Die Suche auf Websites ist und bleibt ein wichtiges Thema, das ggf. den Unterschied machen kann. Alexander Janthur, Gründer und Inhaber unseres ECC CLUB Mitglieds Turbine Kreuzberg, beschreibt im Interview das Konzept der semantischen Suche und beleuchtet die Vorteile sowie Herausforderungen für Unternehmen.
Was versteht man unter einer semantischen Suche?
Eine normale Suchmaschine funktioniert über Schlüsselwörter, das heißt: Der Suchalgorithmus sucht in einer Datenbank nach genau den eingegebenen Keywords. Eine semantische Suche geht jedoch darüber hinaus: Statt sich ausschließlich auf die eingegebenen Wörter zu konzentrieren, ist sie mit künstlicher Intelligenz auch in der Lage, den Kontext hinter der Frage zu verstehen und entsprechend relevante Ergebnisse mitzuliefern. Dafür analysiert sie die Beziehungen zwischen den Wörtern. Sie erfasst Nuancen menschlicher Sprache und versucht, die Absicht hinter der Suchabfrage zu verstehen.
Vielleicht ein Beispiel: Wir möchten ein Buch über das Leben im Meer empfohlen bekommen. Durch das Aufkommen von LLMs wie ChatGPT wird immer mehr in ganzen Sätzen gesucht. Also geben wir ein: “Ich suche ein Buch über das Leben im Meer”. Eine normale Suche würde jetzt die Datenbank nach genau diesen Keywords durchsuchen, also “Ich”, “suche”, “Buch”, “Leben”, “Meer” usw. Eine semantische Suche ist da anders. Man kann sich das ein bisschen wie ein:e Bibliothekar:in vorstellen. Diese:r würde verstehen, dass wir nicht ein Buch mit “Ich” oder “Meer” im Titel suchen wollen, sondern eher über Lebewesen darin, wie Delfine oder Korallen.
Die semantische Suche versucht also, die Absicht hinter der Anfrage zu verstehen und umfassendere und relevantere Informationen zu liefern.
Wie macht sie das?
Ohne jetzt zu technisch zu werden: Eine semantische Suche nutzt Natural Language Processing, kurz NLP, um die Bedeutung und den Kontext von Texten zu erfassen. Texte werden dazu in kleinere Einheiten zerlegt und spezifische Elemente wie Namen, Organisationen und Orte identifiziert.
Anschließend transformiert die KI die gesuchten Begriffe in Vektoren. Ein Klassifizierungsalgorithmus, auch k-nearest-neighbor bezeichnet, bestimmt dann die Distanz zwischen den gesuchten Begriffen und weiteren Begriffen, deren Vektoren den Suchbegriffen am nächsten sind. Der Begriff König ist örtlich näher an Mann, der Begriff Königin näher am Begriff Frau. So entsteht ein riesiges Cluster an Vektoren, aus denen der Algorithmus dann semantisch nahestehende Antworten geben kann.
Warum sollten Unternehmen eine semantische Suche in ihrem Onlineshop implementieren?
Dadurch, dass eine semantische Suchfunktion im Onlineshop den Sinn hinter einer Suchanfrage versteht, liefert diese relevantere Ergebnisse für potenzielle Kund:innen. Genauere und kontextbezogene Suchergebnisse reduzieren Frustration und sparen Zeit. Die Benutzer:innen finden schneller, was sie brauchen, was zu höherer Zufriedenheit und Engagement führt. Und wenn Kund:innen schneller das finden, was sie suchen, werden sie nicht nur neue Kund:innen, sie werden auch erneut den Online-Shop aufsuchen. Die Conversion-Rate und Kundentreue steigt und damit auch der Umsatz.
Zudem ist eine Umstellung auf eine semantische Suche relativ schnell durchgeführt. Es braucht nur ein einfaches Framework, das in die bisherige Suchfunktionalität integriert wird. Dieses wird dann mit den entsprechenden Unternehmensdaten gefüttert und trainiert. Das ist übrigens auch etwas, das es nie aufhört zu tun: Es lernt immer mehr, je mehr Suchanfragen es bearbeitet.
Die Vorteile liegen somit klar auf der Hand, doch wo liegen die Herausforderungen für Unternehmen?
Natürlich ist die Integration nicht immer einfach, das hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise von der bisher genutzten E-Commerce-Plattform und der integrierten Suchfunktion. Nicht dass man jetzt denkt, man setzt nur ein Häkchen und es funktioniert nach ein paar Stunden. Im Vergleich zu anderen Veränderungen der eigenen Infrastruktur, die so viele Vorteile bringen, geht es doch ziemlich schnell. Eine reibungslose Integration braucht Erfahrung und die nötige technische Expertise.
Zudem – und das muss bei KI-Anwendungen immer gesagt werden: Eine KI ist immer nur so gut wie die Daten, auf die sie zugreifen kann. Im Fall der semantischen Suche im E-Commerce ist die Qualität der Produktdaten natürlich ganz entscheidend dafür, womit der Suchalgorithmus angelernt werden kann.
Auch die semantische Suche ist kein Allheilsbringer. Sie versucht natürlich relevantere Ergebnisse zu liefern, aber in die Köpfe der Suchenden kann sie nicht blicken. Um beim Beispiel “Leben im Meer” zu bleiben. Vielleicht wollte der Suchende ja Schauergeschichten über Meeresmonster lesen, oder Hemingways “Der alte Mann und das Meer”, und keine Sachbücher über Delfine oder Korallen. Die KI hinter der Suche kann nur mit dem arbeiten, was sie bekommt.Das Buchbeispiel macht es definitiv klarer, aber hast du auch einen konkreten Case, der zeigt, wie ein Unternehmen semantische Suche einsetzen kann?
Gerne beschreibe ich ein aktuelles Beispiel aus dem Lebensmittel-Großhandel: Nach Implementierung der semantischen Suche erhalten Restaurants oder Hotels z.B. bei der Eingabe “Hamburger” mehr relevante Informationen. Statt lediglich Hamburger-Fertigpackungen zeigt der Suchalgorithmus nun auch alle Inhalte an, die man für die Zubereitung eines Burgers benötigt, also Hackfleisch oder vegane Alternativen, Gurken, Tomaten, Salat, Saucen, verschiedene Brotsorten usw.
Eine Win-Win-Situation für alle: Die Kund:innen bekommen das angezeigt, was sie wirklich benötigen und sparen sich die Zeit, die einzelnen Zutaten langwierig zu suchen. Das Unternehmen profitiert, weil Produktsegmente nun kontextabhängig besser in Bezug zueinander gebracht werden können. Die Suche bestimmt immer stärker, was gekauft wird. Und sie sorgt nicht zuletzt für zufriedenere Nutzer:innen, deren Conversion-Rate höher ist und die noch stärker motiviert sind, wiederzukommen.