Wettbewerb bedeutet nicht nur Konkurrenz, sondern oft auch kreative Methoden im Kampf um die Kund:innen. Doch in einem Fall zwischen Matratzenhändlern hat das OLG Hamm klargestellt, dass nicht alle Mittel erlaubt sind. Was in diesem „Matratzenkrieg“ als sittenwidrige Schädigung eingestuft wurde und was Unternehmen künftig beachten sollten, erläutert ECC-Club Mitglied Rechtsanwalt Rolf Becker aus Alfter.
Hintergrund: Mutwillige Bestellungen und negative Bewertungen
Im vorliegenden Fall klagte eine Matratzenhändlerin gegen einen Wettbewerber, nachdem sie sich wiederholt mit zweifelhaften Rücksendungen und negativen Kundenbewertungen konfrontiert sah. 2019 hatten Mitarbeiter:innen der beklagten Firma in elf Fällen Produkte bei der Klägerin bestellt und anschließend mit zweifelhaften Angaben zurückgesendet. In den Retouren nannten sie angebliche Mängel, darunter „Chemiegeruch“ oder „gesundheitsschädliche Materialien“. Begleitend hinterließen sie negative Bewertungen, die das Image der Klägerin auf der Verkaufsplattform gezielt untergraben sollten.
Der rechtliche Verlauf
Die Klägerin versuchte, den Mitbewerber durch eine Abmahnung zur Unterlassung solcher Praktiken zu bewegen, woraufhin das Landgericht Paderborn nach Verweigerung der Unterlassungserklärung eine einstweilige Verfügung erließ (Beschluss vom 13.12.2019, Az. 6 0 50/19). Da die Beklagte die Entscheidung nicht als endgültige Regelung anerkannte, folgte eine Klage im Hauptsacheverfahren mit dem Ziel, Schadensersatz und Abmahnkosten durchzusetzen. Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin, so dass es schließlich zur Berufung vor dem OLG Hamm kam.
Entscheidung des OLG Hamm: Sittenwidrige Schädigung und Vorsatz
Das OLG Hamm (Urt. v. 16.04.2024, Az. 4 U 151/22) stufte die Handlungen der Beklagten als „sittenwidrige vorsätzliche Schädigung“ im Sinne des § 826 BGB ein. Nach Auffassung der Richter ging es den Mitarbeiter:innen der Beklagten ausschließlich darum, die Klägerin gezielt zu schädigen und ihre Reputation zu untergraben. In ihrem Hinweisbeschluss, auf dessen Begründung sich das Urteil stützt, schrieben die Richter, dass „nicht einmal im Ansatz“ ein anerkennenswertes Interesse an diesen Handlungen erkennbar sei.
Solche Bestellungen und Bewertungen dienten laut Gericht offenbar nur dem Zweck, das Ansehen der Klägerin bei Kund:innen und Plattformbetreibern zu schmälern und das Unternehmen mit unnötigen Retouren und Kundenbeschwerden zu belasten. Solche Maßnahmen überschreiten die Grenzen des lauteren Wettbewerbs und gelten als sittenwidrig.
Verhalten der Mitarbeiter:innen als Zurechnungsproblem
Eine wesentliche Frage war, ob die Beklagte für das Verhalten ihrer Mitarbeitenden verantwortlich gemacht werden kann, auch wenn sie erklärte, von den Handlungen nichts gewusst zu haben. Hier entschied das Gericht, dass die Beklagte eine sogenannte „sekundäre Darlegungslast“ trägt. Das bedeutet, dass sie hätte darlegen müssen, welche Schritte sie nach der Abmahnung zur Aufklärung unternommen hat. Die bloße Behauptung, dass kein Auftrag erteilt worden sei, reichte den Richter:innen nicht aus.
Fazit:
Der „Matratzenkrieg“ verdeutlicht, dass auch im harten Wettbewerb gewisse Regeln einzuhalten sind. Testbestellungen und Meinungsäußerungen sind erlaubt, doch gezielte Falschaussagen und Handlungen, die ausschließlich dem Schaden des Wettbewerbers dienen, überschreiten die Grenzen der Sittenwidrigkeit. Unternehmen sollten daher nicht nur auf ein gutes Produkt und fairen Wettbewerb setzen, sondern auch sicherstellen, dass Mitarbeiter:innen keine Maßnahmen ergreifen, die gesetzliche Grenzen überschreiten.
ÜBER DEN AUTOR
Rechtsanwalt Rolf Becker war bis Ende 2023 Partner und Mitbegründer der Rechtsanwaltssozietät Wienke & Becker – Köln, die mit Ablauf des Jahres 2023 beendet wurde. Er ist Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht, insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC-Club kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC Köln regelmäßig aktuelle Urteile zum Onlinehandel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.
RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker
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