Die beschleunigte Digitalisierung setzt den Mittelstand zunehmend unter Druck. Nur wer frühzeitig handelt und neue Wege geht, wird erfolgreich aus dieser Zeit kommen. Wir haben mit Johannes Sausen, Head of Consumer & Retail bei unserem ECC CLUB Mitglied IKB, gesprochen. Als Langfristfinanzierer begleitet die IKB Deutsche Industriebank AG klassischerweise strategische Investitionen mit entsprechender Größe und Tragweite. Welche Herausforderungen und Handlungsfelder Unternehmen derzeit beschäftigen, lesen Sie im Interview.
Ihr seid eng mit dem Mittelstand verbunden. Wie sieht es bei den mittelständischen Unternehmen aus in Sachen Transformation und Investitionswillen?
Mittelständische Unternehmen sind nicht nur das oft zitierte Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sie sind nach unserer Erfahrung auch agil und flexibel, wenn es um die Anpassung von Geschäftsmodellen an neue Herausforderungen oder das frühzeitige Ergreifen von Chancen, die sich durch Veränderungen ergeben, geht. Umsetzungsgeschwindigkeit und Pragmatismus könnte man als besondere Erfolgsfaktoren nennen.
Das kontinuierliche E-Commerce-Wachstum der letzten Jahre fand logischerweise seinen Niederschlag in den Investitionsplänen zur Digitalisierung; in vielen Fällen mit den notwendigen Investitionsbudgets, konsequenten Maßnahmenkatalogen und der nötigen personellen Unterlegung bis in die Geschäftsführung. In manchen Fällen geschah dies hingegen nur stiefmütterlich. Dann wurde gerne die Frage gestellt, warum eine Neuausrichtung zum Multi-Channel-Konzept jetzt vielversprechend sei, wenn zum Beispiel das angestammte stationäre Geschäft im Einzelhandel „doch gerade gut läuft“. Die Coronakrise und die Lockdowns haben der Digitalisierung einen disruptiven Stempel aufgedrückt. Die Veränderungen im Informations- und Einkaufsverhalten der Konsument:innen laufen wie im Zeitraffer ab. 2020 und 2021 werden wir wahrscheinlich eine Phase durchlaufen, die ohne Pandemie bis 2024 oder 2025 gedauert hätte. Dies erhöht unwillkürlich den Druck auf die Transformationsbereitschaft. Ganz klar sind die Unternehmen im Vorteil, die die Weichen schon vor Corona gestellt haben und im aktuellen Umfeld über Puffer in ihren operativen Strukturen verfügen.
Was sind die wesentlichen Herausforderungen, denen sich eure Kunden aktuell stellen müssen?
Die wesentliche generelle Herausforderung ist das Handling der erheblichen Unsicherheit im Zusammenhang mit Covid-19 über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Speziell im Einzelhandel sind es die konkreten Auswirkungen des verlängerten Lockdowns. Je nach Geschäftsmodell und auch Status der digitalen Transformation sprechen wir durchaus von entscheidenden Wochen für unternehmerische Existenzen. Die Unsicherheiten über den weiteren Pandemieverlauf sowie den Erfolg der Impfkampagne sind zu groß, um einen verlässlichen Ausblick zu wagen, aber eine Verlängerung des Lockdowns über März hinaus hätte massive Folgen. Dazu gehören signifikant steigende Insolvenzen, längerfristige Strukturprobleme in den Innenstädten und Ausfälle für die Immobilienwirtschaft.
2021 wird ein ausgesprochen flexibles „Management auf Sicht“ notwendig, im Spannungsfeld von strikter Kostenkontrolle, Liquiditäts- und Working-Capital-Management. Auch die Konsumgüterindustrie, die Logistikbranche sowie die Immobilienwirtschaft sind gehalten, die Auswirkungen unterschiedlicher Szenarien in Geschäfts-, Investitions- und Liquiditätsplanungen zu berücksichtigen. Unternehmen müssen aber gleichzeitig entstehende Opportunitäten nutzen, insbesondere mit Blick auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie E-Commerce, und den notwendigen Umbau der Geschäftsmodelle im möglichen Rahmen vorantreiben. Das ist komplex, anstrengend und herausfordernd.
In welchen Bereichen zeigt sich aktuell der größte Investitionsbedarf? Wie können Unternehmen hierbei unterstützt und begleitet werden?
Wir unterscheiden zwischen dem angesprochenen Liquiditäts- und kurzfristigen Finanzierungsbedarf, um die aktuelle Situation zu bewältigen, und Investitionen mit Blick auf die Ausrichtung 2021+.
Die Investitionsthemen und -anlässe sind naturgemäß je nach Branche weit gespreizt. Im produzierenden Bereich spielte die energetische Prozessoptimierung beispielsweise bereits vor Corona eine wichtige Rolle und wird dies mittelfristig auch weiter tun – Stichwort Klimaschutz.
Wenn ich an den Bereich Consumer & Retail denke, sind die dominierenden Themen Nachhaltigkeitsprojekte in jeglicher Form, insbesondere bei Verpackungen, Logistikinvestitionen, der Optimierung des Standortportfolios und natürlich der Digitalisierung. Hierbei können auf der Finanzierungsseite zinsgünstige Fördermittel- und Zuschussprogramme eingesetzt werden. Unternehmen sollten sich hierfür einen kompetenten Finanzierungspartner suchen, der sie federführend begleitet. Das gleiche gilt alternativ bei komplexen Strukturierungen sowie bei Transaktionen am Kapitalmarkt.
Wir freuen uns, Euch als neues Mitglied im ECC CLUB begrüßen zu dürfen. Worauf freut ihr euch am meisten in der Community?
Wir freuen uns ebenfalls sehr über die Mitgliedschaft im ECC CLUB und das herzliche Willkommen. Seit Jahren schätzen wir die Zusammenarbeit mit IFH KÖLN und ECC KÖLN und finden insbesondere die Idee des Austauschs mit der ECC CLUB Community spannend. Wir versprechen uns daher einen Know-how-Ausbau über das ECC-Netzwerk, aber auch über die Veranstaltungen sowie aktuelle Insights. Und wir hoffen natürlich, dass wir unsererseits hilfreichen Input an der einen oder anderen Stelle liefern können.