Welche volkwirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung hat der Onlinehandel in Deutschland? Eine Frage, die nicht selten – vor allem vor dem Hintergrund der (vermeintlichen) Zerstörung traditioneller Handelsstrukturen – emotional und kontrovers diskutiert wird. Die aktuelle Studie „Wertschöpfung im Onlinehandel“ der IFH FÖRDERER untersucht, welchen Wertschöpfungsbeitrag der Onlinehandel tatsächlich leistet.
Der folgende Blogbeitrag geht detailliert auf die einzelnen Thesen der Studie ein und stellt die Kernergebnisse ausführlich vor. Wöchentlich kommt die Betrachtung einer neuen These hinzu.
1. Onlinehandel schafft Wertschöpfung2. Onlineshops der Multichannel-Händler stützen maßgeblich das Filialnetz der großen Filialisten3. Plattformen stützen kleinbetriebliche Fachhändler4. Onlinehandel ermöglicht kleinen Händlern globale Absatzmärkte zu erschließen5. Onlinehandel ist Innovationsmotor für die Handelsbranche6. Onlinehandel schafft Beschäftigung7. Onlinehandel deckt die Kundenbedürfnisse nach convenienter Versorgung8. Onlinehandel ist nachhaltig(er) als sein Ruf
1. Onlinehandel schafft Wertschöpfung
Wertschöpfung, also der Nettobeitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), ist damit der direkte Beitrag zur deutschen Wirtschaft. Es zeigt sich, dass in 2020 der B-to-C-Onlinehandel insgesamt rund 13,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung schafft, damit also einen Anteil von 12,7 Prozent an der Wertschöpfung des gesamten Einzelhandels hat. An dieser Onlinewertschöpfung hat der Multichannelhandel alleine einen Anteil von 45,8 Prozent, also rund sechs Milliarden Euro. Letzteres zeigt, dass der Onlinekanal mittlerweile fest im stationären Geschäft integriert ist. Die stationären Umsätze im Handel 2020 belaufen sich auf 578,2 Milliarden Euro und die Umsätze über Onlinekanäle auf 84,7 Milliarden Euro – das sind 12,8 Prozent vom Gesamtumsatz des Einzelhandels.
Der stationäre (Non-Food)-Fachhandel erreicht im Vergleich zum Einzelhandel gesamt als auch zum reinen Onlinehandel die höchste Wertschöpfungstiefe (24,7 % vom Umsatz). Zur gleichen Zeit partizipiert der stationäre (Non-Food)-Fachhandel auch weiterhin nur unterdurchschnittlich an der Onlinewertschöpfung.
Neben der direkten Wertschöpfung induziert der Onlinehandel natürlich auch eine indirekte Wertschöpfung in vor- und nachgelagerten Branchen. Auf der Ebene Hersteller/Erzeuger und Großhandel realisiert der Onlinehandel 2020 zusätzlich eine indirekte Wertschöpfung von 6,1 Milliarden Euro. Für den Bereich des Dienstleistungsgewerbes sind dies nochmals 9,4 Milliarden Euro, davon allein 56,8 Prozent im Bereich der Logistikdienstleistungen. Damit summiert sich die gesamte durch den Onlinehandel induzierte Wertschöpfung auf 28,6 Milliarden Euro – ein ganz erheblicher Beitrag zur Volkswirtschaft.
Darüber hinaus schaffen die Onlinehandelsaktivitäten Existenzen und Arbeitsplätze. Die Zahl der Onlinehändler wächst äußerst dynamisch, insbesondere in den letzten Jahren. Die Zuwachsrate hat sich alleine in den letzten beiden Jahren verdoppelt und die Zahl der Onlinehändler beläuft sich in 2020 nun auf 39.632 (von 22.279 in 2018).
Diese hohe Bedeutung wird auch aus Konsumentensicht gespiegelt. In einer repräsentativen Umfrage zur persönlichen Bedeutung des Onlinehandels gaben 77 Prozent (Top 2 Box) an, dass der Onlinehandel eine große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft habe. Darüber hinaus stimmten 80 Prozent der Aussage zu, dass der Onlinehandel gerade im Corona-Lockdown seine Stärken demonstrieren konnte.
Damit zeigt sich, dass der Einzelhandel über das Internet mittlerweile fest etabliert ist und aus dem wirtschaftlichen Gefüge kaum mehr wegzudenken ist. Der E-Commerce ist damit zur festen Säule in der Wirtschaft und in der Handelsbranche geworden.
2. Onlineshops der Multichannel-Händler stützen maßgeblich das Filialnetz der großen Filialisten
In den Nonfood-Branchen ist der Multi-Channel-Handel mittlerweile die wichtigste Vertriebsform im Einzelhandel, das Wachstum ist 2010-2019 mit einer CAGR von knapp zehn Prozent gewaltig. Ein knappes Drittel (32,7 %) der Händler hat auch 2020 (noch) keinen eigenen Onlineshop. Dieser Prozentsatz lag in 2010 bei 53,9 Prozent. Im Vergleich dazu verfolgten 52,6 Prozent der Händler eine Multi- Channel-Strategie. 2020 muss allerdings auch der Multi-Channel-Handel nach unseren Hochrechnungen Umsatzeinbußen hinnehmen, da er mit wenigen Ausnahmen vom Shutdown betroffen war. Zwar greifen innerhalb der Unternehmen Verlagerungen der Umsätze in den Onlinehandel, diese reichen aber vielfach nicht aus, um die stationären Umsatzverluste aufzufangen.
Interessant ist die Dynamik der Umsatzentwicklung in den verschiedenen Kanälen. Bei den Top 15 Multi-Channel-Händlern (siehe Abb.) war bis 2016 der stationäre Kanal der Haupttreiber des Umsatzwachstums. Zwar brachte das Onlinegeschäft ebenfalls Umsatzwachstum aber doch in deutlich geringerem Maße. Diese Situation hat sich seit 2017 gedreht. Ab dem Jahr sind die stationären Umsatzzuwächse deutlich negativ während der Onlinekanal quasi im Alleingang den gesamten Umsatzzuwachs trägt. Teil des Problems im stationären Geschäft sind natürlich die Frequenzverluste.
Die Entwicklung während der Pandemie verstärkt diesen Effekt und dies wird auch von Seiten der Konsument:innen bestätigt. Rund 68 Prozent der für die Studie befragten geben an, dass sie im Lockdown Produkte online bestellt haben, um die anschließend im Laden vor Ort abzuholen (Click & Collect). Rund 38 Prozent bestätigen, dass sie ohne den Onlinehandel im Lockdown weniger gekauft hätten. Insofern wird deutlich, dass der Onlinehandel zur maßgeblichen Stütze des Filialnetzes der Multichannel-Händler geworden ist.
Auch die von uns befragten Expertinnen und Experten sind sich überwiegend einig, dass der Onlineshop mittlerweile ein ganz zentraler Bestandteil des Geschäftes der Multichannel-Händler ist. Dabei kommen den Filialen zunehmend andere, wichtige Funktionen im Kundendialog zu. So findet Mark Sievers (Partner, Deal Advisory, KPMG AG) dass, der Multikanalhändler, gezeigt habe, das Kanalintegration dem rein stationären Handel überlegen sei. "So hat der Multichannelist über seinen Onlinekanal dem stationären Absatzkanal geholfen und zum Beispiel in Kombination von Onlinebestellung und stationärer Abholung und Versorgung (Click & Meet) oder auch Service (Reparaturannahme) schlimmere Auswirkungen gemindert."
Die Pandemie hat ebenfalls eindrücklich gezeigt, dass vor allem Händler erfolgreich sind, die "digital vorgesorgt" haben. Da für viele eine kurzfristige technische und organisatorische Umstellung kaum möglich ist, wurden effektiv diejenigen Unternehmen belohnt, die diese Transformation schon durchlaufen haben.
3. Plattformen stützen kleinbetriebliche Fachhändler
Marktplätze verändern die Strukturen im Onlinehandel signifikant und sind nach wie vor von hoher Bedeutung. Marktplatzunternehmen wie Amazon, Zalando und eBay haben die Wertschöpfungsketten im Handel bereits massiv beeinflusst. Etablierte Unternehmen wie Otto, Douglas und Fressnapf springen mit großen Investments auf den fahrenden Zug auf. Im Jahr 2019 entfielen allein 29 Prozent der Onlineumsätze auf den Amazon Marketplace (19 Prozent zusätzlich auf das Eigengeschäft) und weitere neun Prozent auf andere Marktplätze, das sind neben eBay, Zalando, About You, Otto oder Douglas. Dabei ist die Bedeutung des Marktplatzes für Amazon deutlich gewachsen und übersteigt längst das Eigengeschäft. Im Coronajahr 2020 realisierten auch Marktplätze einen Wachstumssprung. Hochrechnungen des IFH KÖLN gehen von einer deutlichen Steigerung der Marktanteile allein für Amazon auf 33 bis 34 Prozent aus.
In den letzten Jahren steigen immer mehr kleinere Anbieter, häufig eher Sortimentsspezialisten oder „Category Killer“ in das Geschäft ein und werden zu „Marktplätzen“. So zum Beispiel Manomano im Heimwerkerbereich, die The Platform Group (schuhe24, taschen24, u. a.) oder Fressnapf für die Heimtierbranche. Immer mit dem Ziel, eine ganze Bedürfniskategorie der Kundinnen und Kunden abzubilden und erste Anlaufstelle für ein breites und tiefes Kategoriesortiment zu werden.
Daneben bieten Marktplätze gerade kleineren Händlern einen Onlinehebel und die Zahl der Händler, die auf Marktplätzen präsent sind, wächst nicht nur deutlich, sondern übersteigt längst die Zahl der Händler mit eigenem Onlineshop.
Marktplätze bieten eine fertige technische Infrastruktur und Zugang zu einer großen Kundenbasis – was aus Sicht eines kleinen Händlers natürlich extrem vorteilhaft ist. Diese Attraktivität ist in unseren Zahlen nachzuzeichnen. So verkaufen im Jahr 2020 45 Prozent aller Händler online aber „nur“ 28 Prozent über den eigenen Onlineshop. Marktplätze sind die erste Anlaufstelle für einen Händler, bevor in eine eigene technische Infrastruktur investiert wird. Dies sieht auch Christoph Eltze, Bereichsvorstand Digital, Customer & Analytics, bei der REWE so: „Es wird für kleinere Händler wahrscheinlich sehr schwierig mittelfristig komplett um Plattformen herum zu kommen.“
Die aus Kundensicht hochattraktiven (großen) Marktplätze sind, möchte man Zugang zu vielen Konsumentinnen und Konsumenten haben, kaum zu vermeiden. Dabei ist die Nutzung von Marktplätzen nicht ohne Herausforderungen. Die leichte Vergleichbarkeit der Produkte führt zu einem starken Preisfokus. Hinzu kommt, dass identische (Marken)Produkte von vielen Anbietern online angeboten werden, was wiederum den Preiswettbewerb fördert. Eine Differenzierung des eigenen Handelsprofils fällt da schwer. Und last but not least zieht es immer mehr Hersteller auf die Marktplätze um dort im Rahmen ihrer Direct-to-Consumer-Strategie tätig zu werden. Die Einzelhandelsstufe wird umgangen. Dies bestätigt auch Dr. Stephan Zoll, CEO SIGNA Sports United: „Ich glaube, dass die großen Marken versuchen werden, das Geschäft auf den großen Marktplätzen auch selbst zu betreiben – da sind die kleinen, nicht spezialisierten Händler dann weniger relevant.“
Am Ende des Tages bleibt es für Händler zwischen Vor- und Nachteilen der einzelnen Plattformen abzuwägen: potenziell hohe Volumina versus Markttransparenz und Preiswettbewerb. Die Differenzierung über das Sortiment (Stichwort Eigenmarke) ist hier einer der Schlüssel zum Erfolg.
4. Onlinehandel ermöglicht kleinen Händlern globale Absatzmärkte zu erschließen
Der Einzelhandel erzielt zunehmende Umsätze mit dem Ausland. Der Hebel für den Export ist die Digitalisierung.
Die vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der Umsatzsteuerstatistik ausgewiesenen Exportquoten der einzelnen Handelsbranchen liegen in der Bandbreite von einem bis 15 Prozent. Die Exportquoten sind insbesondere bei den Handelszweigen des Nonfood-Fachhandels, allen voran des Einzelhandels mit Lederwaren, Reisegepäck oder Kunstgegenständen, Antiquitäten, medizinischen Gegenstände aber auch Textilien überdurchschnittlich hoch. Diese Umsätze werden stark durch den Onlinehandel ermöglicht. Analog zur Umsatzentwicklung liegt das Exportwachstum des institutionellen Online- und Versandhandels (Pure-Play) allein 2010 bis 2020 bei 126 Prozent und hat sich damit mehr als verdoppelt.
Die Plattform Amazon ist dabei kein unwichtiger Hebel. So gibt Dr. Markus Schöberl, Director Seller Services Germany bei Amazon, bekannt, dass im Jahr 2018 kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die über Amazon verkaufen, 2,5 Milliarden Euro Umsatz mit dem Ausland erzielten – 20 Prozent mehr als 2017.
Natürlich ist das Verkaufen ins Ausland kein Selbstläufer: So wurden in den Experteninterviews, die wir für die Studie geführt haben, beispielsweise wiederholt die Zollbestimmungen, sprachliche Barrieren und rechtliche Fragen als Hürden zitiert. Ebenso fürchten wohl viele Händler die Konkurrenz im internationalen Umfeld. Auf der anderen Seite sei das Verkaufen innerhalb der EU weitestgehend standardisierbar. Ebenso böte das Verkaufen in Grenzgebieten Vorteile durch kurze Wege und mögliche Preisgefälle. Insbesondere sehen die Experten spezialisierte Nischenmärkte als attraktive Möglichkeiten an, einen schwungvollen Handel ins Ausland zu initiieren.
So resümiert Bastian Siebers, Vorsitzender der Geschäftsführung der babymarkt.de GmbH: „Der Onlinehandel bietet Vertriebsstrukturen, die direkt in der Lage sind nicht nur im kleinen begrenzten Markt anbieten zu können, sondern europaweit, vielleicht sogar weltweit. Das ist ein unbestrittener Mehrwert, der heutzutage durch diese Strukturen geboten werden kann.“
5. Onlinehandel ist Innovationsmotor für die Handelsbranche
Der Einzelhandel durchlebt im Zuge der Digitalisierung eine fundamentale Transformation. Der Strukturwandel im Handel vollzieht sich mit hoher Geschwindigkeit – Corona wirkt als Beschleuniger. Veränderte Angebotsformen bewirken eine Veränderung des Konsumentenverhaltens, vor allem die Ansprüche an Einfachheit und Schnelligkeit der Kauf- und Informationsprozesse verändern sich. Der Onlinehandel ist dabei Innovationstriebfeder in vielen Branchen und hat nicht nur in Puncto kundenzentriertes Denken einen Perspektivwechsel ausgelöst.
Die Innovationen die der Onlinehandel gebracht hat werden von den Konsumentinnen und Konsumenten als relevant und positiv wahrgenommen. Das Konsumentenverhalten ist aktuell noch stark von Convenience dominiert. Bei Shopping-relevanten Technologien stehen daher auch Convenience-getriebene Dienste – insbesondere in der Kauf- und Nachkaufphase – im Fokus. Live-Nachverfolgung und unkomplizierte Bezahlmethoden sind die mit Abstand am häufigsten genutzten Dienste, gefolgt von der Bildsuche, Expresskauf und Produktpersonalisierung.
Die für die Studie geführten Experteninterviews ergänzen diese Befragungsergebnisse um wichtige Facetten. Es überwiegt die Sichtweise, dass Innovationen im E-Commerce beginnen und sich von dort in andere Handelsbereiche ausbreiten. Dabei haben die Convenience-Vorteile des E-Commerce die Handelsbranche grundsätzlich verändert. Durch die entstandenen Convenience-Nachteile sind stationäre Händler zu Investitionen in Stores gezwungen, um das Erlebnis zu verbessern und damit Attraktivität (und Innovation) zu erhöhen. Die Digitalisierung als eigentlicher Treiber des E-Commerce führt zu neuen Produkten, neuen Arbeitsweisen und generell zu Innovationen. Social Media wird als weiterer Treiber für Innovationen gesehen.
Zu den Innovationshemmnissen der stationären Händler zählen nach Ansicht der Expertinnen und Experten die Struktur und der Organisationsaufbau der stationären Händler ebenso wie digitale Identität und die Innovationskultur. Wichtig sei für stationäre Händler die Bereitschaft zu zeigen, innovative Ansätze in bestehende Geschäftsmodelle integrieren zu wollen.
So resümiert Christoph Eltze, Bereichsvorstand Digital, Customer & Analytics der REWE Group: „Mit dem Onlinehandel schaffen Unternehmen natürlicherweise den Einstieg in digitale Themen. Digitale Innovationen kommen perspektivisch dann im traditionellen stationären Handel ganz genauso zum Einsatz.“
6. Onlinehandel schafft Beschäftigung
In puncto Beschäftigung und Arbeitsmarkt wird dem Onlinehandel häufig ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Zu Unrecht! Die Realität sieht anders aus.
Erstens, der Onlinehandel schafft in der Summe Arbeitsplätze. Das verdeutlichen die Beschäftigtenzahlen der Handelsstatistik des Statistischen Bundesamtes. Diese erfassen u. a. den Online-/ Versandhandel. Danach hat sich die Zahl der Beschäftigten im Online-/ Versandhandel um 142.000 (2010-2020 HR) erhöht. Weil der Zuwachs im gesamten Einzelhandel (d. h. inkl. Onlinehandel) nur knapp 93.000 beträgt, bedeutet das mit anderen Worten, dass der stationäre Handel tatsächlich Beschäftigte abgebaut hat.
Zweitens wird immer wieder diskutiert, dass der Onlinehandel tendenziell geringer qualifizierte Beschäftigte einsetze. Die Daten der Bundesagentur für Arbeit für 2020 verdeutlichen zwar, dass der Online-/ Versandhandel tatsächlich im Verhältnis zu seiner Gesamtbeschäftigtenzahl überdurchschnittlich viele Helfer (d. h. Personen ohne formale Ausbildung) beschäftigt, aber ebenso in einem überdurchschnittlich hohen Maß auch Spezialist:innen und Expert:innen (mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss). Der Onlinehandel beschäftigt überdurchschnittlich viele (im Vergleich zum Einzelhandel insgesamt) sozialversicherungspflichtig Beschäftige mit akademischem Abschluss. So sind insgesamt nur 6,7 Prozent aller im Einzelhandel Beschäftigten im Onlinehandel tätig, jedoch 19,6 Prozent aller im Einzelhandel tätigen Personen mit akademischem Abschluss. Das sieht auch Bastian Siebers, Vorsitzender der Geschäftsführung, babymarkt.de GmbH so: „Ich teile nicht die Auffassung, dass der Personalbedarf sich überwiegend aus „geringer“ qualifizierten Arbeitskräften rekrutiert. Bei einem Blick auf unser Unternehmen ist eher Gegenteiliges zu beobachten. Sicherlich ist festzustellen, dass wir im Service Center und in der Logistik Angestellte haben, die nicht zwingend einen akademischen Hintergrund haben. In den meisten anderen Berufsfeldern ist das Studium jedoch eher der Standard als die Ausnahme.“
Drittens ist der Onlinehandel unter anderem begehrter Arbeitgeber bei Studierenden und jungen Absolvent:innen der Wirtschaftswissenschaften. Dabei ist Amazon ist seit Jahren Top-Wunscharbeitgeber der Absolventinnen und Absolventen.
Viertens wird die These, dass der Onlinehandel Beschäftigung schafft von den befragten Expertinnen und Experten überwiegend bestätigt. Diese heben hervor, dass sich die Anforderungsprofile und Berufsbilder entsprechend ändern. So wachsen Meinung ihrer Meinung nach vor allem die Bereiche der hochqualifizierten Jobs (z. B. Data Analyst).
7. Onlinehandel deckt die Kundenbedürfnisse nach convenienter Versorgung
Onlinekäufe sind, nicht nur durch die COVID-19-bedingten Geschäftsschließungen, in den letzten Jahren immer populärer geworden. Laut Eurostat haben im letzten Jahr in Deutschland 87 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer online gekauft. Dies ist der EU-weit dritthöchste Wert und eine weitere Steigerung um fünf Prozentpunkte im Fünfjahresvergleich.
In unserer repräsentativen Umfrage schreiben Onlinekäufer:innen dem Onlinehandel dabei eine sehr hohe persönliche Bedeutung zu und geben mehrheitlich an, dass der Onlinehandel jederzeit (Top-2-Box: 83 Prozent) und überall (73 Prozent) für sie da sei.
Darüber hinaus sind 78 Prozent froh, dass es den Onlinehandel gibt, 62 Prozent können durch den Onlinehandel ihr Arbeits- und Privatleben besser vereinbaren und 57 Prozent können sich ein Leben ohne Bestellungen im Netz nicht vorstellen.
Auch haben wir die Nutzungsorte für Onlinekäufe (d. h. echte Transaktionen und nicht nur Informationssuche) abgefragt. Dabei zeigt sich, dass der Onlinehandel in fast alle Lebensbereiche vordringt. Naturgemäß wird die Mehrheit der Käufe vom Schreibtisch, Küchentisch oder vom Sofa aus getätigt. Allerdings zeigt sich die hohe persönliche Bedeutung auch dadurch, dass insbesondere 18-39-Jährige von fast überall, insbesondere auch unterwegs, online kaufen. Damit ist der Kauf als solches bei dieser Gruppe schon „mitten im Leben“ angekommen und verankert.
Auch die Anlässe für Onlinekäufe sind zunehmend diverser geworden. So waren diese lange Zeit meist eher bedarfsorientiert und zielgerichtet, während Inspiration und ungeplante Käufe eher dem Shoppen in Geschäften vorbehalten waren. Diese Unterscheidung verwässert heute zunehmend. Zwar dominieren online nach wie vor Zielkäufe: 90 Prozent der Onlinekäufer:innen kaufen mindestens monatlich geplant online. Darüber hinaus „stöbern“ 73 Prozent mindestens monatlich online. Im Vergleich dazu geht nur jede(r) zweite Deutsche mindestens einmal im Monat Shoppen bzw. Schaufensterbummeln.
Diese Entwicklungen werden auch von den interviewten Experten bestätigt. So sagt Michael Mette (stellvertretender Geschäftsführer, IKEA Deutschland GmbH & Co.KG): „Der Onlinehandel befriedigt die Kundenbedürfnisse nach convenienter Versorgung fantastisch.“
8. Onlinehandel ist nachhaltig(er) als sein Ruf
Die ökologische Auswirkung des Onlinehandels wird oft emotional und fast durchweg kontrovers diskutiert. Die überwiegende Wahrnehmung ist, dass der Onlinehandel als solches ein negatives ökologisches Image besitzt. Darüber hinaus ist die landläufige Meinung, dass der Onlinehandel einen größeren ökologischen Fußabdruck als der stationäre Handel hinterlasse. Diese Wahrnehmung spiegelt sich auch in unserer Konsumentenbefragung. Während 27 Prozent der Befragten glauben, dass der Onlinehandel eher nachhaltig ist, glauben 73 Prozent, dass dies nicht der Fall ist.
Ein genauerer Blick zeigt, dass der Fokus dabei meist auf einer singulären Betrachtung der Auslieferung auf der ‚letzten Meile‘ liegt. Bei einer vollständigen Betrachtung zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Unsere Analysen basieren auf einer umfassenden Sichtung der veröffentlichten quantitativen Studien zu dem Thema.
Wenn alle Handelsformate in den Blick genommen werden, ist festzustellen, dass in der gesamten Konsumgüterwertschöpfungskette (hier die Kategorien FMCG, Bücher und Elektronikprodukte) der Anteil der Handelsstufe an den CO2-Emissionen, im Vergleich zu Produktherstellung, Nutzung und Entsorgung, überschaubar (5 bis 22 Prozent der Gesamtemission) ist.
In den drei betrachteten Kategorien – FMCG, Bücher und Elektronikprodukte – verursacht der Onlinehandel durchweg deutlich geringere CO2-Emissionen. Dieser betragen circa zwischen 25 und 40 Prozent des stationären Handels. Basierend auf den ausgewerteten Studien ist damit der Onlinehandel ökologisch vorteilhafter. Interessanterweise sind diese Informationen über die tatsächliche Umweltbelastung augenscheinlich noch nicht bei den Konsumentinnen und Konsumenten angekommen.
Die Interviews mit den Expertinnen und Experten aus dem Handel spiegeln die sehr komplexe Thematik zu den Nachhaltigkeitsauswirkungen. Es zeigen sich sehr viele Facetten in der Diskussion. Insgesamt halten sich im Mittel Zustimmung zur und Ablehnung der These grundsätzlich die Waage. Eine abschließende Bewertung ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, jedoch zeigt sich klar, dass der Mythos vom umweltschädlichen Onlinehandel so nicht haltbar ist.
Darüber hinaus bemerken einige befragte Expert:innen, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit im Selbstverständnis der digitalen Unternehmen besser verankert sei – wobei dies durchaus mit der vergleichsweise jüngeren Kundschaft und Arbeitnehmerschaft zu tun habe. So meint Dr. Stephan Zoll (CEO SIGNA Sports United): „Ich glaube, dass viele Digitalunternehmen mittlerweile ein höheres Umweltbewusstsein haben. Nicht zuletzt, weil es der Konsument auch in der Digitalbranche mehr nachfragt und mehr wertschätzt.“
Fazit:
Insgesamt sind wir mit der Studie „Wertschöpfung im Onlinehandel“ ein sehr kontrovers diskutiertes und komplexes Thema angegangen. Die vielfältigen Reaktionen zeigen uns, wie wichtig die damit verbundene Diskussion ist. Mit der gebotenen Neutralität des Universitätsinstitutes haben wir die umfangreichen Analysen durchgeführt und die entsprechenden Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Nur durch die Unterstützung der Otto Group war es möglich, einen entsprechend umfassenden Untersuchungsansatz zu wählen, der der komplexen Materie gerecht wird. Wir freuen uns daher, eine weitere Grundlage zur fundierten und datenbasierten Diskussion zur Wertschöpfung in der Handelsbranche geliefert zu haben.