
In der digitalen Werbelandschaft ist Transparenz entscheidend, um Budgetverluste und Ad Fraud zu vermeiden. Alex Jentzsch, Co-Founder und Geschäftsführer bei unserem ECC CLUB Mitglied invendo, stellt im Interview die Herausforderungen und Lösungen der digitalen Werbe-Supply-Chain dar.
Warum ist es heutzutage so bedeutend, dass die digitale Werbe-Supply-Chain transparent ist?
Transparenz ist entscheidend, weil die digitale Werbelandschaft extrem fragmentiert ist, da unzählige Anbieter in verschiedenen Bereichen existieren – von Publishern über Measurement-Anbieter, Data-Provider, DMPs (Data Management Platforms) bis hin zu DSPs (Demand-Side-Plattformen) und weiteren Intermediären. Jeder dieser Akteure kann Einfluss auf die Kampagnenperformance haben und dabei zusätzliche Kosten verursachen.
Insofern droht hier der Kontrollverlust auf Seiten der Werbetreibenden im Hinblick auf ihre Budgets und die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen, wenn sie die gesamte Supply Chain – von der Kampagnenbuchung über die Zwischenhändler bis zur tatsächlichen Werbeausspielung – nicht klar sehen können. Dies kann dazu führen, dass ein beträchtlicher Teil des Budgets nicht an den Ort gelangt, an dem er den höchsten Werbewert erwirtschaftet. Außerdem erhöht sich die Gefahr von Ad Fraud, also betrügerischer Platzierung von Anzeigen, und undurchsichtiger Gebührenstruktur, die bei Zwischenhändlern häufig in verborgenen Margen entstehen. Wer die Verteilung seiner Werbeausgaben nicht genau kennt, kann weder die Leistung der Kampagne realistisch beurteilen noch Möglichkeiten zur Optimierung erkennen. Aus diesem Grund ist es für Firmen unverzichtbar, sich mit ihrer digitalen Werbelieferkette zu befassen und Maßnahmen zur Transparenz einzuführen.
Welche Maßnahmen kann ein Unternehmen ergreifen, um Transparenz zu gewährleisten?
Zur Gewährleistung einer Transparenz in der digitalen Werbe-Supply-Chain gibt es verschiedene wesentliche Methoden. Erstens ist es wichtig, dass Unternehmen die Plattformen um möglichst viele Rohdaten bitten und diese dann systematisch untersuchen. Zu diesem Zweck werden Impression-Logs, Click-Daten und Conversion-Pfade ausgewertet, um ein besseres Verständnis für die Funktionsweise der Algorithmen zu erlangen.
Zweitens trägt eine strukturierte Prüfung – zum Beispiel durch die gezielte Anwendung von Tracking-Parametern oder Splittests mit unterschiedlichen Budgetallokationen – dazu bei, festzustellen, welche Kanäle oder Zielgruppen den effektivsten Return on Investment bieten.
Drittens sollten Werbetreibende Technologien von Drittanbietern zur Ad-Verification und zur Supply-Path-Optimierung (SPO) verwenden. Diese Werkzeuge unterstützen bei der Aufdeckung des tatsächlichen Verlaufs einer Werbeanzeige im digitalen Ökosystem, der Aufdeckung versteckter Kosten und der Identifizierung betrügerischer Tätigkeiten. Unternehmen, die Geld in diese Aktionen stecken, können ihre Werbebudgets besser kontrollieren und ihre Kampagnen effektiver planen.
Was ist dann konkret bei der Nutzung von Werbetechnologie-Plattformen zu beachten?
Werbetreibende müssen sich bewusst machen, dass die Technologieanbieter und Werbeplattformen, und besonders Plattformen wie Google und Meta, primär auf ihre eigenen Geschäftsinteressen ausgerichtet sind und nicht automatisch die beste Lösung für den einzelnen Advertiser bieten. Daher ist es entscheidend, dass Unternehmen die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten und sich nicht ausschließlich auf die Reporting-Tools der Plattformen verlassen.
Datenhoheit bedeutet, dass alle verfügbaren Rohdaten – wie Impression-Logs, Click-Daten, Conversion-Pfade und Kostenstrukturen – gesichert und analysiert werden. Unternehmen sollten ihre eigenen Dashboards und Analytics-Systeme nutzen, um Kampagnen unabhängig auszuwerten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der gezielte Einsatz von Tracking-Technologien, die nicht nur First-Party-Daten sammeln, sondern auch ermöglichen, den Einfluss einzelner Touchpoints besser zu verstehen.
Zusätzlich sollten Advertiser Transparenzvereinbarungen mit ihren Agenturen oder Technologiepartnern treffen. Das beinhaltet die Offenlegung von Kostenstrukturen, Margen und eingesetzten Technologien.
Ein Beispiel: Bei den Kampagnentypen Google PMAX und Meta Audience+ erhalten Werbetreibende oft nur aggregierte Ergebnisse und haben wenig Einblick in die Performance einzelner Kanäle oder Platzierungen. Hier hilft es, eigene Experimente zu fahren – beispielsweise durch das Testen verschiedener Budgetverteilungen oder den Einsatz von Tracking-Parametern, um externe Analysen zu ermöglichen. Durch diese Maßnahmen können Unternehmen trotz der eingeschränkten Transparenz der Plattformen eine fundiertere Entscheidungsbasis schaffen.
Was erwartest du in Bezug auf Transparenz und digitale Lieferkette in der Zukunft?
Ich gehe davon aus, dass große Plattformen wie Google und Meta unter Druck geraten werden, ihren Automatisierungssystemen einen größeren Einblick zu ermöglichen. Werbetreibende und Regulierungsbehörden fordern immer mehr Transparenz und eine verständliche Budgetzuweisung. Gleichzeitig entwickeln sich Technologien zur Analyse der Lieferkette zunehmend weiter. Die Einbindung von Blockchain-Technologien hätte zum Beispiel die Möglichkeit, die komplette Werbewertschöpfungskette fälschungssicher zu dokumentieren. Außerdem profitieren Unternehmen, die frühzeitig in Transparenz investieren, auf lange Sicht von einem strategischen Nutzen. Diejenigen, die ihre Datenhoheit erhöhen, leistungsfähigere Analysewerkzeuge nutzen und aktiv Optimierungspotenziale ergreifen, werden im digitalen Marketing effizienter und erfolgreicher sein. Transparenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, insbesondere in einer Gesellschaft, in der Datenschutzbestimmungen wie die Abschaffung von Third-Party-Cookies die Datenerhebung noch weiter erschweren.