Als Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen und Kund:innen digital zu binden und zu halten wird immer herausfordernder. Wie dies gelingen kann und welche Anforderungen es dabei zu erfüllen gilt, berichtet Martin Brösamle, Leiter Vertrieb und Marketing bei unserem ECC CLUB Mitglied eggs unimedia, im Interview.
Was hat sich deiner Meinung nach grundlegend am Content Management geändert?
Früher war der Website-Besuch vergleichbar mit einem Schaufensterbummel. Kund:innen schauten vorbei, informierten sich und gingen weiter. Viele Content Management Systeme konnten die damaligen Anforderungen des klassischen Web 1.0 erfüllen. In den 2010er Jahren wurden Websites interaktiver durch Elemente wie die Chat Funktion oder durch Gamification. Heute geht der Trend in Richtung Experience Management. Der Spannungsbogen zwischen Kund:innen und Unternehmen muss über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten bleiben. Also weg vom Schaufenster, hin zur transaktionalen Plattform. So werden Kund:innen in die Lage versetzt, sich viel intensiver mit dem Unternehmen und seinen Produkten auseinanderzusetzen.
Wie der Name „transaktional“ schon sagt, soll die Beziehung zwischen Kund:in und Unternehmen wechselseitig werden. Kund:innen sollen Kontakt aufnehmen, wieder kommen, Produkte konfigurieren, Reviews lesen, Content abrufen, Broschüren und Angebote anfordern und letztlich konvertieren.
Aus Unternehmenssicht stellt sich dabei folgende Frage: Wie schaffen wir es, Mehrwerte für unsere Kund:innen zu präsentieren, damit sie auf unsere digitalen Plattformen kommen? Was bieten wir ihnen an? Wie bekommen wir Kund:innen dazu, auf der Website zu konvertieren?
Eine transaktionale Beziehung lässt sich beispielsweise über hochwertigen und exklusiven Content, über die Brand, Produktinformationen und einzigartige digitale, dynamische und personalisierte Erlebnisse aufbauen. Dabei unterstützen sog. Digital Experience (DX) Plattformen, die die Ausspielung personalisierter Inhalte auf Basis von Daten ermöglicht und dabei von KI unterstützt wird. Content Management war gestern - Experience Management ist heute.
Das gilt insbesondere auch für eCommerce, denn Kund:innen verlangen von der Recherche bis zum Kauf immer mehr Content Erlebnisse. Wir sprechen dabei von „Experience driven Commerce“.
Auch für die Conversion Optimierung auf den Digitalen Plattformen gibt es Lösungen, um noch besser zu werden, wie beispielsweise Marketing Automation oder Retargeting. Eine Conversion kann sich auf unterschiedliche KPIs beziehen, wie klassischerweise den Online-Kauf. Aber auch weichere Conversions, wie eine Anmeldung zur Probefahrt, die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder der Download eines Whitepapers, können Ziele sein.
Das klingt nachvollziehbar, aber wie lässt sich das in einer digitalen Welt umsetzen, in der es nicht „den Kanal“ oder „die Plattform“ gibt?
Es wird immer wichtiger, dass Unternehmen mit ihren Kund:innen über eine Vielzahl an Touchpoints interagieren können, sei es die Website, ein Chat Bot, KI oder auch die Voice Search.
Headless Technologien werden dabei immer stärker in den Fokus rücken und Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten, dass sie immer „frontend-unabhängiger“ werden müssen. Früher gab es nur den Web-Browser, ab 2007 kamen Smartphone-Apps hinzu. In den vergangenen 10 bis 15 Jahren wurden unzählige Smart Devices geboren und es wäre äußerst kosten- und zeitintensiv, für jedes dieser Devices ein eigenes Frontend zu bauen. Das skaliert nicht.
Daher sind die Commerce-, Business- und Marketing-Bereiche von Unternehmen gefordert, die eigenen Enterprise Anwendungen mit der Vielzahl an Touchpoints zu verknüpfen: Denn Formulare werden perspektivisch über WhatsApp oder einen Chat ausgefüllt, die Reisebuchung erfolgt über Alexa, Angebote in Fast-Food-Restaurants oder bei Autovermietern werden über Info-Screens (Digital Signage) angezeigt und Content für das Metaverse wird headless publiziert.
Der Vorteil von headless ist eine Datenbasis für unterschiedliche Apps und Systeme. So ist der Content immer aktuell.
Wie sollen sich hinsichtlich zukünftiger Trends eurer Meinung nach Unternehmen strategisch aufstellen?
Wie eingangs schon gesagt, geht der Trend weg von reinen Web Content Management Systemen (WCMS) hin zu transaktionalen Digital Experience (DX) Plattformen. Aktuelle Megatrends wie Personalisierung, Dynamisierung und Künstliche Intelligenz werden zukünftig eine noch viel wichtigere Rolle einnehmen. Daher empfehlen wir Unternehmen, die wichtige Bereiche des Unternehmens digital abbilden möchten, den Einsatz von skalierbaren und flexiblen DX-Plattformen. Bei der Wahl der DX Plattform sollte man also die Anpassungsfähigkeit und generelle Erweiterbarkeit um neue Touchpoint Technologien, die heute noch unbekannt sind, berücksichtigen. Augmented Reality und das Metaverse stecken heute noch in den Kinderschuhen – aber beides wird in den kommenden Jahren überproportional wachsen. Auch Corona war 2020 innerhalb weniger Wochen „plötzlich da“ – und Unternehmen mussten aufgrund der Beschränkungen ihre Geschäftsmodelle anpassen und neue digitale Services ins Leben rufen. Für diese neue Flexibilität benötigen Unternehmen heute entsprechende Plattformen.
Wie sollten Unternehmen bei einer entsprechenden Anpassung vorgehen?
In unserem dynamischen Umfeld sind alteingesessene Projekt Management Methoden nicht mehr zeitgemäß und agile Methoden haben in den meisten Unternehmen Einzug genommen.
Agilität und Transparenz stehen dabei an oberster Stelle und sollten von beiden Seiten aktiv gelebt werden. Alle Beteiligten sollen die Ziele kennen, die im Unternehmen und im Projekt verfolgt werden. Potenzielle Risiken werden offen und unpolitisch angesprochen und mögliche Lösungen konstruktiv diskutiert. Das Projekt wird nicht feingranular von vorne bis hinten geplant. Häufig empfiehlt es sich, als erstes Projektziel die Umsetzung eines Minimum Viable Products (MVP) zu definieren. Das ist eine voll funktionsfähige Version mit minimaler Ausstattung. Ein MVP bietet die ideale Basis, die entwickelte Anwendung schnell einem Markttest zu unterziehen. So erhalten wir unmittelbar Feedback, das für zukünftige Weiterentwicklungen des Produkts verwendet wird.