatte (ab 04:30). Aber: Es geht bergauf, so hört er es von Handelstreibenden aus der Innenstadt. Allerdings hat die Pandemie viele innerstädtische Strukturen umgeschmissen und einen neuen Status quo gesetzt. So natürlich bei dem Thema Digitalisierung, aber auch bei neuen Arbeitsstrukturen und fehlenden täglichen Frequenzen durch Home Office anstatt die Arbeit im Büro im Einzugsbereich der Innenstadt. Und last but not least: Tourismus, insbesondere Geschäftsreisen, die vermehrt via Zoom, Skype und Co. stattfinden als in Städten vor Ort (ab 20:15).
„Wir müssen unsere Stadt zu einer Erlebnisstadt werden lassen“
Die Frage, wie man die Innenstadt attraktiver und vitaler gestalten kann, stellt man sich in Bremen allerdings nicht erst seit Corona. So hat Bremen bereits wiederholt an unserer Passantenbefragung „Vitale Innenstädte“ teilgenommen und konnte daraus wichtige Learnings für die Stadtentwicklung ziehen: Ambiente und Einzelhandelangebot sind Punkte, wo die Stadt noch Optimierungsbedarf hat – so die befragten Innenstadtbesucher:innen im Herbst letzten Jahres (ab 06:10).
Aber Dirk Kühling weiß auch: Um das Einzelhandelsangebot allein geht es in den Innenstädten schon lange nicht mehr. Das kann der E-Commerce heute genauso leisten. Vielmehr geht es darum, die Aufenthaltsqualität zu verbessern und den Städten durch Erlebnischarakter einen konkreten Mehrwert zu geben. So gilt es auch, konsumfreie Angebote zu schaffen, denn schließlich sollen „aus Gästen auch irgendwann Kunden werden“. (12:50)
„Wir müssen unsere Stärken stärken“
Um die richtigen Angebote weiter entwicklen zu können, gilt es erst einmal, seine Stadt richtig zu verstehen, so Kühling. Dazu müssen nicht nur alle Akteure – von Wirtschaftsförderung, über Stadtplanung bis hin zu Tourismus – mit einbezogen werden, sondern es muss vor allem dort angesetzt werden, wo die Stadt ihre individuellen Besonderheiten und Markenwerte hat (14:00). Denn: „Beliebig darf es nicht werden, sonst wird man unter all den Städten verschwinden“.
Austausch als A und O
Unter den coronabedingten Lockdowns der Innenstädte haben alle Städte stark gelitten. Umso wichtiger wurde es, sich untereinander auszutauschen. Aus diesem Grund ist Bremen auch Mitglied der vom IFH KÖLN mitgegründeten Initiative Die Stadtretter (16:50). Die Vorteile: Austausch, schnelle und ehrliche Antworten, Koordination und Unterstützung auf einer bundesweiten Plattform.
Leerstände meistern
Aber auch das unschöne Thema des Leerstandes wird für die Städte immer wichtiger. Deshalb ist Bremen auch Teil der „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“, einem Projekt vom IFH KÖLN im Auftrag vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, indem 15 Modellstädte eine neue digitale Plattform für ein vorausschauendes, proaktives Ansiedlungsmanagement schaffen (ab 30:30). Warum dieses Projekt so wichtig ist: Dort wo Leerstand auftritt, gehen auch verstärkt die Frequenzen zurück, womit sich die Problematik auf eine ganze Straße oder ein ganzes Viertel auswirkt. In der Hansestadt versucht man hier bereits durch kreative neue Ideen und Konzepte gegenzusteuern, wie unser Gast im Podcast erzählt (31:50).
„Eine Stadt verändert sich pro Jahr um 1 %“
Wir lassen unseren Experten aber, wie gewohnt, nicht gehen, ohne dass er eine eine Zukunftsperspektive abgibt. Veränderungen müssen zukünftig in den Städten schneller gehen, appelliert er. Anderenfalls könne nur schwer mit der Digitalisierung auf der Überholspur mitgehalten werden. Und er prognostiziert: „Die Post-Corona-City wird deutlich multifunktionaler werden als die Innenstädte die wir heute kennen“ (35:30).