Ein Oldenburger Wallach bereichert die Rechtsgeschichte mit seinen Schmerzäußerungen, die Jurist:innen empathielos als Gewährleistungsfall sehen. Der Bundesgerichtshof entschied dazu, wie es um einen Kostenvorschuss der Verbraucher:innen für die Verbringung der Ware an den Nacherfüllungsort aussieht. Gut für Händler: Sie dürfen den Transport auch selbst organisieren. ECC CLUB Mitglied Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei Wienke & Becker – Köln, erläutert die Folgen.
Zungenstrecken als Mangel
Die Klägerin hatte das Pferd zum Kaufpreis von 12.000 € von einem Händler gekauft. Das Tier zeigte ein Zungenstrecken, was lt. Sachverständigem eine Schmerzensäußerung sei. Die Klägerin rügte dies als Mangel und verlangte Nachbesserung. Der Händler bot an, das Tier abzuholen und das Tier zu behandeln. Das wollte die Klägerin aber nicht. Stattdessen forderte sie vom Händler die Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 1.200 €, um den Transport des Pferds zum beklagten Händler selbst durchzuführen. Der Händler zahlte den geforderten Vorschuss nicht. Es kam zum Rücktritt und so bewegte sich der Rechtsstreit durch die Instanzen, um vor dem BGH zu landen.
Im Klageweg forderte sie zuletzt Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.000 €, Erstattung von Aufwendungen in einer Gesamthöhe von 5.261,59 € (Stallmiete, Sattelmiete, Reitausrüstung, Kosten für eine osteopathische Behandlung, Kosten einer Haftpflicht- und Operationsversicherung, einer Trense sowie Tierarztkosten) jeweils nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferds und stellte weitere Ansprüche zu Anwaltskosten und zu weiteren Aufwendungen.
Vorschuss bei entferntem Erfüllungsort
Das höchste deutsche Zivilgericht bestätigte im Rahmen des Urteils einige Grundsätze zum Erfüllungsort und Transportkostenvorschuss und fällte dennoch ein händlerfreundliches Urteil (BGH, Urteil vom 30. März 2022 - VIII ZR 109/20).
Grundsätzlich müssen Verbraucher:innen den gekauften mangelhaften Gegenstand am Ort der Nacherfüllung, in der Regel beim Händler, bereitstellen. Transportkosten sind den Verbraucher:innen ggf. zu ersetzen.
Eigentlich ging es der Klägerin wohl darum, dass der Händler das Tier bei ihr vor Ort untersuchen sollte. Zur Begründung der Ablehnung brachte sie einen Vorschussanspruch für die Transportkosten in Stellung und begründete den aus dem damals geltenden § 475 Abs. 6 BGB (jetzt: § 475 Abs. 4 BGB).
Der BGH bestätigte den Vorschussanspruch der Verbraucher:innen grundsätzlich:
„Für ein taugliches Nacherfüllungsbegehren reicht es daher aus, wenn der Käufer zeitnah einen - nicht ersichtlich unangemessenen - Transportkostenvorschuss vom Verkäufer anfordert und alternativ bereit ist, dem Verkäufer selbst die Durchführung des Transports zu überlassen…“
Verkäufer kann auch Abholung anbieten
Der BGH sah aber auch auf den generellen Zweck der Regelungen. Die Regelung will nach ihrem Sinn und Zweck, dass Verbraucher:innen von den Transportkosten entlastet werden. Daher ist es im Ergebnis egal, wie Verbraucher:innen entlastet werden. Der Verkäufer kann also auch die Abholung selbst übernehmen und organisieren. In diesen Fällen, so der BGH, bestehe der Anspruch auf Kostenvorschuss nicht. Das ist auch richtig so, denn Aufwendungen entstehen ja den Verbraucher:innen nicht.
Transport nicht unzumutbar
Auch sonstige Unannehmlichkeiten sah der BGH, wie auch die Vorinstanzen, nicht.
Die Klägerin war hierzu der Auffassung, der Transport des Tieres würde dieses stressen und der Transport habe Unwägbarkeiten. Das ließen die Richter:innen aber nicht gelten. Solche Gefahren gehörten zum allgemeinen Risiko eines Pferdehalters oder einer Pferdehalterin.
Die Rücktrittserklärungen waren daher im Ergebnis unwirksam, weil die Voraussetzungen nicht vorlagen.
Der BGH zum Verhalten der Klägerin:
Sie ist jedoch ihrer darüber hinaus bestehenden Obliegenheit, dem Beklagten eine Gelegenheit zur Nacherfüllung - vorliegend in Form der von ihr geforderten Nachbesserung - zu geben, nicht in gehöriger Weise nachgekommen, da sie ihm das Pferd nicht zur Verfügung gestellt hat. Die Klägerin hat die Abholung des Pferds durch den Beklagten verweigert, auf der eigenen Verbringung zu dem beim Beklagten gelegenen Nacherfüllungsort bestanden und diese von der Zahlung eines Transportkostenvorschusses abhängig gemacht. Eine solche Zahlung konnte sie indes nicht verlangen, da der Beklagte (durchgehend) bereit war, das Pferd zwecks Untersuchung und Nachbesserung auf seine Kosten bei der Klägerin abzuholen.
Auch nach dem aktuell geltenden Recht müssen Käufer:innen für ein taugliches Nacherfüllungsverlangen neben einer Fristsetzung auch bereit sein, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Das war hier im Ergebnis nicht der Fall.
Fazit:
Das Urteil ist zu begrüßen. Es bestätigt zunächst, dass Verbraucher:innen die Kaufsache wegen eines Mangels zum Verkäufer an den Nacherfüllungsort transportieren müssen. Gleichzeitig bestätigt es, dass Transportkosten ersetzt werden müssen. Geht es um den Transport an einen entfernten Ort, stehen Verbraucher:innen sogar ein Anspruch auf Vorschusszahlung für die Transportkosten zu. Allerdings kann der Händler diesen Anspruch abwenden, wenn er den Transport selbst in die Hand nimmt. Dabei spielen übliche Unannehmlichkeiten für Verbraucher:innen keine entscheidende Rolle.
ÜBER DEN AUTOR
Rechtsanwalt Rolf Becker ist Partner der Rechtsanwälte WIENKE & BECKER in Köln und Autor von Fachbüchern und Fachartikeln zum Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Vertriebsrecht insbesondere im Fernabsatz. Als Mitglied im ECC CLUB kommentiert Rechtsanwalt Becker für das ECC KÖLN regelmäßig aktuelle Urteile zum Online-Handel und gibt Händlern praktische Tipps, wie sie mit den gesetzlichen Vorgaben umgehen sollen.
RA Becker auf Twitter: http://twitter.com/rolfbecker
Er ist auch Autor auf den Informationsdiensten www.versandhandelsrecht.de.
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