Wir müssen über Live-Shopping reden. Immer wieder kommt das Thema hoch. In immer neuen Wellen flammen Begeisterung und Optimismus auf. Hier hat man ein zukunftsträchtiges Format gefunden, das auch (und vielleicht gerade) in digitalen Zeiten, den Kontakt und die Interaktion mit der Kundschaft ermöglicht. Dachte man. Und denkt man immer wieder. Aber wie attraktiv ist das Live-Shopping für deutsche Konsument:innen? Sind auch sie vom Live-Virus infiziert? Das ECC KÖLN hat nachgeforscht. Im Rahmen des aktuellen „Trend Check Handel“ haben wir Kund:innen nach Bekanntheit und Nutzungsbereitschaft von Live-Shopping gefragt.
Live-Shopping-Enthusiasmus in China
Aber beginnen wir zunächst in China. Die chinesischen Konsument:innen scheinen ja geradezu Live-Shopping-Enthusiasten zu sein. In Scharen versammeln sie sich zu Live-Shopping-Events. Neue Verkaufsstars machen das ganz große Geschäft. Erinnert ihr euch noch an den Lipstick King, den Influencer und Streamer, berühmt für seine Umsätze mit Kosmetikprodukten? Das chinesische Beispiel schafft Aufmerksamkeit. Vor allem bei Herstellern und Händlern, denen der schwächelnde deutsche Konsum zu schaffen macht.
In der Pandemie kam das gerade recht. Der traditionelle stationäre Kundenzugang war entweder verschlossen oder wurde zunehmend gemieden. Es galt also, neue Formate mit direktem Kundenkontakt und direkter Interaktion aufzusetzen. Douglas und Tchibo gingen live, erste Berichte über Kundenakzeptanz wurden verbreitet. Man gab sich vorsichtig optimistisch. Und dann hörte man eher wenig.
Ende letzten Jahres machten Gerüchte die Runde, TikTok würde mit TikTok-Shop an den Markt gehen. Das Verkaufen aus und über Video-Formate sollte dadurch einen enormen Schub erfahren. QVC 2.0 sollte im Anmarsch sein. Und dann wurde das Projekt TikTok-Shop vom Mutterkonzern (im deutschen Markt) erst einmal verschoben.
QVC des Digitalzeitalters: Viele kennen es, wenige nutzen es
Und jetzt? Aktuell wird wieder über eine Handelszukunft im Live-Shopping gemunkelt. Jetzt solle sie aber wirklich kommen. Schauen wir daher genau hin: Relevante Erfolge und vor allem nachhaltige Erfolge sind bislang nicht zu erkennen. Wie sehen denn der Kunde und die Kundin das Live-Shopping? Hat die Euphorie überhaupt eine tragfähige Basis?
In unserem Trend Check Handel hat das ECC KÖLN Konsument:innen genau danach gefragt. Dabei zeigte sich: Die Bekanntheit von Live-Shopping ist in jüngster Zeit enorm gestiegen. Noch vor drei Jahren gaben 30 Prozent der Befragten an, das Format zu kennen. Jetzt, im Jahr 2024, sind es 60 Prozent. Ein enormer Zuwachs. Das QVC des Digitalzeitalters ist bei den Endkund:innen also mittlerweile relativ bekannt. Man hat davon gehört. Tatsächlich genutzt wird es aber immer noch wenig. Gerade mal 8 Prozent geben sich als Live-Shopper:innen zu erkennen (gegenüber 4 % im Jahr 2021). Das ist immer noch übersichtlich.
Nutzer:innen haben klare Vorstellungen vom Live-Shopping-Erlebnis
Aber wie sieht das Potenzial aus? Zählt man bisherige Nutzer:innen und Nicht-Nutzer:innen, die sich ein Live-Shopping zukünftig vorstellen können, zusammen, so kommt man auf den weitest möglichen Nutzerkreis von 21 Prozent. Das ist einerseits ernüchternd − vom chinesischen Beispiel ist man dann doch weit entfernt. Den Durchbruch kann im Übrigen auch Amazon nicht herbeiführen. Denn fragt man Kund:innen nach einem Amazon-Live-Shopping, so ist auch hier der Zuspruch überschaubar. Anderseits ist dies zumindest eine Basis, um Live-Shopping als Option weiter in Betracht zu ziehen.
Wichtig ist dabei: Die potenziellen Nutzer:innen haben recht konkrete Vorstellungen, wie dann ein Live-Shopping auszusehen hat. Präferiert wird eine integrierte Lösung in den Shop eines Herstellers oder Händlers. Der Kunde oder die Kundin dockt also bei bekannten und bewährten Online-Anbietern an, der Onlinekauf wird durch Interaktivität angereichert und belebt. Fehlendes Erlebnis und mangelnde Emotionalität wird dem Onlinehandel ja häufig als Defizit angekreidet. Live-Elemente könnten da abhelfen (auch der Versuch, mehr AR in den Shop zu integrieren, zielten ja auf die Behebung eben dieses Defizits). Eine separate Live-Shopping-App findet dagegen nur bedingt Zuspruch.
Welches Fazit ziehen wir daraus? Wenn die nächste Live-Shopping-Revolution ausgerufen wird, wissen wir Bescheid: Vermutlich fällt die Revolution aus. Und wenn der nächste Shop-Anbieter Live-Shopping als Option integriert, hat jemand die Kundschaft verstanden. Manche Kund:innen wollen das, zumindest manchmal.
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