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21. August 2024

Nachhaltigkeit ist seit Jahren in aller Munde. Händler und Hersteller legen immer mehr ihre Lieferketten und Herstellprozesse offen, wechseln zu nachhaltigeren Materialien oder werden von Verbraucher:innen aufgefordert ihre Konzepte zu überdenken. In der Lebensmittelbranche klappt das schon teilweise – immerhin achten Konsument:innen mehr auf bessere Qualität, Bio sowie Regionalität und auch Discounter führen schon lange ihre eigenen Biomarken. Wie sieht es in der Fashionbranche aus?

Auch hier steigt die Relevanz an Nachhaltigkeit. Besonders jüngere Generationen demonstrieren gegen den Klimawandel und einige Händler arbeiten mit Hochdruck an nachhaltigen Konzepten wie Secondhand-Kollektionen, Ausleihkonzepten oder auch nachhaltigen Store-Gestaltungen (durch z.B. recycelte Bodenbeläge, Secondhand-Verkaufsregale). Doch wenn das Thema Nachhaltigkeit immer mehr Bedeutung gewinnt, wie können sich dann Ultra-Fast-Fashion-Anbieter innerhalb kurzer Zeit so erfolgreich am Markt etablieren? Sprechen wir hier nicht von einer völligen Gegenbewegung?

Billigmode trotz Nachhaltigkeitsbewusstsein?

Ultra-Fast-Fashion-Anbieter, besonders solche aus dem asiatischen Raum, konnten in den letzten Jahren innerhalb kurzer Zeit an hoher Reichweite gewinnen: Vor allem jüngere Generationen werden hier mit sehr günstigen Preisen, einer großen Auswahl an Produkten, einem schnell wechselnden Sortiment sowie großzügigen Rabattangeboten – oft über soziale Netzwerke wie TikTok und Instagram – gelockt. Gleichzeitig setzen diese Anbieter oft auch auf spielerische Elemente und den Erlebnismoment:  Gewinnspiele, welche Rabatte für den Warenkorb erzielen. Diese Gewinnspiele erhöhen nicht nur die Verweildauer auf den Seiten, sondern können zusätzlich einen Suchtfaktor und dadurch Wiederholungseffekte auslösen. Besonders in den letzten zwei Jahren waren Konsument:innen durch die Inflation und Preissteigerungen im Alltag belastet, was Anbietern wie Temu oder Shein noch einmal mehr zugutegekommen sein könnte. So zeigte unser letzter Trend Check Handel mit einer Umfrage vom April 2024, dass bereits 12 Prozent der Befragten Produkte des Fashionbereichs eher bei Anbietern wie Temu oder Shein einkaufen würden. Die Gründe für den Einkauf bei diesen Anbietern sind u.a. die große Auswahl an Produkten (72 %) oder die Schnäppchenjagd (65 %). Obwohl asiatische Online-Marktplätze so schnell an Bekanntheit gewinnen, stehen die Anbieter auch immer mehr in der Kritik: Zu lange Lieferzeiten von bis zu mehreren Wochen, ein schwer zu erreichender Kundensupport, schlechte Qualität sowie ein erschwerter Rückversand sind nur wenige Punkte, die in den Medien hausieren.

Praxistest: Wie gut sind Fashionartikel von Temu und Shein?

Wir wollten es selbst wissen und führten Käufe bei Shein und Temu durch: Seit 2021 bestellten wir immer mal wieder Produkte bei Shein und später auch bei Temu. Insgesamt sieben Bestellungen mit 25 Produkten wie Hemden, Sportbekleidung, T-Shirts, Pullover, Unterwäsche, Spaßartikel oder auch Alltagshilfen im Haushalt wurden eingekauft.

Positiv: Versand und Kommunikation

Das Ergebnis hat uns zuletzt überrascht: Die Anbieter scheinen an ihren Konzepten zu arbeiten und diese zu optimieren. Das erste Paket im Jahr 2021 ließ 16 Tage auf sich warten. Danach folgende Pakete kamen durchschnittlich nach 10 Tagen und zuletzt im Jahr 2024 sogar schon nach 7 Tagen an. Der Kundensupport wurde ebenso angepasst: Dieser ist nun sofort auf den jeweiligen Seiten zu finden, in deutscher Sprache verfügbar, reagierte bereits am nächsten Tag und war sehr höflich und lösungsorientiert. Die Produktauswahl wurde im Vergleich unserer Testkäufe innerhalb der Jahre noch größer und es ist mittlerweile kaum zu schaffen alle Produkte durchzuklicken. Auch der Rückversand verlief im Jahr 2021 noch schwieriger: Nach dem Zusenden von Produktfotos und Angeben von Gründen für den Rückversand musste mehrere Tage auf ein Rücksendeetikett gewartet werden. Die Erstattung erfolgte erst ca. zwei Wochen nach Versand. Ganz anders heute: Im Jahr 2024 mussten keine Fotos von defekten Artikeln gezeigt werden, die Erstattung wurde sofort am nächsten Tag veranlasst. Darüber hinaus ist die Kommunikation mit dem Kundensupport nicht nur schnell, sondern auch deutlich persönlicher und näher in der Ansprache – Herz-Emojis – als bei manchem anderen Händler.

Screenshot von der Kommunikation mit dem Kundensupport von Shein

Negativ: Qualität

Natürlich fielen auch uns einige Aspekte eher weniger optimal auf: Die Qualität der Produkte ist teilweise gut, jedoch kamen einige Artikel defekt an. So waren beispielsweise die Plastikverschlüsse eines Bikinis gebrochen und nicht mehr verschließbar. Die auf den Seiten angegebenen Größen stimmen nicht immer mit dem gelieferten Produkt überein – die Rücksendung ist vorprogrammiert.

Außerdem hat unser Praxistest gezeigt: Konsument:innen müssen sich definitiv nicht von Rabattangeboten innerhalb kürzester Zeit anlocken lassen, denn Rabatte gibt es immer – jeden Tag und zu jeder Uhrzeit.

Fazit: Gekommen, um zu bleiben

Da die Anbieter bereits ihre Konzepte optimieren und viele Kritikpunkte damit entschärfen können, werden Konsument:innen dort zukünftig bestimmt auch weiterhin Produkte bestellen. Jedoch gibt es sicherlich auch viele Verbraucher:innen, die Online-Shops  mit günstiger und kurzlebigen Produkten eher für bestimmte Anlässe wie Karneval aufsuchen und nicht für alltagstaugliche Produkte. Möglicherweise wurden Shein und Temu vermehrt auch einfach nur ausprobiert, sodass sich der Hauptkundenstamm zukünftig verringern könnte. Themen wie eine schlechtere Qualität und besonders auch die Vorwürfe zu gefundenen Schadstoffen und der Verwendung von gesundheitsgefährdenden Materialien werden diesen Anbietern weiterhin zu schaffen machen. Solange es keine Qualitätssicherheit gibt, werden Konsument:innen möglicherweise noch weiterhin skeptisch bleiben. Doch sollten auch hier Maßnahmen seitens der Anbieter getroffen werden, könnte mehr Qualitätsvertrauen entstehen. Dadurch könnten diese Marktplätze dem deutschen Handel sicherlich noch deutlich mehr Kaufkraft abnehmen.

Was sich über Shein und Co sonst noch in der Fashionbranche tut? Mehr Daten, Zahlen und Prognosen in unserem Branchenbericht.

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