Nach einer Marktanalyse vom Kölner Institut für Handelsforschung werden im laufenden Jahr voraussichtlich rund 46 Mrd. Euro brutto (inkl. MwSt.) hierzulande online umgesetzt. Damit gibt es im deutschen Online-Handel auch 2015 ein zweistelliges Wachstum – wie in den Vorjahren
Doch wie entwickelt sich der deutsche E-Commerce in den nächsten Jahren? Um die Zukunft verlässlich abzubilden, muss man viele Einflussfaktoren berücksichtigen. Hierzu zählen neben der Entwicklung der Einzelhandelsausgaben der Verbraucher auch noch die demografischen Veränderungen. So wird die deutsche Bevölkerung zum Beispiel zunehmend älter, was zu mehr Online-Nachfrage führen kann, wenn sich ältere Verbraucher öfter beliefern lassen. Jüngere Verbraucher wiederum sind bereits heute sehr E-Commerce-affin und dürften das auch in Zukunft bleiben. Gleichzeitig können stationäre Einzelhändler aber durch gute Multichannel-Services erreichen, dass auch junge Verbraucher wieder mehr Produkte offline einkaufen.
Aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse ist es sinnvoll, verschiedene Varianten der Online-Entwicklung zu analysieren. Das IFH geht bei der Betrachtung von drei Szenarien aus.
Szenario 1: Online-Umsatz verdreifacht sich in den nächsten fünf Jahren
Das erste Szenario beziffert für das Jahr 2020 einen Online-Umsatz von 118 Mrd. Euro brutto, was fast dem dreifachen Umsatz aus dem vergangenen Jahr entspricht (2014: 42 Mrd. Euro)
Grundsätzlich geht diese Variante von einer weiter zunehmenden Wachstumsdynamik im Online-Handel aus (siehe Grafik). Dies führt zur progressiven Entwicklung der Umsatzkurve des deutschen Online-Handels. Die Grundannahme dieser Variante ist, dass insbesondere von Anbieterseite starke, innovative Impulse kommen, welche von den Verbrauchern angenommen werden. Diese könnten beispielsweise in der Logistik entstehen, etwa durch Kofferraum- oder Drohnenbelieferung, enge Zeitfensterbelieferung oder flexibles Umleiten von Bestellungen.
Ohne deutliche innovative Impulse ist eine Steigerung der Wachstumsraten auf teilweise bereits hohem Niveau kaum realistisch. Innerhalb dieses Szenarios können die Impulse deutlich mehr (ältere) Konsumenten zu intensiverem Online-Shopping bewegen. Cross-Channel-Services führen in diesem Szenario nur sehr begrenzt zu mehr stationären Käufen. Die weitere Verbreitung von Smartphones, fördert Mobile Commerce und damit das Online-Shopping.
Szenario 2: Wachstumsraten im E-Commerce schwächen sich spürbar ab
Die mittlere Variante sieht für das Jahr 2020 nur einen Online-Umsatz von 73 Mrd. Euro, was nicht ganz dem doppelten ECommerce-Umsatz aus dem vergangenen Jahr entspricht. Dieser Annahme liegen langsam abnehmende Wachstumsraten des Online-Handels zugrunde. Dies führt tendenziell zu einer anhaltend gleichmäßigen Entwicklung der Umsatzkurve des Online-Handels. Grundannahme der mittleren Variante ist: Es gibt immer wieder Impulse innovativer Anbieter. Ein wesentlicher Teil der Wachstumsdynamik resultiert aber hierbei schon alleine aus der Generationenentwicklung. Das heißt, es werden immer noch neue Käuferschichten hinzu gewonnen, und das Älterwerden verändert zugleich die Konsumgewohnheiten einer gesamten Gesellschaft. Online-Shopping wird zur Selbstverständlichkeit. Außerdem: Cross-Channel-Services führen teilweise wieder zu mehr stationären Käufen. Smartphones und Mobile Commerce stützen sowohl das Online-Shopping wie den stationären Einkauf.
Szenario 3: Wenig neue Impulse, erste Sättigungsgrenzen erreicht
In der dritten Variante kommt es nur zu einem Online-Umsatz von 52 Mrd. Euro im Jahr 2020, was gerade einmal zehn Mrd. Euro mehr sind als im vergangenen Jahr (siehe Grafik oben). Bei diesem Szenario nehmen die Online-Wachstumsraten tendenziell deutlicher ab. Dies hat eine degressive Entwicklung der Umsatzkurve des Online-Handels zur Folge. Grundannahme hier ist: Es kommen wenig neue Impulse von Anbietern oder die Impulse werden von den Verbrauchern kaum angenommen. Die Sättigungsgrenze bei Vorreiterbranchen wie Bücher und Medien, Consumer Electronics sowie Fashion ist erreicht, die Aktivitäten zahlreicher potenter Anbieter in Nachzüglerkategorien wie Lebensmittel oder Möbel führen nicht zu Online-Umsätzen. Neue Online-Shopper gibt es kaum noch und die Online-Kaufintensität nimmt insgesamt nur leicht zu. Außerdem: Cross-Channel-Services und Smartphones begünstigen stationäre Käufe.
Grundsätzlich gilt: Um die weitere Entwicklung des Online-Handels in Deutschland valide zu prognostizieren, ist eine Betrachtung auf Kategorie- und Produktgruppenebene notwendig.
Denn weiter prägen die bisher starken Sortimente (u.a. Fashion und Elektronik) das Online-Wachstum – auch bei niedrigeren Wachstumsraten sind die absoluten Umsatzzuwächse hier beachtlich. Treiber werden aber mehr und mehr bisher weniger nachgefragte Sortimente wie Möbel, Heimwerkerbedarf oder Lebensmittel. Die Entwicklung ist in hohem Maße abhängig davon, wie sehr bei diesen Sortimenten die Online-Nachfrage geschürt wird. Gelingt etwa bei Lebensmitteln der Durchbruch, hat das erhebliche Auswirkungen auf den ganzen Markt.
Prognose: Alleine Amazon sorgt für hohe Innovationsgeschwindigkeit
Gleichzeitig ist aber auch das zunehmende Cross-Channel-Verhalten zu betrachten. Denn der Boom von Cross-Channel-Konzepten erschwert die Zuordnung der Umsätze auf die Kanäle immer mehr – zum Beispiel, wenn Kunden in einer Filiale mit ihrem Smartphone bestellen.
Bei einer oberflächlichen Betrachtung besteht die Gefahr, dass die Bedeutung des Online-Kanals für Umsatz und Kaufimpulse unterschätzt wird. Dies wäre umso fataler, als das dritte Szenario das unwahrscheinlichste der drei Szenarien darstellt. Denn es geht davon aus, dass in den nächsten Jahren keine Innovationen für einen Schub des Online-Handels sorgen.
Ein Rückblick auf die letzten Jahre zeigt, dass dies äußerst unwahrscheinlich ist. In sehr kurzer Zeit haben Smartphones und Tablets den Markt komplett verändert, Expresslieferungen, Live-Chats oder Produktvideos die Qualität und damit die Akzeptanz des Online-Handels erhöht. Alleine die von Amazon getriebenen Innovationen wie die Lieferung in den Kofferraum werden dafür sorgen, dass die Innovationsgeschwindigkeit wohl eher zu- als abnehmen wird.
Das bedeutet: In sehr vielen Kategorien muss daher in den nächsten Jahren weiter mit Online-Umsatzzuwächsen gerechnet werden – vor allem zu Lasten des stationären Handels.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht auf neuhandeln.de.