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30. September 2024

Die aktuelle Wirtschaftslage im Großhandelsvertrieb ist herausfordernd. Im ECC CLUB Interview mit Benedikt Nolte, Gründer der großhandelsspezifischen KI-Firma und ECC CLUB Mitglied Plato (DM Technologies GmbH), erläutert er die Lage und gibt wertvolle Tipps, wie sich der Großhandel mithilfe von KI zukunftssicher aufstellen kann.

Welche Herausforderungen seht ihr in der aktuellen Wirtschaftslage im Großhandelsvertrieb?

Die derzeitige Wirtschaftslage hat die Geschäftsstimmung nach dem BGA um 35 % verschlechtert¹, was gerade den Vertrieb im Großhandel vor erhebliche Herausforderungen stellt. Dabei sind es besonders (1) die reaktive Vertriebsweise und (2) der Mangel an Vertriebsmitarbeiter:innen, die den B2B-Handel besonders stark treffen.

  1. Reaktive Vertriebsweise: Traditionelle Händler arbeiten häufig mit reaktiven Vertriebsteams, die datengestützte Erkenntnisse über ihren Kundenstamm übersehen und nur die eingehenden Anfragen bearbeiten. Dies wird der Branche in der aktuellen Wirtschaftskrise schmerzlich bewusst, in der sich Händler in einem hart umkämpften Markt wiederfinden und ihre Denkweise im Vertrieb schnell vom reaktiven Abwickler zum proaktiven Vertriebsmitarbeiter umstellen müssen. Ein Mangel an datengesteuerten Arbeitspraktiken und eine geringe Transparenz darüber, wann Kund:innen aufhören zu kaufen oder wie man Aufträge effektiv steigern kann, lässt Verkäufer:innen und Manager:innen gleichermaßen 80 % der Erkenntnisse in ihren ERP-Daten übersehen, was dazu führt, dass sie einige ihrer wertvollsten Chancen gegenüber der Konkurrenz verlieren.
  2. Mangel an Vertriebsmitarbeiter:innen: Außerdem werden die Großhändler in den kommenden 3 bis 5 Jahren einen großen Teil ihres Verkaufspersonals verlieren, da die Boomer-Generation ausscheidet und neue Mitarbeiter:innen schwer zu finden sind. Daher müssen sich die Vertriebshändler neu organisieren. Vor allem die alten Mitarbeiter:innen werden mit wertvollen Erfahrungen und Erkenntnissen gehen, die für den künftigen Erfolg unerlässlich sind. Zurück bleibt eine junge und unterbesetzte Belegschaft, der es an Wissen mangelt, um im heutigen B2B-Handel erfolgreich zu sein.

Dies alles führt dazu, dass die Zeitressourcen in den Vertriebsteams suboptimal genutzt werden: Nur 34 % der Arbeitszeit fließt tatsächlich in den Verkauf und die direkte Kundeninteraktion, während die restlichen 66 % auf administrative und sich wiederholende Tätigkeiten entfallen, die keinen direkten Mehrwert im Verkaufsprozess darstellen².

Angesichts dieser Herausforderungen steht der Großhandel vor der zentralen Frage: Wie kann es gelingen, redundante Vertriebsprozesse zu automatisieren und parallel Mitarbeiter:innen beim Übergang vom reaktiven Abwickeln hin zum proaktiven Verkaufen mitzunehmen?

Wie kann KI dem Großhandel bei seinen Herausforderungen helfen?

Künstliche Intelligenz bietet enormes Potenzial, um den Großhandelsvertrieb nachhaltig zu transformieren und das volle Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Ein Blick auf Vorreiter wie Amazon zeigt, was möglich ist: Mit personalisierten Empfehlungen, beispielsweise durch Up- und Cross-Selling, generiert Amazon beeindruckende 35 % seiner Umsätze allein durch KI-gestützte Vorschläge³.

Diese KI-Potentiale lassen sich ebenfalls folgendermaßen auf die Kernprobleme im Großhandel anwenden:

  1. Proaktive Vertriebsweise: KI kann zur Gewinnung von Erkenntnissen aus ERP-Daten eingesetzt werden, um Großhandelsverkäufer:innen zu den nächstbesten Maßnahmen oder zur automatisierten Kundenansprache zu leiten. Hierdurch wird der Übergang vom reaktiven zum proaktiven Verkauf vollzogen. Dies ist besonders vorteilhaft im wettbewerbsorientierten Großhandel, wo frühe Anwender:innen ein bis zu 15 % schnelleres Wachstum erzielen können⁴. Die KI identifiziert die Erkenntnisse, die den Vertriebsleiter:innen möglicherweise entgehen, und dient somit als Leitfaden für die zu ergreifenden Maßnahmen.
  2. Automatisierte Vertriebsprozesse: Aufgaben wie die Angebotserstellung und die Priorisierung von Kund:innen sollten automatisiert werden. Dadurch können Verkäufer:innen Zeit einsparen und die Rentabilität mit dem vorhandenen Personal steigern. Diese Zeiteinsparung erhöht Kundenkontakte und Effizienz im Vertrieb um bis zu 65 %². KI-gestützte ERP-Workflows bieten eine vollständige Kundenübersicht und ermöglichen zeitnahe Maßnahmen wie das Erkennen von Abwanderungsrisiken und die Generierung von Nachbestellungen. Dieser Ansatz steigert nicht nur den Umsatz, sondern beschleunigt auch die Ausbildung jüngerer Verkäufer:innen, indem das Wissen erfahrener Mitarbeiter:innen über Produktergänzungen und -substitute gespeichert wird.

Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie schnell Großhändler die Möglichkeiten von KI erkennen und umsetzen, um ihre Marktposition langfristig zu stärken. Wichtig sind dabei vor allem zwei Bereiche: Sales Intelligence und Workflow Automation.

Was genau ist Sales Intelligence und wie kann sich der Vertrieb damit gezielter und proaktiver aufstellen?

Sales Intelligence ist ein leistungsstarkes Werkzeug, das den Vertrieb revolutioniert, indem es datengetriebene Erkenntnisse nutzt, um den Verkaufsprozess gezielter und proaktiver zu gestalten. Anbei die wesentlichen Schlüsselkomponenten von Sales Intelligence:

  1. Abwanderungswarnungen: Mithilfe von KI-basierten Analysen können Anzeichen für eine potenzielle Kundenabwanderung erkannt werden. Durch eine präventive Umsatzanalyse, die rechtzeitig auf Abwanderungsrisiken hinweist, kann eine spezifische Warnung auf Produktgruppen- oder Artikelebene gegeben werden. Diese umfassende Analyse hilft, Abweichungen frühzeitig zu erkennen, sodass der Vertrieb proaktive Maßnahmen ergreifen kann, um Kundenverluste zu vermeiden, wiederkehrende Bedarfe bei Kund:innen zu decken und Umsätze zu sichern.
  2. Up- & Cross-Selling Analysen: Up- und Cross-Selling sind weitere zentrale Elemente von Sales Intelligence, die den Vertrieb dabei unterstützen, zusätzliche Umsatzpotenziale zu erschließen. Die KI analysiert die Vertriebshistorie und erkennt ähnliche Kund:innen, die bestimmte Produktkategorien noch nicht gekauft haben, und schlägt passende Produkte vor. Zudem optimiert die KI die Warenkorb-Komplettierung durch Empfehlungen für wiederkehrende Bedarfe und analysiert, welche Produkte ähnliche Kund:innen ebenfalls gekauft haben, um zukünftige Bedarfe zu prognostizieren. Durch den Einsatz von Reinforcement Learning und Human-in-the-Loop Learning werden die Empfehlungen kontinuierlich verbessert und personalisiert, was den Vertrieb dabei unterstützt, den Kund:innen genau das zu bieten, was sie brauchen, und damit die Kundenzufriedenheit und den Umsatz zu steigern.
  3. Nächstbeste Aktion: Die Funktion der „nächstbesten Aktion“ ist ein weiterer Aspekt von Sales Intelligence, der es dem Vertrieb ermöglicht, seine Ressourcen optimal auf die größten Umsatzhebel zu fokussieren. KI-Analysen helfen dabei, Prioritäten im Vertrieb zu setzen, indem es die nächstbesten Aktionen empfiehlt. Das System benachrichtigt beispielsweise, wenn ein Kunde oder eine Kundin zum ersten Mal ein neues Produkt kauft, und unterstützt die Verfolgung von den Angeboten mit der höchsten Wandlungsrate. Zusätzlich identifiziert es Anomalien in Umsatz- und Margenmetriken, wodurch neue Umsatzpotenziale erschlossen werden können. Die Kundensegmentierung in relevante Gruppen ermöglicht es dem Vertrieb, sich gezielt auf Kund:innen mit dem größten Potenzial zu konzentrieren und die Vertriebsstrategien entsprechend anzupassen.

Durch den Einsatz von Sales Intelligence wird der Vertrieb nicht nur effizienter, sondern auch deutlich proaktiver. Anstatt reaktiv auf Kundenanfragen zu warten, können Vertriebsmitarbeiter:innen gezielt auf potenzielle Abwanderungen reagieren, passende Produktempfehlungen aussprechen und die nächste Aktion priorisieren, die den größten Erfolg verspricht.

Was genau ist die Workflow Automation für Vertriebsteams und wie werden Vertriebsaufgaben automatisiert?

Workflow Automation für Vertriebsteams bedeutet die intelligente Automatisierung von sich wiederholenden, zeitintensiven Aufgaben durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Das kann folgendermaßen aussehen:

  1. Automatisierte Auftragserstellung: Aufträge werden automatisiert aus verschiedensten Quellen wie PDFs, E-Mails, WhatsApp-Nachrichten oder GAEB-Dateien erstellt. Diese textbasierten Daten werden automatisch via generativer KI verarbeitet und in das ERP-System übertragen, wodurch der manuelle Aufwand erheblich reduziert wird. Dies sorgt nicht nur für eine schnellere Abwicklung, sondern minimiert auch das Risiko von Fehlern, die bei manuellen Eingaben entstehen könnten.
  2. Marketing-, Email- und Angebotsautomatisierung: Kundenspezifische Marketing-Automatisierung lässt sich mit einer Kombination aus KI-gestützten Analysen und Textgenerierung optimieren. Die KI priorisiert welche Kund:innen mit Produktvorschlägen adressiert werden und kann diese Vorschläge in Email- oder Angebotsform automatisch vorbereiten oder an Kund:innen senden. So können Vertriebsteams ihre Zeit besser nutzen, indem sogar B & C wie A Kund:innen bespielt werden. Dies spart nicht nur Zeit und Kosten, sondern steigert auch die Kundenzufriedenheit und Umsätze durch gezielte Kundenansprache.
  3. Einfache Datenzugriffe über eine fehlertolerante Chat-Schnittstelle: Ein Highlight der Workflow Automation ist die Integration einer fehlertoleranten Chat-Schnittstelle, die den einfachen Zugriff auf ERP-Daten ermöglicht. Diese Schnittstelle ist so gestaltet, dass keine SQL- oder tiefgehenden Datenanalysekenntnisse erforderlich sind, um die benötigten Informationen abzurufen. Das bedeutet, dass Vertriebsteams jederzeit und überall Zugriff auf relevante Daten haben, ohne technologische Hürden überwinden zu müssen.

Die Zeit, die dadurch gewonnen wird, kann für wertvollere Tätigkeiten wie die Kundenpflege und die Erschließung neuer Geschäftspotenziale genutzt werden. So werden Vertriebsteams nicht nur entlastet, sondern auch in die Lage versetzt, proaktiver und strategischer vorzugehen, was letztlich zu einem gesteigerten Unternehmenserfolg führt.

 

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¹ https://bga.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Trends___
Analysen/BGA_T_A_Grosshandel_2_2023.pdf

² https://c1.sfdcstatic.com/content/dam/web/en_us/www/documents/reports/sales/state-of-sales-3rd-ed.pdf

³ https://www.mckinsey.com/industries/retail/our-insights/how-retailers-can-keep-up-with-consumers

https://www.mckinsey.com/capabilities/growth-marketing-and-sales/our-insights/how-top-performers-outpace-peers-in-sales-productivity

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