Am 20. September 2018 ging die Faszination Handel an der Universität zu Köln in die nächste Runde. Im Zentrum stand die Frage „Wem gehört der Kunde? Handel, Hersteller und Plattformen im neuen Wettbewerb“. Torsten Toeller, Geschäftsführer von Fressnapf, war ebenfalls vor Ort und sprach darüber, wie Fressnapf es schafft, den Kundezugang im digitalen Zeitalter nicht zu verlieren. IFH-Geschäftsführer Dr. Kai Hudetz hat im Vorfeld mit Torsten Toeller gesprochen.
Dr. Kai Hudetz: Zentraler Online-Shop und dezentrales Franchise-System: Ist das nicht die Quadratur des Kreises? Können Franchise-Systeme und Verbundgruppen in der digitalisierten Welt überhaupt mithalten?
Torsten Toeller: Ja. Mit unseren Partnern gehen wir sehr bewusst auf diese Reise. Denn wir erkennen den wechselseitigen Mehrwert zwischen stationärem Handel und online. Du kannst heute (noch) keine so individuelle, nahe und direkte Beratung online umsetzen, wie das im persönlichen Gespräch möglich ist. In unseren Läden finden Emotionen rund um deine Liebe zum Tier statt – das wird online nicht funktionieren. Aber online kannst du als Kunde besser vergleichen, dich besser informieren, dir rund um die Uhr, 24/7 deinen Input holen oder eben auch bestellen.
Veränderungen machen aber eben häufig auch Sorgen. Dabei sollten wir die Digitalisierung als Chance für eine noch bessere Kundenbeziehung betrachten und greifen! „Online“ ist ein riesiges Pfund für den stationären Handel – lass uns beim Fressnapf-Beispiel bleiben: Ein Markt, 600 Quadratmeter groß, 6000 Artikel auf der Fläche und zum Beispiel vierzig Kratzbäume – davon haben wir aber ungleich mehr im Gesamtsortiment. Also nutzen unsere Franchisepartner den Fressnapf-Onlineshop als „digitale Regalverlängerung“ und der Kunde kann im besten Fall noch vor Ort bestellen, sich den Kratzbaum in den Markt oder nach Hause liefern lassen. Das ist ein echter Mehrwert. Dabei partizipiert auch der Franchisepartner am Onlineumsatz.
Dr. Kai Hudetz: Amazon gegen alle: Hilft nur eine starke, emotional aufgeladene Marke gegen den Verlust von Marktanteilen?
Torsten Toeller: Unbedingt. Und wir haben da in der Pet-Branche ja zum Glück unwahrscheinlich viele Möglichkeiten. Ich meine: Wir arbeiten mit und für Tiere. Und dann schau mal, welchen emotionalen und gesellschaftlich hohen Stellenwert Haustiere heute genießen. Sie sind nicht mehr die klassischen Hofhunde an der 30-Meter-Leine und mit Zwinger. Sie sind heute vollwertige Familienmitglieder, denen wir Futter anbieten, das oft hochpreisiger als die eigene Mahlzeit ist. Die Beziehung Mensch-Tier ist von sich aus hochemotional. Sie ist nahezu krisenresistent. Und darauf setzen wir – nicht nur als Business-Modell, sondern auch in der Ansprache der Kunden und beim entsprechenden Aufbau der Marke. Wenn dein Fressnapf-Verkäufer nicht nur dich, sondern deinen Hund beim Einkauf kennt und direkt anspricht, ist das viel mehr wert als einfache Rabatte oder Angebote. Insofern, ja: es braucht unbedingt die emotionale Aufladung der Marke – ebenso wie starke und gelebte Werte in einer guten Unternehmenskultur. Diese Eigenschaften differenzieren dich und macht Kunden eben zu Fans.
ABER: Natürlich musst du auch über spannende, ansprechende und preislich attraktive Sortimente kommen. Du benötigst starke eigene und Industriemarken in allen Kanälen bzw. allen Ländern, damit man sich dem kanalübergreifenden Wettbewerb bestmöglich stellen kann. Das ist komplex und kompliziert, aber der einzige Weg, sich neben Emotionalität der Unternehmensmarke im Mind- und Relevant-Set des Kunden zu verankern.
Dr. Kai Hudetz: Vielen Dank Torsten für diesen kurzen, aber spannenden Einblick in die Unternehmenskultur von Fressnapf und euren Umgang mit den Chancen der Digitalisierung für einen besseren Kundenzugang.