Rund 50 Experten der Interior-Branche, Händler und Hersteller, kamen am Montag den 20. Juni in Köln zusammen. Der Treffpunkt: so außergewöhnlich wie passend. Gastgeber der ersten FutureTrade von IFH KÖLN und philla BrandXitement war der Ultramarin Showroom im Industriedenkmal „Altes Gaswerk“ in Köln-Ehrenfeld – der „best showroom international“ 2013. Doch warum eigentlich ein weiteres Event für die Möbelbranche besuchen? Diese Frage beantwortete Sabrina Mertens, Leiterin des ECC KÖLN, gleich zu Beginn des Tages. In Zeiten, in denen Unternehmen nicht mehr um die Digitalisierung herum kommen, und der Strukturwandel Händler wie Hersteller gleichermaßen betrifft, werden Austauschplattformen immer wichtiger. „Konsumenten und Möbel werden digitaler, also muss es auch die Branche werden“, so ihr Appell zum Start in den Tag. Auch Julia Greven, Gründerin von philla BrandXitement bestätigte: „Die Anforderungen an das Marketing im digitalen Zeitalter steigen. Weiterbildung um der Digitalisierung adäquat begegnen zu können, ist ein Muss“.
„Es ist noch jede Menge E-Commerce-Eisberg unter der Wasseroberfläche“
Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH KÖLN, lieferte mit seinem Vortrag das Background-Wissen zum Thema Digitalisierung. Das Marktvolumen im Onlinehandel steigt weiter. Trotz leicht abnehmender Wachstumsraten sei kein Ende in Sicht. Und obwohl die Möbelbranche aktuell noch zu den Nachzüglerbranchen zähle, könne das Wachstum schneller gehen, als so manchem Branchenplayer lieb sein möge. „Es ist noch jede Menge E-Commerce-Eisberg unter der Wasseroberfläche“, so Hudetz. Laut IFH-Analysen wird sich das Onlinevolumen in der Möbelbranche bis 2020 mehr als verdoppeln. Aktuell liegt der Onlineanteil – trotz intensiver Bemühungen von Home24, Westwing und letztlich auch Ikea, zwischen fünf und sechs Prozent am Gesamtmarkt. „Mit über 12 Prozent im Jahr 2020 werden Möbel online aber kein Nischenmarkt mehr sein“, prognostizierte Hudetz.
Anhand von fünf Thesen zum Handel 2020 erläuterte Hudetz auf welche Veränderungen sich Unternehmen im Marktgefüge, im Konsumentenverhalten und bei der Kundenansprache einstellen müssen. Online oder offline sei Denken von gestern: Vielmehr müsse heute zwischen kundenorientierten und nicht kundenorientierten Unternehmen unterschieden werden. „Überleben werden nur die kundenorientierten Anbieter“, so seine These. Im Möbelhandel ist dabei noch Luft nach oben. Noch hat keine der Marken im traditionellen Möbelhandel in Sachen Digitalisierung den großen Wurf geleistet. Aber: Der Druck nimmt zu. Konsumenten treiben die Digitalisierung voran – das ist auch in der Möbelbranche nicht anders. Zum Abschluss gab Hudetz den Zuhörern noch konkrete Ratschläge mit auf den Weg: „Seien Sie geduldig, bleiben Sie am Ball, fokussieren Sie Ihre Kundenorientierung und lernen Sie Ihre Zielgruppen besser kennen“, so seine Erfolgsformel.
Neue Wiener Werkstätte: Online und Fachhandel schließen sich nicht aus
Auf die Theorie folgte die Praxis. Stefan Polzhofer vom Markenhersteller Neue Wiener Werkstätte berichtete, mit welchen Themen sich die exklusive Polstermöbelmanufaktur aktuell beschäftigt.
Hierzu zählen vor allem der technische Fortschritt, soziale Veränderungen, Individualisierung, demografischer Wandel, Globalisierung, Neo-Ökologie und Gesundheit. Jedes Thema habe seine eigenen, speziellen Implikationen für die Ausrichtung der Unternehmensstrategie. Obwohl Neue Wiener Werkstätte seine maßgefertigten Produkte größtenteils über den Fachhandel vertreibt, hat sich das Unternehmen bewusst für einen Omni-Channel-Ansatz entschieden. Ausschlaggebend hierfür sei vor allem das Informationsverhalten der Konsumenten gewesen. Das Internet ist der Nummer eins Informationskanal im Luxussegment, das Informationsverhalten verlagert sich zunehmend ins Netz. So ist auch der NWW-Online-Shop eher ein Informationsinstrument als ein relevanter Absatzkanal. Bestellungen, die über den Online-Shop reinkommen, werden über den Handelspartner vor Ort abgewickelt. Montage und After Sales ist bei NWW Expertensache. Gleichzeitig sei das stationäre Ladenlokal mit seinem „Power of Place“ ein echter USP – wenn denn die Beratung auch exzellent sei, so Polzhofer. Beratung ist und bleibt das A und O, so die einhellige Meinung bei der Veranstaltung.
So auch das Fazit von Karsten Wolter, der den Ultramarin Showroom vorstellte: „Wo das Stadion in der Stadt steht ist nur nebensächlich. Es muss optimal bespielt und genutzt werden. Wenn dann noch die Mannschaft mit ihrem Kapitän einen Punkt nach dem anderen einfährt, kommen die Fans von alleine.“
Auf klassische Werbung verzichtet Neue Wiener Werkstätte im Übrigen. Hierbei hat die Digitalisierung bereits umfassend Einzug gehalten. Wichtige Elemente im Marketing Mix sind virale Aktionen und Content Marketing über den Online-Shop und Social Media. So spielen in der NWW-Onlinewelt z. B. sogenannte Homestories eine große Rolle, um den Kunden die Marke online erlebbar zu machen. Auch das NWW-Designmagazin und ein Designpreis für Nachwuchsdesigner gehören zur Marketing-Welt des Traditionsunternehmens.
„Stationärer Handel ist häufig träge“
Ein weiteres Highlight im Programm der FutureTrade: Der Vortrag von Alexander von Keyserlingk von UNIQUE RETAIL CONCEPTS. Er sprach zum „Love-Effekt“. Kundenbegeisterung und -bindung ist sein Thema. Hierzu brachte er viele Beispiele mit, wie Händler es schaffen, Kunden emotional anzusprechen. Aus seiner Sicht hat der stationäre Handel aktuell so große Chancen wie noch nie. Im Gegensatz zum agilen Onlinehandel, sei der stationäre Handel aber häufig träge. Viele Händler arbeiteten zu wenig an der Austauschbarkeit. Die Kunst sei es dem eigenen Laden eine unverwechselbare Identität zu geben. Und: Für spannende Retail-Konzepte brauche es nicht immer die Triple A-Lagen. Sein Rat an die Branche: „Definieren Sie ihre Zielgruppen genau und stellen Sie sich die Frage, welche Produkte Ihre Kunden zusätzlich zu Ihrem Kernsortiment interessieren könnte. Arbeiten Sie mit wechselnden Themenwelten und überraschen Sie Ihre Kunden emotional – auch mit Spaßelementen“.
Schee: Ein Online-Shop geht in die Nachbarschaft
Denis Korte ist Händler durch und durch. Das merkt man sofort, wenn man ihm zuhört, wie er die Geschichte von Schee erzählt. Gestartet als Online-Shop für ausgefallene Drucke, zählt Schee heute insgesamt drei Filialen (Köln, Düsseldorf und Berlin). Digital verknüpft ist das Geschäft von Schee vor allem, was das Ursprungssortiment angeht. Im Online-Shop erhalten Kunden ausführliche Informationen zum Print und zum Künstler. Die Story hinter dem Druck sozusagen. Schee kommuniziert nicht viel, aber zielgerichtet. Bei Facebook spielt die Musik. Hier werden Neuheiten angekündigt, Drucke vorgestellt und Wiederauflagen von Drucken kommuniziert. Das Resultat: Mehr Traffic für den Online-Shop.
Für die „Rolle rückwärts“ aus dem Onlinehandel in den stationären Handel hat sich das Team von Schee intensive Gedanken darüber gemacht, welche ergänzenden Sortimente sich anbieten. Die Entscheidung fiel auf Wohnraumaccessoires. Die Strategie für die Shops: „Differenzierung über die Größe der Verkaufsfläche, aber liebevoll ausgewählte Sortimentsstruktur wie in Concept Stores“, so Korte. Doch eine Herausforderung blieb: Wie sollten die Limitierung der Auflage und die Informationen zu einzelnen Drucken kommunikativ vermittelt werden? Die Lösung: Die Informationen werden in das Ladengeschäft übertragen und runde Chips zeigen an, wie oft ein Druck noch verfügbar ist. Und der Online-Shop? Der ist in Sachen Drucke die verlängerte Ladentheke für die Filialen. Im Netz gibt es die volle Auswahl an Prints.
Zum Abschluss des Tages stellte Lony Scharenborg das Projekt De 9 Straatjes aus Amsterdam vor. Der Verbund stationärer Händler hat es geschafft, ein ganzes Viertel als Shopping-Marke zu positionieren. Marketing spielt dabei eine entscheidende Rolle: Der Verein positioniert seinen Shopping-Verbund über Print-Flyer genauso wie über die Website des Projekts. Gesetzt wird auf Vielfalt – Fashion, Accessoires, Möbel und Gastronomie funktionieren im Zusammenspiel. Das weckt Begehrlichkeiten. Zuletzt hat sich auch Modedesigner Karl Lagerfeld ein Ladenlokal in den 9 Straatjes gesichert.
Wichtig ist auch der Austausch untereinander – Kollaboration soll gelebt werden. Hierfür greift das Projekt auf technologischen Support zurück. Die Plattform „chainels“ wird zur Kommunikation untereinander genutzt.
Neben den vielfältigen inhaltlichen Impulsen für die Gäste im Ultramarin Showroom, kam auch das Networking nicht zu kurz. Bei strahlendem Sonnenschein und allerlei Leckereien wurde in den Pausen genetzwerkt, was das Zeug hält. Und das Feedback freut uns besonders: „Wir kommen wieder“. Bleiben also auch Sie gespannt auf die nächste FutureTrade.
Besonderer Dank gilt allen Referenten des Tages und natürlich unserem Sponsor – dem Händlerbund.